Schattenblick →INFOPOOL →BILDUNG UND KULTUR → SPRACHEN

ENGLISCH/698: Britain today (35) Spinnen, Leichen, Schweine, Hunde (SB)


BRITAIN TODAY 35


Bei den Halloweenfestivitäten werden jetzt auch die Hunde verkleidet

Halloween verkommt zum Karneval - It's costume party season!



Vermummte Geister tanzen in den Straßen. Grün glimmen Skelette in dunklen Kellern. In Fenstern und Vorgärten leuchten grausig grinsende Kürbisköpfe. Fledermäuse aus Pappe flattern durch Schaufensterdekorationen.

Am 31. Oktober ist Halloween. In wenigen Jahren hat das angelsächsische Gruselfest selbst in Deutschland Fuß gefaßt, obgleich es nicht in unseren Kulturkreis paßt. Schließlich haben wir mit Fastnacht und Walpurgis zu anderen Zeiten unsere Mummenschänze. Die von England nach Amerika auf Europa zurückschwappende Welle bedeutet hierzulande nur noch eine weitere Möglichkeit zum Konsum.

Nach Weihnachten, Ostern und Karneval läßt sich mit Gruselattributen viel Geld verdienen. Von Verkleidungen, Dekorationen bis zu kleinen Geschenken des schaurig Schönen, die erbettelt werden dürfen, kurbelt der amerikanische Firlefanz auch hier den Konsum an.

Vor allem die Kinder sind begeistert. Kleine Gespenster, Hexen und Vampire huschen scharenweise von Haus zu Haus, blutsaugende Wesen machen sich auf die Jagd nach Süßigkeiten u.a. Kleinigkeiten.

Mit dem ursprünglichen Fest, dessen Wurzeln auf den britischen Inseln mehr als 2.000 Jahre zurückliegen hat das nichts mehr zu tun. Durch irische Auswanderer wurde es im 19. Jahrhundert nach Amerika importiert, wo es langsam sein heutiges Gesicht bekam. U.a. wurden hier auch erst die beleuchteten Fratzen aus Kürbissen geschnitzt. In England, wo man Kürbisse bis dahin noch nicht kannte, sondern nur sogenannte 'turnips' (große Rüben) hatte man bis dahin nur letztere zum Laternenbauen verwendet. Auch Rüben lassen sich nämlich sehr gut aushölen und mit dem Schnitzmesser je nach Geschick zu rustikalen bis filigranen Windlichtern bearbeiten.

Der Begriff Halloween hat sich aus "All Hallow's Day" entwickelt, von dem veralteten "hallow" ("Heiliger") der älteren Variante von "All Saints Day", auf deutsch "Allerheiligentag". Doch auch hier herrscht einige Verwirrung:

"Halloween" ist allerdings "(all) hallows' eve", d.h. der "Vorabend von Allerheiligen" - entsprechend wird Halloween am 31. Oktober gefeiert. Seit die Abkürzungsmanie von Australien auf die britischen Inseln überschwappte, übersetzen oder benutzen manche inzwischen "eve" generell als Kurzform von evening (Abend), - das ist allerdings nicht gemeint und auch nicht ganz richtig, wenn es mit dem Wort für Vorabend verwechselt wird. So wird über kurz oder lang eine der beiden Bedeutungen den britischen Wortschatz wieder verlassen müssen, fragt sich allerdings noch welche.

Ursprünglich war es ein keltisch-angelsächsisches Fest zur Feier des Winter- bzw. Jahresanfangs, wobei durch Maskeraden, Feuer und anderem Spektakel Geister und Dämonen vertrieben werden sollten, sein tatsächlicher Ursprung ist allerdings verworren:

Bei den Kelten im Irland des 5. Jahrhunderts soll das Fest Samhain auszeichnen, das am 1. November gefeiert wurde, das Ende des Sommers den Beginn des Winters und gleichzeitig des neuen Jahres. Bereits am Vorabend wurden vermutlich gewaltige Feuer auf den Hügeln entzündet, um die bösen Geister zu vertreiben. Und wie alte irische Sagen erzählen, galten in der Nacht vor dem Fest die Pforten zur "Anderswelt" als durchlässig. Geisterwesen und Seelen der Verstorbenen wanderten hin und her.

Als die Römer die britischen Inseln eroberten, soll sich dann Samhain mit dem römischen Totenfest vermischt haben. Im christlichen Festkalender ist das Datum seit dem 9. Jahrhundert verwurzelt, als Papst Gregor IV dem Allerheiligenfest den 1. November zuwies. In einigen Quellen ist die Rede davon, daß die Protestanten den "All Hallow's Evening", im 16. Jahrhundert als christliches Gegengewicht einführten, da sich das vorchristliche Brauchtum im keltischen Kulturkreis nicht ausrotten ließ.

Unbeeindruckt von dieser verwickelten Geschichte kreierten die Iren ihre eigenen Halloweenbräuche. Sie stellten Kerzen in ausgehöhlte Rüben und hielten damit die Geister fern. Und um im Dunkeln nicht allein zu sein, begannen sie von Haus zu Haus zu wandern, so wie es die Kinder heute tun.

Mit dem Spruch "Trick or treat" fordern diese heutzutage Süßes und dürfen an diesem Tag im Jahr einmal "ungeheuer" unbescheiden sein. Doch dieser Spaß ist gerade in den Herkunftsländern des Brauches entglitten. Schon lange bleibt es nicht bei der Forderung nach Süßigkeiten und immer öfter hört man von tätlichen Übergriffen bettelnder Kinder, die in den alten Bräuchen eine Legitimation sehen, all das zu tun, was sie aus den Gruselfilmen des Fernsehens für "richtig" furchteinflößend halten. Oft genug wird der traditionelle "Spaß" für legale Raubzüge genutzt, um endlich an die Dinge zu gelangen, die sich viele Familien mit Kindern bei der wachsenden Armut in Großbritannien nicht mehr leisten können. Daß es dabei sogar schon zu Verletzungen gekommen ist, wundert einen kaum. Der Polizeieinsatz in Großbritannien wird Jahr für Jahr stärker.

In Amerika gibt es das auch, doch hier nehmen die Festivitäten immer häufiger einen organisierten Verlauf in Form von Umzügen wie wir sie vom Karneval kennen. Es gibt Umzüge für Kinder, Umzüge für Erwachsene, Teens, Schulen, für Homosexuelle und sogar für Hunde u.a. Haustiere: An der 'Dog Run Halloween Parade' am Tompkins Square in New York nehmen jedes Jahr beispielsweise Hunderte von Hunden teil.

Offenbar gibt es auch weitere Hunde-Halloween Parties von Bangkok bis nach San Franzisko, doch die größte findet am NY Tompkins Square statt, wo sie schon 1990 ins Leben gerufen wurde und seither in keinem Jahr fehlen durfte. Allein im letzten Jahr waren mehr als 400 maskierte Vierbeiner auf der Straße und das vor 2.500 Schaulustigen, die am Rande mitfeierten. Die Amerikaner nehmen es, was ihre Haustiere anbelangt sehr genau, nicht nur Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke werden dem "besten Freund" verabreicht, mindestens 3,5 Millionen Amerikaner kaufen ihrem Haustier auch etwas zu Halloween. Kinder werden oft nicht so reich beschenkt.

Allein die Hundekostüme sind exquisit. Der erwachsene Hund kann als Spinne oder Fledermaus gehen, auch Vampir-, Leichen-, Skelett- und sogar Schweinchenanzüge kann man fertig kaufen. Dazu gibt es auch passende Kostüme zu dem von Herrchen oder Frauchen. Ob sich so ein Hund im Gummiknochenkostüm, das er seinen Instinkten gemäß, eher von sich reißen, totschütteln und ordentlich durchkauen würde, überhaupt wohl fühlt, läßt sich bezweifeln.


27. Oktober 2006