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REZENSION/052: Dorothy Eden - Wildes grünes Land (Kolonial) (SB)


Dorothy Eden


Wildes grünes Land



Der Roman spielt in Neuseeland im letzten Jahrhundert. Immer wieder treffen Schiffe aus England in der jungen Kolonie ein. Auf einem dieser Schiffe befinden sich auch die Schwestern Sophia und Prudence, die von ihrer kinderlosen Tante in Wellington, der Hauptstadt Neuseelands, erwartet werden. In ihrer Begleitung reist das junge Dienstmädchen Briar. Die Tante stammt als Kusine des Gouverneurs aus den besten Kreisen und hofft darauf, ihre Nichten in der männerdominierenden Kolonie gut verheiraten zu können. Auf diese Weise gedenkt sie ihren Beitrag am Florieren des gesellschaftlichen Lebens in der allmählich wachsenden Stadt beizutragen. Als möglichem Ehegatten kommt dem abenteuerumwitterten, in seiner gesellschaftlichen Stellung herausragenden Saul Whitmore die größte Bedeutung zu. Der scheint zunächst auch gar nicht abgeneigt, doch das selbstbewußte Dienstmädchen Briar macht den Heiratsabsichten ihrer bisherigen Herrschaften einen Strich durch die Rechnung ...


Das Buch könnte äußerst unterhaltsam und fesselnd sein, wenn es möglich wäre, nur auf die abenteuerlichen, verwickelten und amüsanten Aspekte des gesellschaftlichen Lebens zu achten. Zwischen den verwöhnten, von Kleidern und Bällen berauschten Schwestern und dem schönen, energischen Dienstmädchen kommt es zu unvermeidbaren Widersprüchen, zumal Briar gar nicht daran denkt, den ihr scheinbar vom Schicksal zugewiesenen Platz am Dienstboteneingang der Welt einzunehmen. Sie betrachtet Neuseeland vielmehr als 'Land der unbegrenzten Möglichkeiten', in dem jeder eine Chance erhält. Und sie ist bereit, ihre eigene nicht nur unverzüglich zu ergreifen, sondern dieser Chance über die herkömmlichen Konventionen hinweg auf die Sprünge zu helfen. Hier zieht die Autorin das ganze Register gesellschaftlicher Engen des viktorianischen Englands und kombiniert sie mit den aufmüpfigen Gleichheitsideen einer jungen Frau, die weiß was sie will und damit, wie erwartet, allgemein Anstoß erregt. Außer natürlich bei den Menschen, die dem Leser von Anfang an als weniger oberflächlich und eben als 'die Richtigen' dargestellt werden. Und zu diesen Richtigen gehört zum Beispiel der Onkel, der sich nicht von einem guten Namen blenden läßt, sowie natürlich auch Saul Whitmore, der begehrteste Junggeselle der Kolonie.

In die anfängliche Freude, das alles so kommt, wie es kommen soll, mischt sich ein erstes Stirnrunzeln, als die gerade liebgewonnenen Protagonisten beginnen, ihre Ansichten über die Maori zu äußern.

[Anmerkung: Die Maori sind die sogenannte Urbevölkerung Neuseelands. Sie sind wahrscheinlich von Polynesien aus in Booten zu den beiden Inseln gelangt und besiedelten sie etwa seit dem 9.-10. Jahrhundert. Der Name "Neuseeland" stammt nicht von ihnen. Sie selbst nannten ihre neue Heimat "Aotearoa", übersetzt: "Land der langen weißen Wolke".]

Die Maori wurden von den Engländern systematisch von ihrem Land vertrieben, bis sie in zwei Kriegen (1843-1848 und 1860-1879) den Versuch wagten, den übermächtigen Kolonialisten entgegenzutreten. Dieser Tatsache wird in dem Roman keine Rechnung getragen. Er vertritt ausschließlich die Position der Kolonialisten, die als tapfere Pioniere dargestellt werden. Im Gegenzug wird von den Maori dem gängigen Klischee entsprechend von 'Wilden', 'kriegswütigen Eingeborenen' oder auch 'Hauhaus' gesprochen. 'Hauhau' ist eine Bezeichnung für die Maori, die sich aus deren Kampfruf ableitete, der sich in den Ohren der Engländer wie 'hau- hau' angehört hat. Und es sind nicht etwa die als oberflächlich geschilderten Damen der Gesellschaft, die diese Töne anstimmen, sondern die eigentlich hoffnungsträchtigen Hauptpersonen - allen voran der Held des Romans: Saul Whitmore.

Zitat S. 29/30

(Saul Whitmore:) "Der alte Ärger." Saul warf sein Bündel hin. "Die Maori!" Dem Anschein nach sind sie recht friedlich, aber dieser Te Kooti übt einen immer stärkerwerdenden Einfluß aus, seitdem er von den Chatham Inseln entkommen ist. Er ist schlecht. Aber er ist ein verdammt kluger Anführer und ein tapferer Krieger. Außerdem gewinnt er mit diesen gräßlichen Ritualen Anhänger."
(seine Mutter:) "Natürlich, Wilde bleiben Wilde. Diese armen, optimistischen Missionare."
(Saul Whitmore:) "Arme Missionare ist richtig," pflichtete Saul ihr bei. "Hast du gehört, was diesem armen Teufel Reverend Volkner passiert ist? Er wurde mit einem Tomahowk geköpft, und dann haben sie seinen Kopf in der Kirche auf die Kanzel gelegt. Dort hat der Häuptling die Augen herausgequetscht und verschlungen. Das ist offensichtlich seine Art, den Feind zu überwinden. Manchmal denke ich, diese Maoris sind keine menschlichen Wesen. Wenn du wüßtest, wie es sich anhört, wenn sie angreifen: wie wilde Wölfe - hau, hau, hau! Sie tanzen bei ihren Zeremonien um das abgetrennte Haupt eines Feindes, zum Beispiel eines britischen Offiziers, berühren das Fleisch und trinken sein Blut."

Zunächst gibt sich der Leser vielleicht noch der Hoffnung hin, daß es sich bei dieser unverhüllt kolonialen Sichtweise möglicherweise um satirische Anklänge handelt und sprichwörtlich gesehen im weiteren Verlauf aus dem 'Saul' vielleicht noch ein 'Paul' wird. Doch an dem eingeschlagenen Grundtenor ändert sich nichts. An dieser Stelle kommt die Autorin dem Wunsch des Lesers, wenigstens die Romanhelden als aufgeschlossene, oder besser noch kritische Zeitgeister erleben zu wollen, in keiner Weise entgegen. Wahrscheinlich schildert sie die Verhältnisse recht unverblümt so, wie sie tatsächlich gewesen sind und stellt die Überzeugungen der Protagonisten so dar, wie sie deren Interesse an einer Kolonialisierung am ehesten entsprochen haben dürften.

Es entlarvt sich also ausschließlich als der Wunsch des Lesers, wenigstens in einem Roman die "guten" Menschen zu erleben. Denn selbst wenn man dem ursprünglichen Erscheinungsdatum des Buches (1960!) Rechnung trägt - eine Zeit also, in der viele heutige Staaten noch Kolonien waren - bleibt doch ein bitterer Nachgeschmack, weil sich selbst mit wohlwollenstem Übersehen zugunsten des ungetrübten Lesevergnügens der koloniale Standpunkt nicht verdrängen läßt. Das Ideal des Romans bleibt bis zuletzt der entschlossene Pionier, der gewillt ist, eine exotische, fremde Umgebung samt den dort beheimateten Menschen nach seinen Interessen zu formen und zu beherrschen. Die vermeintliche Chancengleichheit in einem 'wilden grünen Land' wird ganz selbstverständlich zu Lasten der dort lebenden Menschen durchgesetzt. An dieser Tatsache rütteln leider auch die Romanhelden nichts.


Dorothy Eden
Wildes grünes Land
1960 by Dorothy Eden,
Franz Schneekluth Verlag, München 1986
328 Seiten
ISBN 3-7951-0433-5