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FESTIVAL/191: Eine kleine Tour durch Erlangen - Der Star war der Salon (Szene WHatcher)


Szene WHatcher - Das Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für triviales Entertainment seit 1995
No. 282 vom 29. Juni 2010

Eine kleine Tour durch Erlangen

Der Star war der Salon


Die Voraussetzungen für den diesjährigen Erlanger Comic-Salon waren alles andere als günstig. Schon im Vorfeld pfiffen es die Spatzen von den Dächern, dass die Finanznot der Stadt den Etat für den Salon deutlich schmelzen lassen würde, zudem war für die Verantwortlichen erst Anfang 2010 die Planungssicherheit gegeben. Daraus resultierten unverschuldete, organisatorische Engpässe die obendrein durch die schleppende Zusage des französischen Autors Pierre Christin (Lebenswerk) und kurzfristig weggefallene Ausstellungsräume (Stadtmuseum Erlangen) immer enger wurden. Umstände, die auch zur Folge hatten, dass die Comixene-Programmausgabe erst wenige Tage vor der Saloneröffnung vorlag. "Wir haben das Programm gerade einmal zwei Wochen vor dem Drucktermin bekommen", berichtet Martin Jurgeit, der Chefredakteur des Magazins.

Auf dieser Grundlage erscheint es nachvollziehbar, dass bei vielen regelmässigen Besuchern der Show der Eindruck entstanden ist, dass sich der Salon 2010 besser darstellte, als erwartet, was sicher auch den zahlreichen, allgegenwärtigen Helfern zu verdanken ist, die viele Lücken gefüllt und die Veranstaltung in dieser Form erst ermöglicht haben. Kontroverse Diskussionen über den Salon sind immer im Gange, weil notwendig und erwünscht, zumal die Sicht- und Betrachtungsweisen des vermeintlichen Comic-Urgesteins und junger, unbefangener Comic-Fans nicht unterschiedlicher sein können.

Ziemlich müssig ist es aber, fortwährend die offiziell verkündete Besucherzahl infrage zu stellen, denn wichtig ist allein, dass heuer auch deutlich jüngere Jahrgänge anreisten, und es ist sehr erfreulich, dass sich immer mehr weibliche Fans darunter befinden - auch wenn diese Entwicklungen nicht jedem Beobachter sofort auffallen. Dass sich die Stadt am Salonwochenende merklich füllt, werden besonders all jene registriert haben, die an salonfreien Tagen die Nürnberger Strasse hoch und runter gelaufen sind - und selbst wenn der Salon in vollem Gange ist, spielt sich noch lange nicht alles in den Gängen der Messe in der Heinrich-Lades-Halle ab, wie einige Beobachter vielleicht irrtümlich vermuten.

Die Ausstellungen, die wie gewohnt und erfreulicherweise über den gesamten Stadtkernbereich verteilt waren, zogen viele Interessenten an, die nicht an den Kassen der Heinrich-Lades-Halle eine Tageskarte gekauft hatten, sondern offenbar nur einzelne Ausstellungen besuchten und vor Ort bezahlten, was am Salonsamstag immer wieder kleine Warteschlangen verursachte.

Es ist bereits Tradition, dass hier und da immer wieder einmal kritisiert wird ohne eigene konzeptionelle, umsetzbare Verbesserungsvorschläge zu präsentieren, allerdings wird der Erlanger Comic-Salon daran und an fehlendem Engagement des Kulturreferats nicht scheitern, sondern eher an der immer dünner werdenden Finanzdecke. Ob man in zwei Jahren mit einem derart geschrumpften Etat noch einmal einen derartigen Kraftakt vollbringen kann? Der deutschen Comic-Szene würde es gut tun.

Die visionären Pioniere

Im grossen Saal der Heinrich-Lades-Halle wurde u. a. stilvoll den Pionieren des Mediums Comic mit einer feinen Ausstellung mit dem Titel Jahrhundert der Comics - Die Zeitungs-Strips-Jahre gehuldigt. Eine schöne Auswahl von Originalzeichnungen und Sonntagsseiten liess die Genialität von Vordenkern wie Lionel Feininger, Windsor McCay, Alex Raymond, George Herriman, Walt Kelly oder Milton Caniff wieder aufblitzen.

Über Einzelausstellungen sind viele Werke dieser Meister hinlänglich bekannt, aber als geballte Ladung kommen sie noch eindrucksvoller daher und immer wieder wird man von diesen wundervollen Arbeiten in ihren Bann gezogen, aus dem man sich wirklich nur schwer lösen kann. Zu Hause angekommen, hat man nach dem Besuch einer solchen Ausstellung immer das Bedürfnis, die Comics dieser genialen Erzähler und Zeichner aus dem Regal zu holen und sich darin zu vertiefen.

Bereits 2008 ist ein Buch von Alexander Braun mit dem gleichen Titel wie der der Ausstellung erschienen, das auch gleichzeitig als Ausstellungskatalog angeboten wurde. Das 246 Seiten starke Buch ist im höchsten Masse empfehlenswert und erhältlich bei www.galerielaqua.de/Sekundärliteratur.

Die Cartoonisten

Auf dem Weg zur Mittagspause führte einen die Nürnberger Strasse am Kunstmuseum Erlangen vorbei, wo eine Hängung der Cartoonisten/-innen Maximilian Baumer, Kevin Coyne, Cornelia Effner, Thomas Hart, Wolfgang Herzer, Sam Mondon und Heike Pillemann stattfand. Die Ausstellung bot ein klares Spektrum des Cartoons, das von Malerei über die Karikatur und der Einbildgeschichte bis hin zum Comic reichte. Die Arbeiten der ausgewählten Cartoonisten/-innen demonstrierten in eindrucksvoller Weise die jeweiligen Richtungen und zeigten letztendlich auch den fliessenden Übergang zum Medium Comic. Es ist ausgesprochen erfreulich, dass diese comic-artverwandte Erzählform Eingang in den Salon gefunden hat und es werden hoffentlich weitere Programmpunkte und Ausstellungen folgen, die diese Verwandschaft weitergehend und tiefschürfend verdeutlichen.

Mecki

Gleich neben den Cartoons fand sozusagen Tür an Tür eine Ausstellung zu Ehren des deutschen Comic-Klassikers Mecki statt, der heuer seinen 60. Geburtstag feiern durfte. Über diese Figur wurde in der Vergangenheit so viel geschrieben, erzählt und gezeigt, dass man sich am Eingang der Hängung fragt, ob eine derartige Ausstellung überhaupt noch notwendig ist. Viel Neues gibt es wirklich nicht mehr über den Igel zu vermelden, allerdings liess diese Vielzahl von Originalzeichnungen in ihren herrlichen Farben - auf deren Pracht man in der Printform natürlich verzichten muss - den Betrachter mit offenem Mund dastehen.

Die Zeichner der im Jahre 1949 zum HÖRZU-Maskottchen ausgerufenen Comic-Figur, die in den Puppen-Trickfilmen der Gebrüder Diehl, Ende der 30er Jahre (oder gar schon Mitte des 19. Jahrhunderts in den Märchenerzählungen der Gebrüder Grimm) ihren Ursprung hatte, wurden in einzelnen Abteilungen gewürdigt. So konnte man mit Reinhold Escher (1951-1977), Wilhelm Petersen (1958-1969), Heinz Ludwig (1963-1966), Jürgen Alexander Heß (1976-1978), Volker Reiche (1985-2006), Ully Arndt (1999-2002), Harald Siepermann (2002) und Johann Kiefersauer (seit 2006) noch einmal viele Mecki-Geschichten durchleben und die favorisierten Geschichten seiner Jugend aufrufen.

Schade nur, dass bei der momentan erscheinenden, sogenannten Faksimileausgabe bereits die Zensur zugeschlagen hat. Wie schon der Journalist, Literatur- und Theaterkritiker Ludwig Börne (1786-1837) sagte: "Die Zensur ist die jüngere von zwei schändlichen Schwestern; der Name der älteren ist Inquisition."

Das Gasthaus Grüner Markt

Nach über 50 Jahren im Gastronomiegewerbe haben sich Frau und Herr Stelzer, die Inhaber der Erlanger Gaststätte Grüner Markt, Mitte Juni zur Ruhe gesetzt und die Wirtschaft an einen Nachfolger übergeben. Die Gaststätte war seit Beginn der Erlanger Comic-Salon-Ära für uns stets der Inbegriff fränkischer Gastlichkeit und Gemütlichkeit, verbunden mit kulinarischen Schmankerln aus Küche, Fass und Keller. Hier trafen sich jahrzehntelang Comic-Fans aus aller Herren Länder zu jeder Tages- und Nachtzeit, hier wurden Verträge zwischen Verlegern, Redakteuren, Autoren und Comic-Zeichnern gemacht, Pläne für neue Comics geschmiedet und letztendlich opulente Mittags-Treffen veranstaltet, die ob der Gemütlichkeit des Hauses meist länger dauerten als geplant und nicht selten so manchen Fan beinahe den Salon vergessen liess.

Obwohl uns Herr Stelzer versicherte, dass sein Nachfolger die Tradition der fränkischen Gastlichkeit fortsetzen will, so schwingt doch Traurigkeit mit bei dem Gedanken, in zwei Jahren einen anderen Grünen Markt vorzufinden. Nichts wird mehr so sein wie es war, denn Frau und Herr Stelzer waren stets die Seele der Wirtschaft, aber wir wünschen ihnen alles erdenklich Gute für den Ruhestand und viel Gesundheit!

Der Grenzgänger

Ein Besuch in der Galerie Beck ist Pflicht. Die kleine Galerie in der Theaterstrasse 1 Ecke Schiffstrasse hat nicht nur eine lebhafte Geschichte, sondern ist auch immer wieder ein Platz für ausgefallene Ausstellungen. In den Anfängen des Salons hiess sie bereits Galerie Beck und wurde dann fast sieben Jahre, bis Juli 2009, von Frau Sutter-Kress geführt, deren Namen sie auch trug, bevor sie jetzt als "Frühere Galerie Beck" im Programm auftauchte.

Heuer wurde dort eine Ausstellung mit Arbeiten von Oliver Grajewski mit dem Titel Jetzt wird alles wieder gut! gezeigt. Die kleine Galerie war komplett mit Arbeiten Grajewskis zutapeziert. An die Wände und auf den Boden waren plakativ Illustrationen und Comic-Motive geklebt und von der Decke wehten ebenfalls freihängende Objekte.

Der Eindruck bei Eintreten in diese kleine Galerie war schon ziemlich überwältigend, zumal man hier in all den Jahren zumeist artige Hängungen erlebt hatte. Die Masse an Informationen aus allen möglichen Lebensbereichen war schier erschlagend und es fiel schwer sich aus diesen Räumen zu lösen, schon aus Angst Informationen zu verpassen oder weil man einfach nicht glauben wollte, dass nicht alles zusammen irgendwie ein universelles Bild ergeben musste. Bei Grajewski verschwimmen die Grenzen zwischen Illustration, Comic, bildender Kunst, Information und Plakatmalerei - eine ausdrucksvolle Darstellungsform!


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Quelle:
Szene WHatcher - Flyer-Zine der trivialen Szene und Anzeiger für
triviales Entertainment seit 1995, No. 282 vom 29. Juni 2010
Herausgeberin: Gaby Heinkow
Luisenstrasse 32, 12209 Berlin-Lichterfelde
Telefon: 030-768 051 22
E-Mail: heinkow@gmx.de
Internet: http://www.szene-wHatcher.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2010