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BUCHBESPRECHUNG/107: Ehrung für deutsche Spanienkämpfer (Lexikon) (Gerhard Feldbauer)


Ehrung für deutsche Spanienkämpfer

Ein Lexikon gibt eine umfassende Übersicht über die deutschen Kämpfer an der Seite der Spanischen Republik

Von Gerhard Feldbauer, 27. Mai 2016


Zum Vorabend des 80. Jahrestages des Beginns des Spanischen Bürgerkrieges und der Internationalen Brigaden hat der deutsche Spanienkämpferverein als Bd. 1 im Verlag Edition AV in Lich/Hessen unter dem Titel "Sie werden nicht durchkommen" ein biografisches Lexikon über "Deutsche an der Seite der Spanischen Republick und der sozialen Revolution" vorgelegt.

Jahrelange aufwendige Recherchen und ehrenamtliche Kleinarbeit des Vereins "Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939" (KFSR) haben zu diesem ehrenden Ergebnis geführt. Die Herausgeber, gleichzeitig auch die Autoren, Werner Abel und Enrico Hilbert haben mit den Namen von 4.500 deutschen Interbrigadisten ein würdiges Ehrenbuch verfasst. Das Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer in der DDR hatte bereits 1988/89 eine 513 Personen umfassende Namensliste mit Geburtsdaten der im anderen deutschen Staat registrierten Spanienkämpfer vorgelegt, von denen seinerzeit noch 107 lebten. Detailliertere Angaben, die in vielen Fällen vorlagen, sollten in einem biographischen Lexikon folgen, das zu DDR-Zeiten aber nicht mehr erschien. An dieses Material sowie an Forschungsarbeiten auch in der Alt-BRD konnte der um die Jahrtausendwende gegründete gesamtdeutsche Spanienkämpferverein nun anknüpfen.

In sachlicher und neutraler Weise werden die Männer und Frauen gewürdigt, die als Freiwillige der rechtmäßig gewählten Regierung der Volksfront im Kampf gegen die Francoputschisten und ihre Helfer aus Hitlerdeutschland und Mussoliniitalien zu Hilfe kamen. Nach der fundierten Auswertung aller auffindbaren Quellen ist, bei dennoch möglichen Lücken, wie vermerkt wird, ein hochinformatives Werk entstanden. Auf knapp 570 Seiten enthält es unter anderem eine Liste mit 3.531 Namen. Diese Zahl liegt in etwa zwischen den einst in der DDR angenommenen 5.000 deutschen Antifaschisten und den von André Marty, dem Cheforganisator der Internationalen Brigaden, im Oktober 1938 angegebenen 2.212 aus Deutschland stammenden Brigadisten, die damit nach den Franzosen (8.950), Polen (3.110), Italienern (2.944) und US-Amerikanern (2.336) das fünftstärkste Kontingent stellten. Die Differenz zwischen 2.212 und den jetzt erfaßten 3.531 Personen dürfte mit den nicht bei den Interbrigaden registrierten deutschen Kämpfern zu erklären sein, die Einheiten der Volksarmee, den Milizen oder autonomen bzw. anarchistischen Verbänden beigetreten waren. Hinzu kamen Personen, die wie die Geschwister Erika und Klaus Mann sowie der spätere Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) zeitweise mit journalistischem Auftrag oder als Beobachter in der Spanischen Republik weilten.

Die Einträge enthalten meist Geburtsdatum und -ort, soziale Herkunft und Beruf, Angaben zu politischem Werdegang, dem Zeitpunkt des Eintreffens in Spanien, Dienstgrad, Einsätzen an den unterschiedlichsten Fronten und gegebenenfalls Verwundungen oder Tod. Im Falle franquistischer Gefangenschaft enden sie oft mit dem Hinweis "verschollen" oder "vermißt". Einige biographische Einträge umfassen - so bei dem ersten KPD-Beauftragten Hans Beimler oder dem Sänger Ernst Busch, Wilhelm Zaisser, dem Kommandeur der XIII. Brigade, der später erster Minister für Staatssicherheit der DDR wurde, Heinz Hoffmann, Bataillonskommissar der XI. Brigade, in der DDR zuletzt Verteidigungsminister, oder bei Carl Einstein, einem engen Vertrauten des anerkannten spanischen Anarchistenführers Buenaventura Durruti - mehr als eine Buchseite. Die Autoren haben auch den großen Beitrag von Frauen, die im Lazarettbereich, in der Kultur und der Versorgung aktiv waren, gewürdigt.

Auch die Lebenswege vieler Interbrigadisten nach dem Krieg in Spanien bzw. nach der Befreiung vom Faschismus werden skizziert. Sicher mangels Quellen enden jedoch Angaben oft mit dem Aufenthalt in Spanien oder dem Verweis auf die nachfolgende Internierung in Frankreich. Mit der Publikation, die den mutigen und aufopferungsvollen Kampf dieser Internationalisten würdigt, wird ein eindrucksvoller Beitrag geleistet, der auch bestehende Lücken schließt. Angekündigt wird ein zweiter Band, der mit Fotos, persönlichen Dokumenten und anderen hinterlassenen Zeugnissen das biografische Lexikon ergänzen soll.

Mit dem Edition AV kämpft wieder einmal ein linker Verlag um seine Existenz. Im April 2016 beschloss der Bundesgerichtshof, dass die VG Wort-Ausschüttung allein der Autorenschaft zusteht. Verlage sollen daran nicht mehr beteiligt werden. Das Urteil besagt aber auch, das Verlage die vergangenen Gelder bis 2012 zurückzahlen müssen. Für Edition AV bedeutet das, über 10.000 Euro müssten an die VG Wort zurückbezahlt werden. Eine solche Summe kann der Verlag nicht aufbringen. Eine Ratenzahlung oder Stundung wird nicht eingeräumt. Das könnte nach 28 Jahren das Ende von Edition AV einläuten. Die Umsetzung des Urteils würde aber auch für viele kleine unabhängige Verlage das Ende bedeuten.


Werner Abel, Enrico Hilbert: Sie werden nicht durchkommen. Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialistischen Revolution. Bd. 1, Verlag Edition AV, Lich/Hessen 2015, 567 S., broschiert, 45 Euro, ISBN 978-3-86841-112-6.

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Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Mai 2016

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