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ENGLISCH/790: Lehrmittel (24) Würste der Hölle - noch üblere Übelsetzungen (SB)


Würste der Hölle


Übelsetzungen - Neue Sprachpannen aus aller Welt

mit Texten von Titus Arnu



Schon der Titel "Würste der Hölle" des neuen Langenscheidt-gelben Taschenbuchs gibt dem potentiellen Leser Rätsel auf und macht neugierig. Der Untertitel "Übelsetzungen - Neue Sprachpannen aus aller Welt" hilft da letztlich auch nicht weiter, obwohl er vermuten läßt, daß nicht alles in diesem Buch so grammatisch genau genommen wird, wie man es von Sprachlehrwerken mit dem blauen L gewohnt ist. Für diese Annahme spricht dann auch das beinahe hämisch grinsende "Ü", das uns in dem bekannten Fehlerrot entgegenleuchtet. So schlägt man denn neugierig und in der Hoffnung auf Klärung aller aufgeworfenen Fragen das vermeintliche Sprachlernbuch auf...

... um darin auf zahllose skurrile, aber authentische Fehler zu stoßen, die wohl u.a. in dem gutgemeinten Bemühen entstanden sind, Gästen, Freunden und Touristen die Sitten und Gebräuche des eigenen Landes nahezubringen. An dieser Stelle sei vorweggenommen, daß die ursächliche Frage, was denn mit "Würste der Hölle" gemeint ist, auch ein gründliches Studium sämtlicher Texte dieses Buches nicht klären kann. Das läßt den Nachschlagenden zwar ein wenig unbefriedigt zurück, aber dafür liefern die hier dokumentierten Beispiele sprachlicher Verfehlungen mehr als reichlich Anregung und unentwegt Anlaß zum Schmunzeln.

Nach den ersten "Übelsetzungen", in denen Langenscheidt schon im vergangenen Jahr mit "Wahnsinnigen mit gepeitschter Sahne" und weiteren derartigen Leckerbissen aufwartete, hatten Leser auf den Aufruf des Verlags zum Mitsammeln für einen nächsten Band mit einer wahren Flut von Einsendungen reagiert, die - so schreibt der Herausgeber in seiner Pressemitteilung - zeigten: Schlimmer geht's immer!

Und was daran die Lachnerven zum Vibrieren bringt, wird durch die spitzzüngigen Anmerkungen von Titus Arnu nur noch verstärkt. Kurzum, Brillenträger werden über die Zwangspausen dankbar sein, in denen sie ihre tränenbeschlagenen Nasengestelle reinigen müssen und endlich wieder Luft schöpfen können.

Warum aber lacht man über das "am näxten Morgen gepäcte Früstück" oder wenn auf dem Schild einer Gelateria der wahrhaft köstliche Text steht: "Die Eiscreme und die Getränke von mache mir einen Spaziergang kann nicht zum Tabelle verbrauchen werden" (Seite 51). Oder welche unverarbeiteten Reste infantiler Phasen lassen uns Warnungen wie "Die Schissfahrtgrenze ist fur die Schisse nicht gekennenzeichnet" komisch finden?

Durch Beispiele wie diese entstehen ganz eigene Geschichten im Kopf, ganz besonders, wenn Wortneuschöpfungen daran beteiligt sind: "Warnmarinestachel werden gekannt, Geschenk in diesem Gebiet zu sein". Laut Arnu müsse es sich dabei wohl um ein besonders "fieses Tier" handeln, daß sich als "Geschenk tarnt" und Touristen auflauert. Der eigenen Phantasie sind da keine Grenzen gesetzt.

Beruht unser Vergnügen an diesen phototechnisch dokumentierten Sprachentgleisungen auf reiner Häme und Schadenfreude über soviel fremde Unwissenheit, oder gibt es vielleicht noch etwas darüber hinaus, das unseren Spaß ganz unmoralisch rechtfertigt?

Die neue Zusammenstellung "sprachlicher Souvenirs", mit denen der Langenscheidt Verlag gerade rechtzeitig zur "FURIENZEIT 2008" herauskommt, also in der für viele wohlverdienten Pause nach einem Schuljahr voll anstrengender Sprachbüffelei, wirkt ausgesprochen entspannend.

Wie erheiternd und erleichternd ist es doch, zu erfahren, daß - wie Titus Arnu in seinem Vorwort sagt - weder Abend- noch Morgenland durch üble Übelsetzungen untergeht. Und nicht nur die Welt bleibt wie sie ist, auch einem selbst kann überhaupt nichts geschehen, wenn man Kommunikation in einer Fremdsprache wagt. Denn eins ist sicher: Jeder macht Fehler!

Vielleicht von der Redaktion gar nicht einmal beabsichtigt, sensibilisiert einen das kleine, ausgesprochen unterhaltsame Werk aber auch für sprachliche Fallen, in die einen ein Wörterbuch in seiner Eigenschaft als Kommunikationsmittel bei allzu unbefangenem oder "unsachgemäßem Gebrauch" hineintappen lassen kann. Auf geradezu subtile Weise werden dem Leser darüber hinaus die vielfältigen Möglichkeiten und vor allem die Freude an lebendiger Sprache näher gebracht, ohne daß man sich verpflichtet fühlt, noch mehr Wörter oder Grammatik zu pauken. Die sprachlichen Fettnäpfchen machen die Welt nicht nur bunter, sondern auch menschlicher.

Da gibt es beispielsweise die vielfach schon bekannten "falschen Freunde" (engl.: "False Friends"), die heutzutage sogar schon im Englischunterricht thematisiert werden. Das sind falsche Vokabeln, zu deren Gebrauch der Sprachlernende regelrecht verführt wird, weil sie so ähnlich wie die muttersprachlichen sind. Der leicht zu verwechselnde, englische "chef" einer Firma ist bestenfalls der Betriebseigene Koch oder Kantinenchef, um nur ein Beispiel zu nennen. Verwirrungen dieser Art finden sich natürlich in allen Sprachen.

Andererseits können gerade aus dem Wissen von der Existenz derartiger Fallen und dem Versuch ihrer Vermeidung wiederum ganz neue Fehler entstehen, wenn beispielsweise aus zwei im Wörterbuch angegebenen Übersetzungen absichtlich diejenige gewählt wird, die am wenigsten Ähnlichkeit mit der eigenen Sprache hat. Ein typisches Beispiel dafür findet man auf Seite 67, wo "La Direzione" = "Die Richtung" eines Hotels in Palermo "jede Verantwortung fur eventuelle Gegenstande oder unbewachte gelassene Werte" ablehnt. (Direzione heißt übersetzt Direktion, aber eben auch Richtung.)

Ein österreichisches Schild beruhigt englischsprachige Touristen bezüglich 'nicht ansteckender Liftkarten': "tickets not contagiously". Contagious heißt zwar im medizinischen Sinne "übertragbar"; daß Fahrkarten nicht an Dritte 'übertragen' werden dürfen, geht aus obiger Übersetzung jedoch leider nicht hervor.

Die Bedeutung des unterschiedlichen Gebrauchs ganz bestimmter Versatzstücke oder Idiome für die jeweilige Sprache wird einem gerade bei solchen meist allzu wörtlichen Übersetzungen sehr anschaulich vor Augen geführt.

Daß lateinische Buchstaben für schriftzeichengewöhnte Vertreter anderer Kulturen ebenso hieroglyphenartig aussehen müssen, wie für uns chinesische Schriftstücke, macht das Kapitel "Chinglish" deutlich: Wie leicht kann es geschehen, daß man den einen oder anderen kleinen Strich beim Übertragen vergißt und sich dem Betrachter eine ganz neue Welt offenbart, in der man z.B. "take good cake of the flowers & trees" (Chinglish Seite 89) - also einen Kuchen aus Blumen und Bäumen macht. Daß hier schlicht das "k" in cake nicht richtig als "r" erkannt wurde, motiviert einen fürderhin vielleicht zu größerer Genauigkeit.

Es gibt aber noch weit skurrilere Hinweise wie "RFAR FND COUISION" statt "REAR END COLLISION (Auffahrunfall), die einem zu denken geben. Denn was würde wohl dabei herauskommen, wenn wir uns umgekehrt selbst daran wagten, chinesisch zu schreiben?

Auch mit willkürlichen Worttrennungen - nach Gefühl oder vermeintlichem Sprachempfinden! -, läßt sich kolossaler Unsinn herstellen, wie das Beispiel auf Seite 72 zeigt:

ÜBER SCHEMMUNG
IMFALL STARKER REGEN

Laut Kommentar sei bei starkem Regen gegen diese tückische, buchstabenfortspülende "Schemmung" fas nih z mahn.

Besonders stilvoll und mit sehr viel Sinn für sprachliche Ästhetik ist das auf Seite 30 abgebildete Badeschild übersetzt. Hier beginnt die in vier Sprachen abgedruckte Warnung immer mit dem gleichen Anfangsbuchstaben wie (Attenzione, Achtung, Attention, Attention), was sich auch bei dem ersten und letzten Wort der Botschaft fortsetzt. So beginnen alle ersten Worte des Satzes mit "B" und alle letzten Worte mit "S", was in der deutschen Übelsetzung zu einem:

BADEN OHNE RETTUNG SAUFSICHT

geführt hat.

Das ist so logisch, daß man im umgekehrten Fall beinahe selbst drauf reingefallen sein könnte. Und wenn man bedenkt, welche Blüten bisher die deutsche Amtssprache trieb, die unlängst sogar Sprachforscher auf den Plan rief, um in Bochum über "europäische Wege zu einer verständlichen Verwaltungssprache" und das Ausmerzen solcher Wortschöpfungen wie "Beitreibung", "Restmüllbehältervolumenerhöhung" oder "Erwerbsobliegenheit" zu tagen, dann lacht man angesichts der hier zusammengestellten Merkwürdigkeiten doch eigentlich nur über sich selbst:

Wir sind nicht verantwortlich, und können nicht verantwortlich, hinsichtlich der Verletzungsbeschädigung auch gesetzt werden, oder anders welcher Natur folglich, resultierend aus dem Verwenden oder Hüpfburgen.
1 Schouven, Niederlande
(Würste der Hölle, Seite 68)

Nachdem wir auf diese Weise über viele mögliche Fehlerquellen beim Umgang mit Sprachen aufgeklärt wurden, bestätigt die hintere Vorsatzseite, die zu Werbezwecken des Verlags benutzt wird, dann doch den Verdacht, daß dieses Buch nicht nur zum Amüsement der Leser geschrieben wurde, sondern auch einen direkten Werbeauftrag erfüllt: Denn hier darf der möglicherweise doch etwas entmutigte Fremdsprachennutzer erfahren, daß Langenscheidt eine pannensichere Lösung für das Umgehen künftiger Übelsetzungen bereithält, nämlich seinen vertrauten, zuverlässigen und schnellen Übersetzungsservice für alles und jeden.

Dennoch stimmen wir auch gern dem Vorwort des Kommentators zu: "Das sprachliche Inferno ist wahrlich kein Grund zum Lamentieren. ... Die Welt wird durch die krassen Fehler reicher und unterhaltsamer."

Verzichten Sie also nicht auf eine buntere Welt - haben Sie Mut zu eigenen Fehlern und genießen Sie dieses Buch mit der nötigen Umsicht:

"Please fall into water carefully"

Achten Sie auf schlechtes Wetter und hohle See, auf Wellonbrecher und vor allem auf die "Schwane", denn die darf man in Italien "nicht futtern", auch nicht versehentlich.

Titus Arnu
Würste der Hölle
Übelsetzungen - Neue Sprachpannen aus aller Welt
Langenscheidt Verlag München
128 Seiten - 12,5 x 18 cm - kartoniert -
Euro 9,95 (D)
Erscheinungstermin: Juni 2008
ISBN 978-3--468-29850-9


26. Juni 2008