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MELDUNG/058: Mangas auf dem Index - Japanische Jugendliche sollen keinen Sex mit Kindern sehen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juni 2011

Japan: Mangas auf dem Index - Jugendliche sollen keinen Sex mit Kindern sehen

Von Suvendrini Kakuchi


Tokio, 6. Juni (IPS) - Japanische Mangas sind in aller Welt gefragt. Die Stadtverwaltung von Tokio befürchtet jedoch, dass Jugendliche durch die Comics Schaden nehmen können. Ab Juli dürfen Minderjährige keine Manga-Bücher mehr kaufen, in denen Kinder als Gewalttäter oder Sexobjekte dargestellt werden.

Die Entscheidung der Behörden war bereits im vergangenen Dezember gefallen und hatte eine hitzige Debatte in Gang gesetzt. Während Eltern und Ärzte mit dem Verbot einverstanden sind, laufen die Manga-Verleger dagegen Sturm. Die Stadt habe der Comic-Industrie einen Schlag versetzt, sagte Takayushi Nishitani, ein Sprecher des japanischen Verlagswesens. Viele Zeichner würden nichts mehr produzieren, weil sie Angst hätten, mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen.

Ganz anderer Meinung ist dagegen Tamae Shintani, die Vorsitzende eines Verbands von Eltern und Lehrern an Tokioter Grundschulen ist. Sie sei wütend über die "schockierende und unverständliche Haltung" der Comic-Branche, erklärte sie. "Besorgte Eltern, die ihre Kinder vor den perversen sexuellen Fantasien erwachsener Zeichner schützen wollen, haben lange auf diesen Schritt gewartet."


Gewinne in Milliardenhöhe

Durch Mangas ist Japans Popkultur auch in anderen Ländern bekannt geworden. Die Bücher sind in viele andere Sprachen übersetzt worden. Schätzungen zufolge machen die Manga-Verlage inzwischen Gewinne von jährlich rund sechs Milliarden US-Dollar. Die meisten Comics sind sehr fantasievoll, ihr Themenspektrum reicht von Philosophie bis Medizin. Daneben finden sich aber auch drastische sexuelle Inhalte, beispielsweise Vergewaltigungen und Inzest. Die Popularität der Mangas habe einige Zeichner und Verlage dazu verleitet, Kinder in Gewalt- und Sexszenen darzustellen, sagte Mika Sukurai von der Stadtverwaltung in Tokio.

Ab Juli sollen nun alle Comic-Veröffentlichungen daraufhin untersucht werden, ob sie für Minderjährige geeignet sind. Die Kontrolleure werden unter anderem darauf achten, ob die Figuren Schuluniformen tragen und vor welchen Kulissen sie abgebildet sind. Buchhändler dürfen anstößige Bände nur noch in bestimmten Abteilungen für Erwachsene anbieten. Wer den neuen Regelungen nicht folgt, muss mit einer Geldstrafe von umgerechnet 3.000 Dollar rechnen.

Umstritten ist beispielsweise eine Manga-Serie unter dem Titel "Meine Frau ist eine Grundschülerin", die seit 2006 im Akita-Verlag herauskommt. Darin geht es um einen Lehrer, der mit einer Zwölfjährigen verheiratet ist und seine sexuellen Begierden mit einem Kind nicht ausleben kann. In einer anderen in Osaka produzierten Serie geht es um homosexuelle Männer, die nackt dargestellt werden.

Der Arzt Tsuneo Akaeda, der eine Klinik für Jugendliche leitet, ist fest davon überzeugt, dass solche Comics einen schlechten Einfluss auf Heranwachsende haben. "Ich versuche HIV-Infektionen bei jungen Leuten zu verhindern", berichtete er. "Dabei habe ich gesehen, dass Schüler Sex nicht ernst nehmen und als Spiel betrachten." Der Mediziner kritisiert, dass die Gefahren unverantwortlichen Handelns in öffentlichen Darstellungen meist vernachlässigt werden. Akaeda, der Jugendlichen in Cafés und Bars HIV-Schnelltests anbietet, ist besorgt darüber, dass selbst Studenten nicht genau über Geschlechtskrankheiten Bescheid wissen.


Besserer Aufklärungsunterricht gefordert

Gegner einer Indizierung von Comics argumentieren, dass das Verhältnis Jugendlicher zu Sex nicht allein durch Mangas geprägt wird. Die Wissenschaftlerin Yukari Fujimoto warnt sogar davor, dass eine strikte Zensur negative Folgen haben könnte. In Japan unterscheide man schließlich genau zwischen Realität und Fiktion, meinte sie. Wenn also sexuelle Handlungen in Comics dargestellt würden, helfe dies den Jugendlichen, mit ihrem eigenen Verlangen umzugehen.

Die Debatte über Mangas hat auch die Rufe nach besserem Aufklärungsunterricht in den Schulen lauter werden lassen. Wie Akaeda betonte, haben die meisten 15-Jährigen zwar bereits sexuelle Erfahrungen gemacht. In der Gesellschaft sei das Thema aber nach wie vor tabu. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2011