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REZENSION/048: Aulich - Mondscheinsonate und Katzenfuge (Erzählungen) (SB)


Aulich


Mondscheinsonate und Katzenfuge



Nicht jedes Musikstück ist nur mit dem gewöhnlichen Titel "Sinfonie", "Konzert", "Streichquartett", "Suite" oder ähnlichem versehen, sondern hat noch spezielle Beinamen. In dem Büchlein "Mondscheinsonate und Katzenfuge" hat der Autor Bruno Aulich einige Kompositionen zusammengetragen, hinter deren Name sich eine bisweilen sonderbare Geschichte verbirgt. "Liebhaber waren es, die vielen Kompositionen besondere Namen gaben und ihr Schicksal mitbestimmten." (S. 10) Wir lesen hier also nicht ü b e r, sondern v o n Kompositionen. Und sind es nicht gerade diese kleinen Geschichten, die sich uns besonders einprägen?

Meiner Meinung nach spielt die Kenntnis über das Leben des Komponisten für das Verständnis eines Musikstücks ebensowenig eine Rolle wie die theoretische Darstellung desselben. Vielmehr sind es gerade solche kleinen Anekdoten, die dem Musikliebhaber ein Werk unvergeßlich machen. Das Buch bietet demnach die Möglichkeit, auf einfachste und angenehmste Art und Weise ein über die normale Herangehensweise hinausgehendes Verständnis zu erlangen.


Auf 192 Seiten finden sich zahlreiche Anekdoten bekannter und geläufiger Werke. Das kleine Hardcoverbuch liegt gut in der Hand, kann jederzeit aus jeder Tasche herausgezogen werden und dem Liebhaber zur Unterhaltung dienen. Wer sich mit Noten auskennt, kann sich die Melodie des entsprechenden Stücks anhand der kleinen Notenauszüge unter dem Titel ins Gedächtnis zu rufen.


Nehmen wir als Beispiel die "Kinder-Symphonie", auch "Berchtolsgadener-Sinfonie" genannt, um zu zeigen, wie Bruno Aulich durch eine Anekdote ein Werk zu etwas Besonderem macht.

Im Handel ist das Stück als Komposition Leopold Mozarts erhältlich. Doch nur, wer sich ein wenig über das bloße Hören hinaus damit beschäftigt, weiß, daß es nicht eindeutig geklärt zu sein scheint, wem dieses Werk nun wirklich zugerechnet werden kann.

Bruno Aulichs Erläuterungen hierzu sind erhellend: Er hat hier hilfreich recherchiert.

Hat der Hörer sich zuvor gefragt, was hier so ratscht, zwitschert, schnarrt usw., so kann er hier die Antwort finden und weit mehr erfahren. Triangel, Schellenbaum, Knarre, Wachtelschlag, Kuckucksruf sind ja keine alltäglich verwendeten "Instrumente".

Wir erfahren, daß die Musik eindeutig drei Sätzen aus Leopold Mozart "Cassatio" entstammt. In der Partitur lassen sich jedoch keine Hinweise auf irgendwelche Kinder-Instrumente finden.

Nun war Berchtesgaden um 1780 Mittelpunkt der Spielzeugindustrie und man vermutet, daß ein Schüler Leopold Mozarts, Johann Nepomuk Rainprechter, die verschiedensten "Berchtolsgadner-Instrumente" mit Leopolds Erlaubnis in dessen drei Sätze aus der Cassatio einbaute. Vermutlich kam er damit der Bitte einiger Hersteller nach, ihre Instrumente vorteilhaft zur Geltung zu bringen.


Kennt der Leser die Musik nicht bereits, so wird er beim Lesen der kleinen Anekdoten zumindest neugierig gemacht, das entsprechende Werk doch möglichst gleich oder wenigstens noch einmal genau anzuhören. So kann man sich schließlich die auf der Themse treibende königliche Barke und daneben Händels Boot mit den die "Wassermusik" spielenden Musikern lebhaft vorstellen, oder den jungen Goldberg am Cembalo seine Kunstfertigkeit des Nachts dem Freiherrn von Keyserling vortragen sehen.

Wenn Bruno Aulich dem Musikfreund die Arbeit abnehmen möchte, sich durch wohlbeleibte Fachbücher hindurchzulesen und dem Leser hier gebündelt zur Verfügung zu stellen, was er sonst nur verstreut lesen könnte, so denke ich, ein weiteres Stöbern kann nie schaden. Doch das sei dem Interessierten ja auch unbenommen.

Derartige Anekdoten, wie wir sie hier zu lesen bekommen, ersetzen nicht das Hören der Komposition, aber sie tragen wesentlich zu einem verständigeren und genußvollerem Hörvergnügen bei.


Aulich
Mondscheinsonate und Katzenfuge
Erzählungen
Bärenreiter Verlag, Kassel 1990
DM 19,80
ISBN 3-7618-0840-2