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REZENSION/074: Rainer Popp - Karriere eines Komplotts (Politik) (SB)


Rainer Popp


Karriere eines Komplotts



Wie eigentlich ein "Komplott" anstelle eines Menschen "Karriere machen" kann, ist die erste und keineswegs letzte Frage, die jeden an Enthüllungen über den derzeitigen bundesdeutschen Außenminister interessierten Leser beschleicht, so er das im Oktober 2002 in Hamburg erschienene Buch "Karriere eines Komplotts" von Rainer Popp zur Hand nimmt. Der Autor, laut Klappentext "Zeitungsjournalist und Korrespondent einer Nachrichtenagentur sowie Chefredakteur von RTL Radio und RTL Fernsehen", hat mit diesem Machwerk ein sozusagen aus taktischen Gründen als Roman ausgewiesenes Buch herausgebracht, um unterhalb der Schwelle des jedem Sachbuch anhaftenden Anspruchs faktischer Authentizität Joschka Fischer einen Schuß vor den Bug verpassen zu können, ohne unmittelbar Gefahr zu laufen, mit Verleumdungsklagen oder ähnlichem überzogen zu werden.

Was dabei herausgekommen ist und vom Hamburger Dante-Verlag als "brisanter Thriller über die kriminellen Verstrickungen von Staatsmacht" gepriesen wird, stellt jedoch alles andere denn eine politisch fundierte Kritik an dem beliebtesten deutschen Politiker dar und wird nicht einmal den Ansprüchen gerecht, die thriller-interessierte Leser in puncto Stringenz, Spannung und sprachlichem Darstellungsvermögen an solch ein Buch stellen würden. Inhaltlich anzusiedeln sind die fragmentarischen Versatzstücke aus historisch sattsam Bekanntem einerseits und projektiven Vorstellungen und Phantastereien des Autors andererseits in Klischees, wie sie die Hetzboulevardpresse zu Lasten der Grünen und mehr noch der Linken im allgemeinen vor, während und nach der sogenannten Studentenbewegung nicht müde wurde zu wiederholen.

"Karriere eines Komplotts" ist ein erschütterndes Beispiel dafür, wie Verantwortung, die als Mandat verliehen wurde, zu Eigennutz verludert und nur dem Erhalt der Macht und der Selbstdarstellung dient.
Diese unglaubliche Geschichte, die sich haarscharf an der Wirklichkeit orientiert, legt Zeugnis ab über den Aufstieg eines prahlsüchtigen Egomanen vom verwahrlosten Arbeiterkind und heranwachsenden Berufsrevolutionär bis zum Spitzenpolitiker der Berliner Republik. (Aus dem Klappentext)

Mit Sätzen dieser Art offenbaren Verlag und Autor ihre im eher rechten Lager der bürgerliche Mitte anzusiedelnde politische Grundpositionierung, die sie zu Gegnern Fischers schon allein deshalb gemacht haben wird, weil ein gesellschaftlicher Emporkömmling, ein "Arbeiterkind", in Sphären politischer Macht vorgedrungen ist, die einem wie ihm ihrer Meinung nach ganz offensichtlich nicht zustehen. Mit dieser Grundausrichtung könnte dieses Buch, seine erheblichen literarischen Mängel einmal außer acht gelassen, durchaus ein Erfolg in Kreisen all jener werden, die diese Dünkel teilen und/oder ein Politikerbild transportiert sehen möchten von Mandatsträgern, die im wohlbemerkt krassen Unterschied zu Fischer ihre "Verantwortung" weder zu "Eigennutz verludern" oder zum puren Machterhalt verkommen lassen.

Rainer Popp zeichnet in "Karriere eines Komplotts" ein Bild des Außenministers als eines durch und durch korrupten Politikers, ohne diesen eigenhändig beim Namen zu nennen oder auch nur ansatzweise zu problematisieren, daß ebendieser Korruptionsbegriff seinerseits Bestandteil einer wenn man so will Vertuschungskampagne ist, mit der ein ansonsten einwandfrei funktionierendes politisches System suggeriert werden soll. Der Autor überläßt es Jutta Ditfurth, einer ehemaligen Parteigenossin Fischers, die zu diesem schon in gemeinsamen Parteizeiten in politischer Opposition stand, den im Roman mit dem geistreichen Namen "Jonas Flack" Getarnten beim Namen zu nennen.

"Ich halte Außenminister Joschka Fischer für einen rundum erpreßbaren Mann." Dieses Zitat der prominenten Ex-Grünen steht am Anfang des Buches, ohne daß die Fragestellungen und Argumente, die Jutta Ditfurth zu dieser Einschätzung bewogen haben, in der kaum als Romanhandlung zu bezeichnenden Aneinanderreihung inhaltsleerer Sequenzen auch nur irgendwie ihren Niederschlag gefunden hätten. Die Thematik, der Popp sich mit diesem Roman gewidmet zu haben vorgibt, wäre es allemal auch in dieser Form wert gewesen, publiziert zu werden, da die schlichte Frage, ob der Außenminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland nicht etwa nur wie vielleicht nahezu jeder Politiker "erpreßbar", sondern womöglich ein informeller Mitarbeiter eines ausländischen Dienstes wie etwa der CIA sein könnte, durchaus einige politische Brisanz aufzuwerfen imstande ist.

Insofern ist gegen die in der Schlußszene des Romans angedeuteten Hintergründe des namentlich von Fischer vorangetriebenen Wandels vom deutschen Nein zum entschiedenen und mit der Option zum Ja versehenen Jein Deutschlands zum bevorstehenden Irak-Krieg der USA inhaltlich nichts einzuwenden, wenngleich es letzten Endes unerheblich ist, ob die Beteiligung und Einbindung Deutschlands in eine von den USA dominierte neue Weltordnung und dem diesem Zweck gewidmeten Irakkrieg auf diesem oder anderen Wegen erfolgt ist beziehungsweise verfestigt wurde.

"Ja", sagte er. "Flack hier..... Wer ist da?.... Wie?..... Die Verbindung schwankt.... Noch mal bitte.... Ich kann Sie sehr schlecht verstehen.... Wann?.... Wo... der Ort?.... Ich möchte es schon wissen... Und worum geht es?.... Können Sie nicht eine Andeutung machen?.... um den Irak?....oh Gott, das wird schwierig.... noch vor der Wahl.... unmöglich. Das kostet uns den Sieg und mich das Amt. Erst danach.... Ja.... ja...." Er wurde bleich und sagte noch dreimal mit schwächer werdender Stimme: "Ja... ja.... ja." (S. 288/289)

Kritik an Fischer ob seiner "militanten" Vergangenheit sowie der daraus womöglich resultierenden Erpreßbarkeit ist jedoch nicht nur nicht neu, sondern geradezu abgedroschen und wurde zuletzt vor zwei Jahren, im Januar 2001, im deutschen Medienwald noch einmal aufgekocht. Fischer selbst nahm zu seiner politischen Vergangenheit als führendes Mitglied der Frankfurter "Putzgruppe" in einem Interview mit dem Stern am 4. Januar 2001 wie folgt Stellung:

Das war nicht nur im Grenzbereich, da gibt es nichts schönzureden. Ja, ich war militant. Den bewaffneten Kampf habe ich aber immer abgelehnt und heftig politisch bekämpft. Wir haben Häuser besetzt, und wenn die geräumt werden sollten, haben wir uns gewehrt. Wir haben Steine geworfen. Wir wurden verdroschen, aber wir haben auch kräftig hingelangt. Ich habe da nie etwas verschwiegen.

Fischers politische Gegner aus der rechten Ecke, die wie Popp dessen Verrat an Partei, früheren Genossen und politischen Idealen genüßlich ausschlachten, um anhand seiner Person das gesamte linke Spektrum als letzten Endes "machtgeil" zu diffamieren, haben schon vor Jahren und Jahrzehnten Versuche unternommen, den steil aufsteigenden Politiker auf diese oder jene Weise zu Fall zu bringen. Namentlich die freie Journalistin Bettina Röhl, eine der beiden Töchter Ulrike Meinhofs, hat sich in dieser Hinsicht in einer Weise hervorgetan, die ihrem beruflichen Ruf abträglich war, weil der Verdacht, sie wolle sich an Fischer und wem auch immer für ihre "gestohlene Kindheit" rächen, nicht auszuräumen war. Rainer Popp reiht sich ein in die Reihe derer, die Fischer, dessen Vergangenheit ihrer Meinung nach noch militanter war, als dieser inzwischen bereit ist zuzugeben, politisch am Ende sehen wollen.

Popps in Pseudoromanhandlung verpackte Versatzstücke geben jedoch nicht einmal ein annähernd genaues Bild dieser Sachlage wieder. Fischers spezifische Erpreßbarkeit will er, neben kompromittierenden Fotos, die den Außenminister mit Prostituierten zeigen, mit dessen Verwicklung in den Mordfall Karry begründen. Die zwei im Buch Ungenannten, die aus Fischer sozusagen einen schlafenden Agenten der USA machen wollten und machten, setzten ihm - im Roman - folgendermaßen zu:

"Hier sind Fotos drin, auf denen Sie abgebildet sind, wie Sie etwa zehn Stunden vor dem Mordanschlag auf Hans Herbert Karry dem Terroristen Klaus-Joachim Gerbert eine Tasche überreichen, in der sich die Waffe befindet, mit der der Minister erschossen wurde. Und in diesem Umschlag sind Fotos, auf denen zu erkennen ist, daß dieser Gerbert, der auf einer internationalen Fahndungsliste steht, mit der Tasche, die er von Ihnen bekommen hat, auf ein Auto zugeht, in dem die Täter sitzen, die auf Karry geschossen und ihn tödlich getroffen haben. Die Leiter, die am Tatort zurückgelassen wird, befindet sich auf dem Dach des Autos. Und dort sind Fotos enthalten, auf denen zu sehen ist, daß Sie die Tasche Tage zuvor in Ihr Haus getragen und dort aufbewahrt haben. (S. 232-233)

Zur Erläuterung: Hans Herbert Karry, hessischer Wirtschaftsminister und Bundesschatzmeister der FDP, wurde am 11. Mai 1981 von einem Kommando der Revolutionären Zellen (RZ) erschossen. Popps Roman-Version zufolge hätte sich daraus der entscheidende Hebel ergeben, um Jonas Flack alias Joschka Fischer zu einem Deal mit einer "Organisation, die ihren Sitz in den Vereinigten Staaten von Amerika hat" zu bewegen, dessen Anbahnung folgendermaßen beschrieben wird:

Wir beobachten Sie schon seit Jahren... seit wir wissen, daß sie ein militanter Gegner der USA sind. Wir konnten doch solch einen wilden Mann nicht herumlaufen lassen, ohne zu beobachten, was der tut. Wir haben Sie auf Schritt und Tritt verfolgt... Tag und Nacht. Wir haben Tonbänder und Fotos... Hunderte... Tausende von Fotos. Waren viele Monate der Observation. Wir wissen alles über Sie... Wie sehr Sie Amerika hassen, das wissen wir auch. (...)
Wir verhelfen Ihnen zunächst dazu, ja wir garantieren es fast, daß Sie weit nach oben kommen... sehr weit. Denn das ist das, was wir wollen und was wir auch können. Wir fördern Sie. Wir sind an Ihrer Seite. Wir räumen Probleme aus dem Weg, falls es welche geben sollte. (...)
Wir verlangen nicht viel von Ihnen. Eigentlich gar nichts. (...) Wir möchten nur... und mehr nicht, daß Sie sich an die Seite Amerikas stellen, wenn es darauf ankommt, so wir wir an Ihrer Seite stehen, wenn es darauf ankommt. Wir möchten, daß Sie dieses großartige, dieses freie, demokratische Land... hier und da mal politisch unterstützen. (...)
"Sie werden eine schwindelerregende Karriere machen und Ihr Leben genießen, wie Sie es sich jetzt nicht vorstellen können", sagte der mit der Brille. "Oder Sie werden morgen früh verhaftet und in einer Zelle weggeschlossen", setzte er mit drohender Stimme und zusammengekniffenen Augen nach. (S. 234-236)

Vorstellungen dieser Art sind zwar nicht unbedingt unplausibel, spiegeln jedoch in erster Linie ein weitverbreitetes Interesse an Verschwörungstheorien wider, die Rainer Popp mit diesem Werk in erster Linie bedient. Jutta Ditfurth hingegen stellte Fragen, die sich schon fünf Jahre zuvor auf die zwei Tage bezogen, die sich der spätere Grünenkarrierist und Außenminister in Händen der Polizei oder welcher Dienste auch immer befunden hatte. Nach dem Tod Ulrike Meinhofs am 9. Mai 1976 soll auch Fischer am Vorabend einer Demonstration in Frankfurt dem Einsatz von Molotow- Cocktails das Wort geredet haben, was nicht zuletzt dazu führte, daß er als einer der "Hauptverdächtigen" für die lebensgefährlichen Verletzungen eines Polizisten verhaftet wurde. Die Tatsache, daß ausgerechnet Fischer schon 48 Stunden später wieder auf freien Fuß gesetzt wurde, bezeichnete Christian Y. Schmit, Autor des 1998 erschienenen Buches "Wir waren die Wahnsinnigen", als seltsam:

... vor allem, weil sein Bild am Freitag um 19 Uhr in der Abendschau als Hauptverdächtiger gezeigt wurde. Am Samstag nachmittag wurden einige Leute freigelassen. Andere acht Leute von dieser ganzen Gruppe wurden dem Haftrichter vorgeführt, fünf von ihnen als Hauptverdächtige. Einer aus dieser Gruppe ist in Untersuchungshaft genommen, drei sind in der Presse namentlich als Hauptverdächtige genannt worden. Die Staatsanwaltschaft hat damals erklärt, daß sie davon ausgeht, daß diese drei auch mit dabei waren, daß sie aber, weil keine Verdunklungsgefahr besteht, freigelassen wurden. Daß aus dieser Gruppe der fünf ausgerechnet Fischer nicht mehr als Hauptverdächtiger auftaucht und nach seinen Angaben auch nicht dem Haftrichter vorgeführt worden ist, das ist tatsächlich sehr merkwürdig. (Aus: "Was hat Joseph Fischer zu befürchten?", junge Welt vom 09.01.2001)

Jutta Ditfurth, die in diesem Zusammenhang über einen an ihr vorgenommenen und von ihr abgelehnten Anwerbungsversuch der CIA während eines USA-Aufenthaltes berichtete, begründet ihre Meinung über Fischer unter anderen damit, daß er sich nach den beiden Tagen in Haft verändert hatte und alle Fragen von politischen Freunden danach, was denn in dieser Zeit mit ihm geschehen sei, unbeantwortet gelassen hatte. Den Amerikanern, diesem schönen freien Land, hier und da mal einen Gefallen zu tun, hätte allerdings eine Forderung, die gerade in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, in dem sich die politischen Eliten durch ihre US-Freundlichkeit oder sogar -hörigkeit ohnehin auszeichnen, auch von jedem anderen Politiker erfüllt werden können.

Der spezifische Nutzen, den ein Joschka Fischer in die Waagschale politischer Nutzverhältnisse zu werfen imstande war, dürfte jedoch gerade in seiner scheinbaren Radikalität gelegen haben. Popp versucht, für diesen Widerspruch eine Erklärung zu finden, indem er die amerikanischen Anwerber sagen läßt:

Der ist wirklich gut. Der argumentiert wie eine Druckmaschine. Wie der reden kann.... erstaunlich.
"Deshalb haben wir ihn ja ausgewählt... weil er genau das kann (...).
"Aber der hetzt doch wie ein Wahnsinniger gegen die USA".
"Gerade drum. Einen besseren konnten wir nicht finden." (S. 224)

Hier zeigt sich, daß Popp weder zu Fischer und noch zu den USA einen konsequent kritischen Kurs einschlägt. Daß Fischer so einmalig gut reden könne, daß die USA ihn allein deshalb auf ihre Seite ziehen wollten, ist eine Interpretation, die dem Außenminister durchaus schmeicheln könnte und auch dessen amerikanische "Sponsoren", ihre Existenz einmal vorausgesetzt, nicht unbedingt schaden wird. Ungeachtet seiner Qualitäten als Redner dürfte für die ihm zugedachte Rolle eines politischen Senkrechtstarters jedoch gerade sein Nimbus als Straßenmilitanter oder, wie Popp es nennt, als "heranwachsender Berufsrevolutionärs", entscheidend gewesen sein, bot er doch damit eine unabdingbare Voraussetzung für die Integration des gerade nach dem von vielen als Ermordung verstandenen Tod Ulrike Meinhofs anwachsenden Widerstandspotentials. Nach Angaben des Verfassungsschutzes soll die Zahl derer, die mit dem Kampf der RAF oder anderer Guerillagruppen sympathisiert und sich ihm unter Umständen angeschlossen hätten, in jenen Jahren in die Tausende, wenn nicht Zehntausende gegangen sein.

Ein solches von deutschen und wie zu vermuten ist auch amerikanischen Sicherheitsbehörden angenommenes Konfliktpotential von innen heraus zu entschärfen, hätte gerade nach dem Tod Ulrike Meinhofs das sicherheitspolitische Gebot der Stunde sein können, wofür ein in der Frankfurter Szene wortgewaltiger Aktivist wie Joseph Fischer ein überaus geeigneter Kandidat gewesen sein mag - und zwar nicht seiner Redekünste wegen, sondern weil seine politischen Überzeugungen zu keinem Zeitpunkt das gewesen sein können, was sie vorgaben.

Rainer Popp nun liefert mit seinem jüngsten auf Fischer gemünzten Werk keineswegs einen Beitrag zur historischen Klärung dieser oder weiterer Fragen, sondern vermischt ohnehin bekannte wie auch vermutete Details aus dessen Lebensgeschichte zu einer Brühe zusammen, deren erste und eigentlich auch letzte Funktion darin besteht, am Beispiel dieses Erfolgsgrünen Linke und linke Positionen generell zu diffamieren, die - und darin liegt eine weitere Verkennung des Autors - ein Mensch wie Joseph Fischer allerdings keineswegs repräsentiert.


Rainer Popp
Karriere eines Komplotts
Dante-Verlag, Hamburg, Oktober 2002
ISBN 3-936880-00-X