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REZENSION/032: Michael Crichton - Congo (Thriller) (SB)


Michael Crichton


Congo



Das 1980 erstmalig erschienene Frühwerk des vor allem durch die Verfilmung von "Jurassic Park" berühmt gewordenen Bestseller- Autors Michael Crichton komponiert mit der Erzählstruktur des klassischen Thrillers und einer geringfügig in den Science- Fiction-Bereich extrapolierten Wissenschaft eine Mixtur, die ihre Spannung vor allem aus der Plausibilität des Plots bezieht, der die unmittelbare Lebensrealität des Menschen in entwicklungsgeschichtliche Dimensionen treibt. Dabei geht es in "Congo" um verschiedene Diszipline der Biologie, die im aktuellen Szenario einer weniger der Forschung als dem Kommerz verpflichteten Expedition ins Herz Schwarzafrikas ihre Tauglichkeit in der unmittelbaren Konfrontation mit der urwüchsigen Wildnis beweisen müssen.

Natürlich darf man keine kritischen Untertöne angesichts des Wettlaufs zweier konkurrierender Expeditionen erwarten, die eine Lagerstätte für Diamanten, die eine wichtige Funktion bei optischen Datenspeichern erfüllen sollen, im afrikanischen Regenwald ausfindig machen sollen. Diese Vorarbeit zur industriellen Ausbeutung natürlicher Ressourcen inmitten eines der letzten großen Regenwälder steht bei Crichton ganz im Zeichen der generalstabsmäßig angelegten Operation und ihrer minutiös getimten und aggressiv durchgesetzten Ausführung. Die wissenschaftliche Expedition findet im Stil eines militärischen Kommandounternehmens statt und dokumentiert so in eindrücklicher Weise, daß die Erschließung von Rohstoffen für eine allesverzehrende Menschheit heutzutage längst das Stadium beschaulicher Exkursionen hinter sich gelassen hat.

Schon die aufwendige Logistik der im Zeichen des Ansturms auf die letzten unerschlossenen Rohstofflager boomenden Firma, die die Expedition im Auftrag eines Minenkonzerns durchführt und ständig mehrere Forschergruppen zur Erschließung aller Arten geologischer und biologischer Ressourcen rund um den Globus im Einsatz hat, erfüllt alle Anforderungen modernster Kriegsführung. Ständiger Kontakt mit der Zentrale in den USA und Computeranalysen des vor Ort erhobenen Bild- und Tonmaterials, satellitengestützte Fernaufklärung und lasergesteuerte Vermessungssysteme, ultraleichte Ausrüstung und elektronische Sicherungssysteme gegen wilde Tiere stellten Ende der siebziger Jahre, als Michael Crichton das Werk verfaßte, den state of the art der Expeditionstechnologie dar und vermitteln einen guten Eindruck vom damaligen Stand der Computertechnik. Typisch für diese Pionierzeit rechnergestützter Wissenschaft in unwirtlichem Umfeld ist das ständige Feedback, mit dem die Expedition ihre Erfolgschancen durch statistische Analyse zu ermitteln versucht - ein Vorgehen, das sich als sehr viel aufwendiger und unzuverlässiger herausgestellt hat, als es die optimistischen Prognosen des frühen Computerzeitalters vermuten ließen.

Überhaupt scheint Michael Crichton es schon damals darauf angelegt zu haben, der Tom Clancy des Bio-Thrillers zu werden. Wie bei dem für seine Detailversessenheit berüchtigten Autor von "Roter Oktober" und anderer Polit-Thriller setzt sich die strukturelle Hardware des Romans "Congo" aus einer Flut an wissenschaftlich Informationen, die direkt den aktuellen Publikationen entnommen zu sein scheinen, aus einer mit Akronymen und Techno-Jargon gesättigten Sprache und einem vermeintlich von der CPU getakteten Zeitregime zusammen. Die Charakteristika der handelnden Personen fallen demgegenüber flach und farblos aus und lesen sich bisweilen wie Auszüge aus einer Personalakte, sie interessieren aber auch nicht weiter, da das Geschehen ganz und gar vom Ablauf der Expedition bestimmt wird.

Da es sich bei "Congo" vor allem um einen "Thrilla With Gorilla" handelt, eine Tiergeschichte der etwas anderen Art, wird auch mit Informationen über die Forschung an den großen Primaten nicht gespart, wobei insbesondere Experimente der Verhaltensforschung wiedergegeben werden. Michael Crichton versteht es durchaus, die für einen Roman umfassend recherchierten Forschungsergebnisse, deren Quellen in einer Literaturliste dokumentiert sind, so mit der Geschichte zusammenzuweben, daß sie gewissermaßen zu laufen beginnen. Der Plot ist spannend angelegt und letztlich so überraschend, daß man darüber auch den etwas spröden Charakter dieser Mischform von Sachbuch und Roman vergißt.

Kleine Anekdoten aus der Primatenforschung tragen zusätzlich zur Unterhaltung bei, da sie immer wieder die Frage nach dem Unterschied zwischen Menschen und Affen berühren, der im Verlauf des Buches immer fragwürdiger wird. So wurde das zentrale Thema der Sprachbegabung von Affen schon im 17. Jahrhundert heiß diskutiert und veranlaßte einen Forscher zu der Ansicht, daß Affen sehr wohl sprechen könnten, daß sie es jedoch vorzögen, ihre Fähigkeit zu verbergen, da man sie ansonsten zur Arbeit für die Menschen einspannen würde. Daß sich dieser weitblickende Gelehrte durchaus auf der richtigen Spur befand, kann man im weiteren Verlauf der Geschichte feststellen, wenn geschildert wird, wie Menschen versucht haben, Tiere direkt in der Industrie einzusetzen oder ihre Intelligenz anderweitig im Produktionsprozeß auszubeuten.

Der Autor ist jedoch nicht in der Lage, über eine bloße Wiedergabe derartiger Praktiken eine Bewertung im Sinne einer Kritik an Wissenschaft und Forschung vorzunehmen, obwohl die Geschichte, in dessen Mittelpunkt das Gorillaweibchen Amy steht, die über 600 Wörter in Zeichensprache beherrscht, durchaus die Grundlage zu einer Verknüpfung von schöner Theorie und grausamer Praxis böte. Auch die angesichts der völlig normalen verbalen Kommunikation zwischen Tier und Mensch immer wieder anklingende Frage nach den Maßstäben, aufgrund derer sich die vermeintliche Krone der Schöpfung anmaßt, mit ihren nächsten Verwandten im Tierreich allerlei grausame Experimente durchzuführen, fehlt vollständig, obwohl die vielen Erkenntnisse der Primatenforschung mehr als genug Zweifel an zentralen Kategorien der Differenzierung in Mensch und Tier wie Bewußtsein und Intelligenz aufkommen lassen.

Das schöne Beispiel eines in Zeichensprache ausgebildeten Schimpansen, der wegen Geldmangels verkauft werden sollte, wogegen sein Trainer einwandte, daß man nicht mehr über ihn verfügen könne, weil er kein Tier mehr sei, illustriert das Problem auf anschauliche Weise. Zum Beweis seiner These legte der Trainer seinem Schützling einen Stapel Fotografien von Schimpansen und Menschen vor, den er in diese zwei Gruppen aufteilen sollte. Der Affe legte Mensch auf Mensch und Schimpanse auf Schimpanse, nur sein eigenes Bild legte er zum Stapel mit den Fotos der Menschen. Für ihn, der sich wie alle Primaten im Spiegel erkennen konnte, waren seine Artgenossen "dunkle, haarige Dinger", während er sich selbst zur Spezies zählte, die sein vertrautes Umfeld bildete.

Die in dem Buch auch häufiger anklingende und alle Forschung an Lebewesen berührende Frage, wer eigentlich wen erforscht oder wer sich in Freiheit und wer in Gefangenschaft befindet, läßt natürlich auch den Schluß zu, daß sich der Schimpanse sehr wohl über die Konsequenz des Versuchs bewußt war und die Anordnung zu seinen Gunsten genutzt hat. Die verblüffende Entdeckung, die die Expedition an ihrem Ziel, einer uralten Stadt tief im unwegsamen Regenwald, schließlich macht, lädt zu weiteren Spekulationen in dieser Hinsicht ein und wirft viele Fragen zur Entwicklungsgeschichte und ihrer Bewertung auf.

In Michael Crichtons Werk gewinnt das Gorillaweibchen Amy letztlich mehr Kontur als die Menschen um sie herum. Während sich diese auf spröde und berechenbare Weise in den Repetitionen vertrauter Orientierungssysteme bewegen, unternimmt Amy, insbesondere beim Kontakt des domestizierten Tieres mit ihrem ursprünglichen Lebensumfeld, immer wieder überraschende Schritte und veranlaßt ihren Trainer zur Revision seiner Ansichten. Auch wenn sich all das auf dem Raster der Primatenethologie bewegt, deren Erkenntnisse lediglich variiert und modifiziert werden, scheint etwas von der Faszination durch, die das Thema zweifellos auf den Autor ausgeübt hat. In diesem Sinne stellt das Buch "Congo" einen informativen und spannenden Lesestoff dar, der durchaus imstande ist, das Interesse an dem so viel Aufschluß über Mensch wie Tier gewährenden Gebiet der Primatenforschung zu wecken.


Michael Crichtony
Congo
Ballantine Books, 1993