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REZENSION/011: Rainer Erler - Die Delegation (Ufo-Bericht) (SB)


Rainer Erler


Die Delegation



In den abschließenden Bemerkungen zu seinem 1973 erschienenen Ufo- Bericht "Die Delegation" schildert der Rainer Erler die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte dieses Buchs. Nach der starken Zuschauerreaktion auf die gleichnamige Fernsehproduktion, die 1970 erstmalig vom ZDF ausgestrahlt wurde, meldete sich ein Literaturagent bei dem Filmemacher, der für diesen Film als Drehbuchautor, Regisseur und Produzent verantwortlich zeichnete. Der wenig begeisterte Erler lehnte das Ansinnen, den erfolgreichen Stoff zu einem Buch zu verarbeiten, rundweg ab, doch der Herr am Telefon ließt nicht locker. Er schlug statt dessen vor, die Entstehungsgeschichte des Films ertragreich zu Papier zu bringen. Das Resultat dieser Anfrage führte schließlich zu einem Bericht über die Möglichkeit, wie der Film "entstanden sein könnte".

Erler setzte sein Erfolgsrezept, Realität und Fiktion auf kaum unterscheidbare Weise zu vermischen, auch in diesem drei Jahre später erscheinenden Buch fort und schuf damit ein Werk, daß eine minutiöse Ergänzung der Filmhandlung bildet. Wer mehr über die vielen im Film angeschnittenen Fragen zur Ufologie erfahren und die in umfassende Recherchen zum Thema eingebettete Fiktion des Fernsehjournalisten Will Roczinski im Detail rekapitulieren möchte, ist mit dem Buch gut bedient. Es werden auch einige Zusammenhänge der Geschichte um den mysteriösen Tod des Journalisten deutlich, die in der relativen Kürze der Filmhandlung untergehen.

Vor 25 Jahren stellte die medientechnische Mehrfachverwertung eines erfolgreichen Films noch eine ungewöhnliche Ausnahme dar. Während moderne Hoolywoodepen durch Film-, Fernseh- und Printversionen sowie breitflächiges Merchandising den Charakter überwirklicher Mythen annehmen, war damals lediglich die Verfilmung einer Literaturvorlage üblich. Die Publikation eines Buches nach einem erfolgreichen Film stellte vor allem eine Praxis des Dokumentarfilms dar, an dessen Grenze sich ja auch "Die Delegation" bewegt. Den animativen Faden, durch den die vielen Sachthemen vom Zuschauer geradezu aufgesogen werden, bildet jedoch die von Erler ersonnene Geschichte des Journalisten Roczinski auf der Jagd nach der Story seines Lebens.

Während die Rahmenhandlung des Films von einem Nachrichtenmagazin namens "Aktuelles Forum" gebildet wurde, schildert Erler in dem Buch die ein Jahr später angesiedelte Suche nach den Spuren Roczinskis, die mit dem Zweck unternommen wurde, den Wahrheitsgehalt seiner Geschichte zu überprüfen. In Ich-Form berichtet er von dem Anruf eines kalifornischen Leihwagenverleihers, der sich im Besitz von Roczinskis Film- und Tonmaterial befindet. Ohne Umschweife erzählt der Amerikaner, daß sein ehemaliger Kunde von Außerirdischen umgebracht worden sei, da er zu viel von deren Aktivitäten auf der Erde gewußt habe. Bei einem persönlichen Kontakt legt er die Fotos der kanadischen Lehrerin vor, auf denen sich die sogenannte Delegation der Außerirdischen ihrem Auto nähert, und erregt damit das professionelle Interesse des Regisseurs an dem Material.

Nach längeren Beratungen mit Kollegen und Fernsehoffiziellen, bei denen Erler sich nebenher über die bundesrepublikanische Medienlandschaft der frühen siebziger Jahre ausläßt, beschließt man, dem Amerikaner das Material abzukaufen. Nachdem die ursprünglich ausgestrahlte Sendung, die von einem deutschen UFO- Kongreß und Roczinskis Recherchen in den USA und Kanada handelt, gesichtet wurde, wird Erler damit beauftragt, sich mit einem Filmteam auf die Spuren des verstorbenen Journalisten zu begeben. Das Filmteam, das er in dem Buch vorstellt, ist mit demjenigen identisch, mit dem er den Film "Die Delegation" produziert hat, so wie die ganze als Nachforschung inszenierte Amerikareise im wesentlichen mit der Tour übereinstimmt, auf der der eigentliche Film abgedreht wurde.

Bis auf die Rahmenhandlung des "Aktuellen Forums" wird der Film in kursiv gesetzten Blöcken mit Originaltext und Handlungsprotokoll wiedergegeben. Das Buch enthält gewissermaßen das gesamte Skript, wobei einige Aufnahmen mit Roczinski wie die Straßenbefragung zu Ufos, der Besuch bei Major Keyhoe oder das Interview mit Roczinskis Ehefrau in die aktuelle Handlungsebene eingebettet wurden. Andere Teile der Filmhandlung werden durch eine zweite Begegnung mit Akteuren wie einem Hypnosespezialisten oder einem Luftwaffenoberst ergänzt und erweitert, zudem kommen Wissenschaftler und Ufologen zu Wort, die im Film gar nicht erscheinen, aber während der Dreharbeiten befragt wurden.

So wird die These der telepathischen Kommunikationsform der Außerirdischen durch PSI-Experten einer amerikanischen Hochschule kommentiert, ein Biologe äußert sich ausführlich über die Wahrscheinlichkeit extraterrestrischer Lebensformen und die Unwahrscheinlichkeit einer Begegnung mit ihnen, und ein Wissenschaftler der NASA steckt die Perspektiven der interstellaren Raumfahrt ab, die er nach derzeitigem Wissensstand für unmöglich hält. Der ehemalige UN-Mitarbeiter Colman Von Keviczky, der über sein zu großes Engagement in dieser Angelegenheit stolperte und jetzt dem Intercontinental U.F.O Research and Analytical Network vorsteht, weiß Interessantes über die Position der UNO zu Außerirdischen zu berichten. Er bemängelt das Fehlen einer internationalen Institution, die außerirdischen Besuchern als Ansprechpartner dient und ihnen gegenüber die Interessen der Erde vertritt.

Der durch den Keyhoe-Report bekanntgewordene Major Donald Keyhoe, Präsident des National-Investigation-Committee-On-Arial- Phenomena, äußert sich sehr skeptisch zu den Fotos der kanadischen Lehrerin, die offensichtlich zum fiktiven Teil der Geschichte gehören. An derartigen Stellen hinterläßt das Vorgehen Erlers einen schalen Beigeschmack, da er einem Experten mit internationalem Ruf offensichtlich fingierte Fotos vorlegt. Hätte Keyhoe auch nur in geringem Maße Interesse gezeigt, wäre dieser Angriff auf seine Seriosität zu seinem Nachteil verlaufen. So konnte er sich allerdings als rationaler Skeptiker profilieren, da er die große Masse des kursierenden Fotomaterials als eindeutige Fälschung disqualifizierte.

Aufgrund der vielen, von Erler als authentisch ausgewiesenen Interviews mit Wissenschaftlern und Ufo-Experten kann das Buch zumindest teilweise als Sachbuch bezeichnet werden, das das Ufo- Phänomen in, für damalige Verhältnisse, sicherlich einzigartiger Bandbreite dokumentierte. Neueinsteiger konnten dort alle relevanten Themen und abseitigen Theorien vorfinden, die in der Ufologie der sechziger Jahre eine Rolle spielten. Während sich die Bücherregale im Ufo-Boom der Neunziger unter dem Gewicht mehr oder minder gut zusammengestellter Materialsammlungen biegen, spielte sich das damalige Geschehen vorwiegend im Rahmen zumeist geheimgehaltener Regierungsuntersuchungen und den quasi privaten Zirkeln der Forschungs- und Studiengesellschaften ab. Seriöse Publikationen waren rar, und das allgemeine Bewußtsein wurde vor allem durch sensationelle Pressemeldungen und Science-Fiction- Filme geprägt.

Durch die große Verbreitung von Film und Buch hat "Die Delegation" einen medienwirksamen Impuls gesetzt, der zur Wandlung des Schreckgespensts einer außerirdischen Gefahr in eine friedliebende Hyperzivilisation beigetragen haben mag und die These einer überraumzeitlichen Informationsübertragung verbreitete. Die von Erler vorgenommene Verbindung von seriöser PSI-Forschung und Ufologie, mit der die Telepathiethese auf wissenschaftliche Weise untermauert werden sollte, wurde erstmalig vor einem größeren Publikum präsentiert. Es mag übertrieben erscheinen, eine direkte Verbindung zum Channeling zu ziehen, im Rahmen einer Ideengeschichte sind hier jedoch zumindest randläufige Zusammenhänge zu erkennen.

Auch die Hypothese einer Zeitdilatation wird in einem Gespräch mit dem Wissenschaftsjournalisten und SF-Autor John Allister plausibel gemacht, womit die theoretische Möglichkeit interstellarer Raumfahrt begründet wird. Diese und andere bisher lediglich Science-Fiction-Lesern vertraute Theorien werden in Grundzügen vorgestellt und mit der Handlung verknüpft, wodurch sie gewissermaßen einen didaktischen Treibsatz erhalten. Auch wenn Erler keine vermeintlichen Beweise für die Existenz Außerirdischer vorlegt und den spekulativen Charakter derartiger Behauptungen herausstellt, erkennt er zumindest die Notwendigkeit der Erforschung von Phänomenen an, die mit wissenschaftlichen Mitteln bis dahin nicht eindeutig zugeordnet werden konnten. Er dokumentiert die Relativität wissenschaftlicher Positionen, indem er renommierte Gelehrte mit gegenteiligen Aussagen zu Wort kommen läßt, und deutet das starke Interesse offizieller Stellen an der Ufo-Forschung an, indem dort einerseits mit demonstrativer Ignoranz gemauert, das Thema andererseits aber als sicherheitsempfindlicher Bereich behandelt wird.

Zu den damals heftig umstrittenen Theorien Erik von Dänikens, die er mit seiner Nazca-Episode aufgreift, bezieht er die vermittelnde Position des passionierten Freigeists. Er beruft sich auf die von C.G. Jung begründete Theorie der Funktion mythologischer Phänomene, die häufig als Einfluß Außeridischer gedeutet werden, als Archetypen der Götter und erklärt so die heftige Ablehnung Dänikens, der verdächtigt wurde, eine Art Ersatzreligion schaffen zu wollen. Unter Verweis auf den aufgeklärten Humanismus ergänzt Erler, daß jede Religion echt und so immer nur Ersatz für "eine emotions- und damit auch ideologiefreie Philosophie" sei.

Wie weit wiederum die Erkenntnisfunktion einer vermeintlich ideologiefreien Philosophie reicht und an welcher Stelle sich ihre Axiomatik als quasireligiöses Glaubensbekenntnis enthüllt, muß ein Geheimnis der nüchtern-rationalen Attitüde bleiben, die der Autor an Textstellen wie dieser vorhält. Emotional wird er immer dann, wenn er den Grundton des Kulturpessimismus anschlägt, der das Buch von Anfang bis Ende durchzieht. An dem glatt vorgetragenen Pathos einer damals wie heute modernen Endzeitstimmung erkennt man die Handschrift des professionellen Zeitzeugen, dessen Zeichnungen in unverfänglicher und folgenloser Distanz verbleiben. Die zusammengeknüppelten Vietnamdemonstranten und die wuchernden Megastädte mit einsamen Ehefrauen in düsteren Wohnmaschinen wirken als bloßes literarisches Attribut zur Auflockerung des Textes. Neben den touristischen Freuden einer weitgehend freigestellten Journalistencrew, die Nordamerika mit viel Spaß durchreist, und den flüchtigen und sentimentalen Romanzen des Autors wirken derartige Exkursionen deplaziert und bleiben unverknüpft. Hier zeigen sich die Grenzen eines letztlich überfrachteten Buchs, in dem trockene Sachthemen mit unterhaltsamen Episoden und kulturkritischem Tiefgang vereint werden sollen.

Die außerirdischen Besucher fallen als imaginierte Beobachter des globalen Dilemmas in das Klagelied des Autors ein und werden so zu moralischen Instanzen, die diese Probleme längst hinter sich gelassen haben und nur noch das Schicksal einer barbarischen und zerstörerischen Spezies beweinen können. Die Widersprüchlichkeit dieser vermeintlich unbeteiligten Sichtweise zeigt sich im düsteren Abgesang des Professor Estrella, der als klassische Figur des verkannten Weisen in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wurde und dort die Zukunft der Außerirdischen in düstere Formeln meißelt. Ihren Aufbruch zu den Gestaden einer fernen Welt begründet er so:

Sie haben unseren Blitz gesehen, damals, den Blitz von Nevada, Hiroshima, Nagasaki ... Das Signal für den Kosmos: Hier, ein neuer Planet, Aufbruch einer neuen Zeit - neue Energien. Aber es war nur neue Macht, neuer Mord. Sie haben sich getäuscht. Nur technischer Fortschritt ohne moralische Qualifikation!

Wie die vermeintlich technisch wie geistig so hochentwickelten Außerirdischen die Zerstörungskraft eines Atomblitzes mit dem Anbruch einer neuen Zeit verwechseln konnten, bleibt unklar. Der Atombrand als Qualifikation des Weltenbrandes mit allen Implikationen sozialer Drangsalierung wäre eine logischere Schlußfolgerung gewesen, oder sollte es genau diese Form technokratischer und zentralistischer Friedfertigkeit sein, die sich um eine Atomtechnologie mit entsprechend repressivem Sicherheitsapparat gruppiert, die die Außerirdischen als moralischen Fortschritt betrachten? Noch deutlicher wird das verbrennungsgetriebene Wunschdenken bei Estrellas vermeintlicher Disqualifikation des Zeitalters des Feuers:

Wir leben noch im Zeitalter des Feuers. Unsere gesamte Technik dreht sich noch ... um fossile Energie - Kohle - Öl: Reste einer versunkenen Vegetation - mehr nicht! Komisch und lächerlich: Automobile, fortbewegt durch eine Folge winziger Explosionen. Selbst unsere Astronauten reiten auf einem antiken Feuerstrahl zum Mond. Feuerwerk! Aber neue, unerschöpfliche Energien stehen bereit, uns mit ungeahnten Geschwindigkeiten durch das All zu tragen - und Tausende von Jahren vergehen wie ein Tag.

Die Größe eines Feuers ändert sicherlich nichts an seiner grundlegenden Zerstörungskraft. Und auch ein Fusionskraftwerk, an anderer Stelle als Lösung für interstellares Reisen vorgeschlagen, basiert auf der Zerstörung einer Vielzahl von Ressourcen, die zur Errichtung dieser Technologie notwendig sind. Eine unerschöpfliche Form der Energienutzung dürfte mit Verbrennung nichts zu tun haben, da jeder Brand an irgendeinem Punkt in der anwachsenden Verarschung erstickt, so wie jede Sonne einmal erlischt. Wesen, die einen derartigen, in den Vorstellungen einer bei feuerbetriebener Zeit- und Raumüberwindung verbrennenden Menschheit nicht vorkommenden Entwicklungsstand erreicht haben, wären wohl kaum den Begrenzungen und Ambitionen bioorganischer Flüchtigkeit ausgesetzt. Auch wenn sie "tausendjährige Augen" besitzen, wie Erler beschreibt, so reagieren sie damit auf Licht und Verbrennung, und ein von Hoffnungen und Wünschen getragener Weg über Lichtjahre hinweg weist deutlich auf Probleme hin, die den unseren sehr stark ähneln.

So stellt der Verkünder extraterrestrischer Weisheit schließlich unsere und ihre Moral gegenüber, wobei sich bestätigt, daß die höhere Moral menschlichster Genese ist, da sie Blut mit Blut vergilt und keineswegs an der Notwendigkeit des Blutvergießens zweifelt:

"Aggression, Zerstörung, Gewalt - das ist unsere Moral ... Und wir tragen sie hinaus in das Universum, das wir 'erobern' wollen." ... "Was heißt 'Recht auf Leben'? ... Auch der Cholerabazillus hat ein Recht auf Leben. Wir haben versucht, ihn auszurotten. Sind wir im Recht? Das höhere Prinzip entscheidet ... immer und überall! Und wir sollten uns vorsehen, bei unserem Vorstoß ins All unter dem Zeichen der Gewalt ..." ... Siehst du, mein Freund - das ist ihre Moral: Wenn die Götter töten, opfern sie einen der Ihren. Du, mein Freund, hast ihn begraben ..."

Der unter Indios auf einem fremden Planeten sterbende Außerirdische als Ausgleich für die toten Gefährten Roczinskis - eine bestenfalls im folkloristischen Verständnis archaischer Beschwichtigungsrituale verständliche Maßnahme. Der hohe Entwicklungsstand der Außerirdischen hätte eine Vielzahl anderer Möglichkeiten zur Vermeidung dieser Toten beinhalten müssen, oder haben sie etwa aus ebenso unkalkulierbaren Impulsen, wie es häufig Menschen tun, getötet? Naheliegender ist die in dem vornehmen Wort vom "höheren Prinzip" verborgene größere Keule, die hier wie in jeder anderen Situation zum Einsatz kommt, in der man das Fremde aufgrund des Wissens um einen räuberischen Kosmos von vorneherein als feindlich einstuft.

Die von Erler in vielen Andeutungen als hochzivilisierte Humanisten gezeichneten Außerirdischen entsprechen diesem Status durch wohldosierte und überlegene Gewaltanwendung. Der Maßstab einer hochentwickelten Technologie bleibt die effiziente Gewaltanwendung, die dann, ähnlich wie die punktgenauen Raketen des Irakfeldzugs, als besonders zivilisiert gefeiert werden, wenn sie besonders gut treffen und Zivilsten angeblich schonen. Der den Außerirdischen zugewiesene Tod Roczinskis und das zeitgleiche Verschwinden Estrellas entsprechen dieser Ideologie einer humanen Schadensbegrenzung, bei der eben die Zeugen eliminiert werden, die wirklich etwas mitbekommen haben.

Dieses Verständnis extraterrestrischer Intelligenz bestätigt die plausible Vermutung, derzufolge höherentwickelte Technologie eine höherentwickelte Gewalttätigkeit mit sich bringt. Ein solches Verständnis bioorganischer Evolution mag desillusionierend und unattraktiv sein, es entbindet jedoch auch von der selbstverdammenden Ideologie kosmischer Weisheit und Güte, gegen die der Mensch in unbescheidenem Aufbegehren verstoßen habe. Was hat man auch von außerirdischem Besuch, der sich bei Nichtgefallen der observierten Kultur zurückzieht und vielleicht erst in einigen tausend Jahren wiederkommt. Die mythischen Götter, die Roczinski nicht antworten und auf die der Mensch doch so stark reagiert, daß er sie entweder liebt oder tötet, zeigen sich in keiner Weise bereit, den hochgesteckten Erwartungen ihrer Jünger zu entsprechen:

Es ist die Angst. Sie sucht Hilfe. Hilfe, die die Erde nicht gewährt. Hilfe und Hoffnung - Zeichen am Himmel. Wir erwaren das Heil, die Botschaft der Wissenden, den Frieden, das Glück - aber sie brachten uns kein Heil, keine Botschaft, keine Erlösung. Sie waren hier, aber nichts geschah, was uns aus der Bedrängnis führen könnte. Sie waren hier und sind fort. Sie werden wiederkommen ...

Mit diesen Worten Estrellas läßt Erler die Aufnahmen Roczinskis enden und verbrämt die Ansprüche an die Außerirdischen mit mehr Religiosität, als es Däniken je getan hat. Der Ich-Erzähler Erler hält sich dabei wohlweislich in der sicheren Distanz des beobachtenden Journalisten, der zwar ganze Indizienketten für die tatsächliche Existenz Außerirdischer präsentiert, sich aber auf nichts einläßt. Sein eigene Schöpfung Roczinski hat ja hinreichend demonstriert, welches Schicksal denjenigen erwartet, der sich auf die Unwägbarkeiten einer Jagd nach Gespenstern begibt. Es bleibt also, allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz, bei der Warnung vor dem Narrenschiff, die dem Leser nur eins läßt - unvoreingenommen zu forschen und dabei nicht in der Distanz eines Rainer Erler zu verbleiben, der seine persönlichen Ambitionen zwecks Bewahrung seines guten Rufs von tragischen Romanfiguren vollenden läßt.


Rainer Erler
Die Delegation