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REZENSION/004: Henry Rider Haggard - Der Allan der Antike (Abenteuer) (SB)


Henry Rider Haggard


Der Allan der Antike



Zufällig bin ich auf diesen 26. Band der Allan Quatermain-Serie gestoßen. Ich will gleich darauf hinweisen, daß es für das Verständnis der Geschichte nicht ausschlaggebend ist, die vorherigen Bände gelesen zu haben. Diese Erzählung kann ohne weiteres für sich stehen.

Wenn ich vorher nicht die Kurzbiographie des Autors und das Datum der Erstveröffentlichung gelesen hätte, wäre ich nie darauf gekommen, daß der Roman bereits 1919 in Emgland erschienen ist. Die frische Sprache und die gradlinige Erzählweise haben mich angenehm überrascht. Henry Rider Haggard hat von 1856 bis 1925 gelebt und war einer der bedeutendsten englischen Erzähler der Jahrhundertwende.

Ich bin sonst ziemlich skeptisch, wenn von Klassikern in der Fantasie-Literatur die Rede ist, oft empfinde ich die Sprache als schwülstig und die Gefühlswelt als überladen. Aber hier wird spannend, schnörkellos und mit Witz erzählt. Man hat es mehr mit einem historischen Abenteuerroman zu tun. Die Fantasy-Elemente sind sparsam eingesetzt und auch nicht dominant, es geht eher um Kriegskunst, Listen und Frechheit, Intrigen, Mut, Ehre und unzerbrüchliche Treue. Und es werden Regungen angesprochen, die einem etwas sagen, die aber keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft haben. Die Grausamkeiten werden ebenso lustvoll wie unschuldig begangen, denn man weiß, daß auch der Gegner kein Pardon kennt. Freundschaft kennt bei Gefahr kein Abwägen, ob man sich für den anderen einsetzen soll oder nicht. Und schließlich zählt ein ehrenvoller Tod mehr als ein kriecherisches Leben.

Daß sich das Buch so gut ließt, liegt nicht zuletzt an der engagierten Übertragung ins Deutsche. Meistens fällt es einem nur auf, wenn flüchtig beziehungsweise schlecht gearbeitet wurde. Aber hier möchte ich die Übersetzerin ausdrücklich loben, sie hatte wohl selbst Spaß an der Sache.

Zu guter Letzt noch eine kurze Inhaltsangabe, die derjenige, der neugierig genug geworden ist, das Buch selbst zu lesen, sich vielleicht lieber sparen sollte:

Allan Quatermain ist nach langer Abwesenheit nach England zurückgekehrt und folgt der Einladung Lady Ragnells auf ihr Schloß. Die beiden sind sich bereits vor Jahren in Ägypten begegnet. Inzwischen ist sie verwitwet, da ihr damaliger Gatte Lord Ragnell bei der privaten Ausgrabung einer Tempelanlage am Nil verschüttet wurde.

Die geheimnisvolle und willensstarke Witwe bringt Allan Quatermain dazu, ein äußerst starkes afrikanisches Kraut mit Namen Taduki zu inhalieren, obwohl er sich geschworen hat, diese Droge niemals wieder anzurühren, da seine Rauscherfahrungen bei der ersten Einnahme verheerend waren. Doch daß die Dame ihn einen Feigling nennt, als er sich ihren Plänen widersetzen will, kann er als Gentleman nicht auf sich sitzen lassen.

Nur Sekunden nachdem er den Rauch inhalliert hat, findet Allan Quatermain sich in einem Chaos von Ereignissen im tiefsten Afrika längst vergangener Zeiten wieder, Zeiten in denen die Tiere gewaltiger und die Waffen der Menschen schwächer waren. Doch dieser Rücksturz in der Zeit kommt bald zu einem Stillstand. Er weiß zwar, daß er Allan Quatermain ist, aber jetzt verkörpert er Shabaka den Ägypter und damit kann er durchaus zufrieden sein. Auch Lady Ragnell wird er wieder begegnen, wenn auch in anderer Gestalt und unter anderem Namen. Es scheint so, als wären sie sich über die Jahrhunderte verbunden.

Shabaka befindet sich in der Fremde, in einem Reich östlich seiner Heimat. Hier erlebt er gefährliche Abenteuer, die ihn bis in die unmittelbare Nähe des despotischen Königs der Könige führen. Die Bekanntschaft gleicht einer gefährlichen Gratwanderung zwischen Ruhm und Reichtum aber auch Eifersucht und Todesgefahr. Durch eigenes Können und die unerschütterliche Treue seines kämpferischen und gerissenen Sklaven Bes, des zwergenhaften Äthiopiers, kommen sie immer wieder mit dem Leben davon.

Schließlich erreichen sie Ägypten, aber das Reich ist schwach und ohne eine führende Hand. Die Ägypter leben unter dem drohenden Schatten des Königs der Könige. Shabaka unternimmt es zusammen mit dem Fürsten Peroa, eine Armee aufzubauen und den Befehlen des fremden Königs zu trotzen. Peroa wird zum Pharao ausgerufen. Shabaka möchte sich mit dessen Nichte Amada verheiraten, aber seine Braut zieht sich im letzten Augenblick als Priesterin hinter die Mauern eines Tempels zurück. Tief gekränkt entschließt sich Shabaka Bes, den er inzwischen in die Freiheit entlassen hat, in dessen Heimat Äthiopien zu begleiten. Dort wird der häßliche Zwerg als der frühere Herrscher Karoon freudig empfangen und wieder in sein Amt eingesetzt. Shabaka erhält den Rang eines Oberbefehlshabers und macht es sich zur Aufgabe, ein schlagkräftiges Heer auszubilden. Doch nach zwei Jahren ist alles getan und das sorglose Hofleben hat seinen Reiz verloren. Da kommt die Nachricht aus Ägypten, daß der König der Könige das Land am Nil niederwerfen will, verbunden mit der Bitte an Shabaka seiner Heimat beizustehen. Zorn und Kränkung sind vergessen, der Ägypter folgt dem Ruf und auch Bes ist sofort bereit mit einem Heer von 75.000 Mann auszuziehen, um den Pharao zu retten. Als sie die belagerte Stadt Theben erreichen, kommt es zu einer verzweifelten Schlacht gegen einen übermächtigen Gegner. Es erfordert außerörtliches taktisches Geschick, eine Niederlage abzuwenden, aber es gelingt schließlich, den Feind entscheidend zu schlagen. Aber der Pharao läßt sein Leben im Kampf und Shabaka wird gedrängt, das verantwortungsvolle Amt zu übernehmen. Und sogar Amada seine Jugendliebe scheint endlich bereit zu sein, seine Gemahlin zu werden. Doch da entläßt der Rausch Allen Quatermain aus seinen Fängen ...


Henry Rider Haggard
Der Allan der Antike
Heyne Verlag, München 1992
318 Seiten, 12,80 DM
Heyne Science Fiction & Fantasy Nr. 06/4874