Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → COMIC

LITERATUR/066: "Zauberhaftes Feenland malen und zeichnen" von Linda Ravenscroft (SB)


Linda Ravenscroft


Zauberhaftes Feenland malen und zeichnen

Schritt für Schritt in eine geheimnisvolle Welt



Junge Manga-Fans haben es vorgemacht: Viele von ihnen gaben sich nicht damit zufrieden, nur Konsumenten zu sein, sie entwickelten vielmehr ein starkes Bedürfnis, selber eigene Charaktere und Stories zu kreiern - zum Teil mit überzeugenden Ergebnissen, so daß sich mittlerweile manche "Fan-Art" zur anerkannten Serie gemausert hat. Von daher nimmt es nicht wunder, daß in den letzten Jahren zahlreiche Lehrbücher zum Thema "Manga-Zeichnen" erschienen sind, die auch weniger ambitionierten Hobby- und "just for fun"-Zeichnern als Anleitung und Inspirationsquell dienen. Im Sog dieser Kreativitätswelle finden sich inzwischen - neben den klassischen Mal- und Zeichenlehrbüchern, die schon lange ihren festen Platz in den Programmen vieler Verlage haben - vermehrt auch solche, die sich mit dem Zeichnen und Malen von Fantasythemen in europäischer Machart beschäftigen. Eines davon ist das im April 2009 im Knaur erschienene Buch "Zauberhaftes Feenland malen und zeichnen" von Linda Ravenscroft.

"Learning by doing"

Im Unterschied zu den klassischen Mal- und Zeichenlehrbüchern, bei denen das Erlernen der jeweils thematisierten Technik im Vordergrund steht, geht es bei dieser Art von Büchern in erster Linie um das Erreichen eines für den Leser bzw. Nutzer befriedigenden Ergebnisses. Dieses Ergebnis darf gerne auch erreicht werden mit Hilfe von "abgekupferten" Umrißzeichnungen, hübschen Effekten und allerlei Dekoration - Dinge, die in der "echten" Kunst als minderwertig verschrien sind.

Wer seine Kreativität entfalten möchte, dem sollte jedoch jede Anregung recht sein, zumal wenn sie so sorgfältig und liebevoll aufbereitet präsentiert wird wie in diesem Buch. Da man zudem spätestens beim Nachmalen und -zeichnen der angebotenen Vorlagen und Beispiele feststellt, daß eine gewisse Fertigkeit im Umgang mit den Materialien nützlich und ein wenig Übung unerläßlich sind, um zu den erwünschten ansprechenden Ergebnissen zu kommen, wird man - bei entsprechendem Interesse - schnell darauf kommen, sich diese anzueignen, so daß es auch bei der Nutzung eines schlichten "Hobby"-Buches kaum beim bloßen "Abmalen" bleiben wird.

Das Buch "Zauberhaftes Feenland malen und zeichnen" bietet Anregungen für Anfänger und Fortgeschrittene. Es ist sehr sinnvoll in vier Kapitel unterteilt, die eine schnelle Orientierung ermöglichen. Kapitel 1 "Das müssen sie wissen" stellt die Materialien vor, Kapitel 2 "So entsteht ein Bild" beschäftigt sich u.a. mit Ideensuche, Bildaufbau und Perspektive und bietet diverse Vorlagen an. Im dritten Kapitel "Schritt für Schritt durchs Feenland" werden verschiedene Projekte und Arbeitstechniken aufgezeigt, anhand derer der Leser ein ganzes, fertiges Bild nacharbeiten oder seine eigenen Ideen umsetzen kann. Das letzte Kapitel schließlich umfaßt eine Galerie mit einigen ganz unterschiedlichen Feenmalereien von verschiedenen Künstlerinnen sowie Figurenvorlagen. Anhand der so unterschiedlichen, fertig ausgeführten Bilder kann der Leser nachvollziehen, daß jeder für sich ein befriedigendes Ergebnis erreichen kann, wenn er die ihm gemäße Form findet und konsequent verfolgt, von naiv bis naturalistisch, von dezent-pastellig bis kunterbunt.

Zahlreiche gezeichnete Details aus dem Feenreich und Materialanwendungen illustrieren auch die einzelnen Kapitel, so daß der Anfänger immer ein Beispiel vor Augen hat, von dem im übrigen auch der Fortgeschrittene profitieren kann. So werden die unterschiedlichen Materialien, angefangen von den monochromen Medien wie Bleistift, Fineliner und Federn, sowie Aquarell-, Gouache- und Acrylfarben, Farbstifte, Kreiden und Marker jeweils in ihrer Anwendung gezeigt, Techniken, wie etwa die Möglichkeiten, ein Motiv zu übertragen, Blumen und Blätter zu zeichnen oder stimmungsvolles Wetter darzustellen, sind jeweils sinnfällig mit Motiven aus der Feenwelt belegt.

Ein gutes Beispiel dafür, wie sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene die Anleitungen für sich nutzen können, ist der Abschnitt "Farbe schafft Atmosphäre" im ersten Kapitel. Hier wird anhand einer bewußt einfach gestalteten Feenburg die unterschiedliche Wirkung ein und desselben Motivs in verschiedenen Farbstellungen anfgezeigt. Die "Burg um Mitternacht" präsentiert sich in dunklen Blau- und Grüntönen, lediglich von einigen Weißhöhungen und Sternen am Nachthimmel aufgehellt, "Willkommen daheim!" zeigt dieselbe Burg freundlich und einladend in zarten, pastelligen Grüntönen. Die Assoziation "Hüte dich, Fremder" kommt hingegen unwillkürlich auf, wenn sich die Burg in kalten, stark mit Weiß verdünnten und hauchdünn aufgetragenen Farben in Olivgrün präsentiert. "Magisch" wird die Burg, wenn sie ausschließlich in Weißhöhungen auf kaltem Blau gearbeitet wird, zum "Eispalast" in Weiß mit kobaltblauem Hintergrund, "Elegant" als dunkle Silhouette mit einem Hintergrund in Grüngold und "Übernatürlich" mit einem flammenden Himmel hinter einer ebenfalls recht dunklen, bräunlichen Silhouette. Während der Fortgeschrittene anhand dieser Beispiele Ideen für seine eigenen Farbkompositionen sammeln kann, kann sich der Anfänger dank der beigefügten Burgsilhouette und den genauen Malanleitungen zunächst an das Nacharbeiten des Motivs machen, um so Erfahrungen für seine weitere Arbeit zu sammeln.

Viele Anregungen bietet auch das Kapitel "So entsteht ein Bild". Linda Ravenscroft stellt hier zunächst ihre Methoden der Ideensammlung vor. Sie zeigt ihren reich dekorierten Arbeitsplatz, schlägt vor, sich, immer ein Skizzenbuch dabei, in der Natur umzusehen, zeigt, wie man auch Fotos "magisch" umgestalten kann und gibt Tips zum Skizzieren. Das ist für Fortgeschrittene zwar nicht unbedingt etwas Neues, ist aber immer wieder interessant, denn jeder geht doch etwas anders vor. Dem Anfänger helfen diese Anregungen dabei, Hemmschwellen zu überwinden. Grundlagen werden auch in den Abschnitten "Bildaufbau und Blickwinkel", "Ausschnitt und Maßstab" und "Licht und Schatten" vermittelt, unter anderem werden hier die unterschiedlichen Wirkungen von Frosch- und Luftperspektive, offenem und umschlossenem Bildaufbau und von Nah- und Fernperspektive anschaulich dargestellt sowie unterschiedliche Lichteinfälle gezeigt. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich damit, wie man Allerweltstiere wie Katzen, Eidechsen oder Fische in Drachen, Feenland-Monster und verzauberte Wasserbewohner umwandeln kann.

Tiefer in die Materie dringt das dritte Kapitel. Hier werden zunächst einige, zum Teil etwas anspruchsvollere Mal- und Zeichentechniken vorgestellt. Im weiteren wird näher auf das Abbilden von Naturgegenständen eingegangen und gezeigt, wie man schöne Effekte erzielen kann. Rindenmaserungen, Rauhreif, frischgrüne Blätter, verschneite Äste, Blüten und Beeren sind nur einige Beispiele, die später ein eigenes Feen- oder Naturbild dekorieren und bereichern können. "Schritt für Schritt durchs Feenreich" geht es in weiteren Abschnitten zu Themen wie "Felsen, Steine, Wasser", "Spiegelungen", "Menschenwerk", "Luftschlösser", "Burgen", "Unter Wasser", "Regenwälder", "Baumhäuser", "Heilige Haine" und noch einigen mehr.

Auch, wer nicht unbedingt Feen, sondern vielleicht "nur" Natur- oder Landschaftsmotive malen oder zeichnen möchte, kann aus diesem Buch seinen Gewinn ziehen, denn es gibt viele Anregungen, die zum genaueren Hinsehen und zur eigenen Interpretation geradezu einladen. In diesem Sinne kann man den mit einem Preis von 14,95 Euro durchaus bezahlbaren Band denn auch allen Mal- und Zeicheninteressierten empfehlen.

30. Juli 2009


Linda Ravenscroft
Zauberhaftes Feenland malen und zeichnen
Knaur Verlag München, April 2009
128 Seiten, Softcover, 21,5 x 28 cm, 14,95 Euro
ISBN 978-3-426-64749-3