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REZENSION/243: Stiftung Warentest, Hg. - Finanztest Jahrbuch 04 (SB)


Stiftung Warentest


FINANZTEST - Jahrbuch 04



Ratgeber oder Propagandist?

Wer will schon nicht sein Geld so "teuer" wie möglich "verkaufen" und aus dem Wettstreit konkurrierender Finanzanbieter durch vorteilhafte Planung siegreich hervorgehen?

Für dieses Anliegen bietet der Dienstleister STIFTUNG WARENTEST den notwendigen Informationshintergrund und stellt als Ergebnis seiner Recherche im Sinne von "mehr Ertrag und weniger Kosten" das FINANZTEST Jahrbuch 04 vor. Der preisbewußte Verbraucher soll hier angesichts der Angebotsfülle von Finanzdienstleistern, die um seine Kaufkraft werben, in gängigen Bereichen des Finanzmarktes eine Orientierung für die optimale Auswahl finden.

Dazu wird mittels zahlreicher Tips eine bedarfsorientierte Produktauswahl präsentiert, die den Eindruck vermittelt, der Verbraucher könne hier eine solide Entscheidungsgrundlage finden, die ihm zur optimalen Lösung seines finanziellen Anliegens, sei es Renten- und Alterversorgung, Kapitalanlage, Baufinanzierung oder Versicherungen, verhilft.

Das Anliegen bedient der Ratgeber in vielerlei Hinsicht. So wird gewarnt vor Untiefen aus Zins- und Gebührenfallen, vor ungünstiger Bindung an Verträge und Laufzeiten, Möglichkeiten zur Geldanlage werden durchleuchtet und dabei der finanzielle Vorteil im Vergleich ausgelotet. In Form von Tabellen und im Text grau hervorgehoben erscheinen unter der Rubrik "Rat" Schlußfolgerungen der Finanzdienstrecherche, worin eine Sortierung der Angebote vorweggenommen ist. Der Nutzen liegt auf der Hand: Da, wo sonst mühsam Informationen über Geldinstitute, Versicherungen und Investments gesammelt werden müssen, liegt ein strukturierter Weg zum Angebot vor.

Bei der Jagd nach Gewinn- und Vergünstigungsspannen gelten jedoch die Regeln harter Finanzwirklichkeit: Wer viel Geld hat, kann sich auch ein Günstigeres an Optionen leisten. Wenn man jedoch aufgrund eines realen Geldmangels dem Zwang der knappen Kalkulation unterliegt, schrumpft jede Finanzdienstleistung zu einem teuren mit ungünstigen Bedingungen behafteten Notbehelf ohne Alternativen. In dieser Hinsicht spielt die Gewinn- bzw. Verlustbemessung der Angebote für den Verbraucher oft eine geringere Rolle als die individuelle Bedarfs- und Interessenausrichtung.

Konzeptionell geht das Buch FINANZTEST Jahrbuch 04 konform mit den üblicherweise beworbenen Methoden der finanziellen Absicherung wie bei der Rentensicherung beispielsweise durch Eigenbeteiligung in gemischten Aktien- und Rentenfonds. Thema des Ratgebers ist dagegen nicht die prinzipielle Unwägbarkeit einer zukunftsorientierten Absicherung, die eine langfristige Prognose durch instabile Variablen in der Wirtschaftsentwicklung mehr als unverläßlich macht.

Der Trend, Rente oder Kapital in Fondssparpläne einzuzahlen, auf die der Anleger hinsichtlich seiner Gewichtung, in welchen Kapitalfond und zu welcher Aktienbeteiligung investiert wird, keinen Einfluß hat, ist auch hier der allgemeinen Entwicklung entsprechend in der empfehlenden Darstellung stark vertreten. Daß man damit garantierter Nutznießer der Gewinnausschüttung in einem zugegeben schwankendem Ausmaß wird, ist hier offensichtlich nicht in Frage gestellt, und der Anschein der Beteiligungssicherheit bleibt gewahrt. Ernsthafte Verlustrisiken spielen keine Rolle außer durch eigene Intervention, indem man Sparpläne beispielsweise vorzeitig beendet. Die Möglichkeiten eines Wertverlustes im großen Ausmaß, noch über Inflation und Einbrüche einzelner Wirtschaftszweige hinaus, wird im FINANZTEST bei Spar- und Anlagemodellen nicht miteinbezogen, da im Grundsatz der Finanzmarkt als ein unbegrenzt haltbares System gehandelt wird.

Weiterhin werden das Preis-Leistungsverhältnis von Girokonten und Tips für günstige Ratenkredite als das A und O des privatem Verbrauchers vorgestellt, der ständig zwischen finanziellem Bedarf und Mangel an Finanzkraft jongliert. Dafür können die tabellarisch gelisteten Angebote im Kapitel PRIVATFINANZIERUNG hilfreich sein.

In dem Zusammenhang fehlt die Warnung vor "Kredithai"- Angeboten, die postalisch auf Kundenfang gehen und selbst eidesstattlich versicherte Zahlungsunfähige zur Kreditaufnahme anregen. Einzige Bedingung ist das nachweislich regelmäßige Gehalt, das eine kontinuierliche Ausblutung des Schuldners gewährleistet. Wer greift nicht in einer akuten Not- und Mangelsituation zum Strohhalm, egal wie hoch und wie lange er sich damit zusätzlich verschuldet?

In dem Kapitel 'Ein neues Konto finden' werden die Sparda Bank Hamburg und Berlin mit gebührenfreien Girokonten empfohlen. Ausgenommene, die diesen Vorzug nicht genießen können, bleiben unerwähnt. Das betrifft zum einen Selbständige, die das Konto auch zum geschäftlichen Nutzen unterhalten und von der Vergünstigung ausgenommen sind. Zum anderen betrifft es Personen, die die eidesstattliche Versicherung abgeben mußten sowie andere Negativmerkmale bei der Schufa aufweisen. Diesen Kunden, generell bei Banken ungern gesehen, wird häufig die Eröffnung eines Girokontos selbst auf Guthabenbasis versagt. Wenn aus Liquiditätsmangel die Führung eines Girokontos verweigert wird, müssen von dem ohnehin nicht vorhandenen finanziellen Spielraum kostspielige Gebühren für Barüberweisungen abgezwackt werden.

Wer finanzielle Rücklagen gegen Inflation und Entwertung zu behaupten hat oder die Akkumulation von Kapital anstrebt, hat sich damit automatisch der Verwaltungsaufgabe einer rationellen Verwertung durch gewinnbringenden Anlageformen gestellt, um dem inflationsbedingten Wertverlust zu entgehen. Dazu sind im Kapitel GELDANLAGE Informationen und Tips einzuholen.

In der Baufinanzierung das günstigste aller Angebote zu kapern ist wohl das Streben eines jeden "Häuslebauers", der das Eigenheim oder eine Immobilie als Geldanlage einplant. Ihm soll das Kapitel über BAUFINANZIERUNG auf die Sprünge helfen. Wer sich dennoch zwischen Zahlen, Tips und Optionen verliert, dem wäre eventuell eine normale Beratung mit seiner Hausbank anzuraten, selbst wenn sie von manch günstigerem Angebot ausgestochen wird. Ein mit den individuellen Verhältnissen vertrauter Ansprechpartner der eigenen Bank, der sich mit dem Kunden selbst über Jahre hinweg vertraut machen konnte, wird sich im Krisenfall bei unwägbaren finanziellen Turbulenzen mit mehr Nachhaltigkeit für Lösungen einsetzen können.

Der Informationsgehalt mancher Passagen (wie im Kapitel "Chance Eigenheim", S. 38-39), "Kreditnehmer müssen daher zwischen Sicherheit und niedrigen Zinsen abwägen und die für sie richtige Balance finden. Entscheidend ist in erster Linie ihr finanzieller Spielraum", ist gering und entspricht eher dem Allgemeinplatz: Wer mehr Geld für Kredittilgung zur Verfügung hat, spart. Das Ausloten des Verhältnisses zwischen Zinsbindung und Tilgungsrate bleibt letztendlich ein va banque Spiel, da die Zinsentwicklung über größere Zeiträume unwägbar ist.

Das positive Denken über die Wachstumsmöglichkeiten seines Kapitals zeichnet den Kapitalanleger aus, auch wenn er dafür einige logische Windungen nachvollziehen muß. Im Interesse der unterstellten Gewinnambition soll sich der Verbraucher nicht wundern, wenn systemisch vorgedacht und hochgerechnet plötzlich Minus zu Plus wird. Aus dem Kapitel >BAUKREDIT NACH MASS< soll ein Beispiel dafür angeführt werden.

Rentable Sondertilgung, eine besondere Finesse des Baukreditwesens, sollte lt. FINANZTEST unbedingt ein Bestandteil des Kreditvertrages sein. Wie aber die Sondertilgung, wenn man sie sich denn überhaupt leisten kann, zu einer Rendite (also zu einem Gewinn) wird, stellt sich folgendermaßen dar: Man hat beispielsweise 5.000,-- EURO im Jahr zur freien Verfügung, um sie gewinnbringend anzulegen und will dafür eine möglichst günstige, also hohe Rendite.

Bei dem hier vorgestellten Modell wird eine Geldanlage durch festverzinsliche Wertpapiere (z.B. Bundesanleihen) einer Sondertilgungszahlung des laufenden Baukredits zur Vorteilsabwägung gegenübergestellt. Das Modell der Sondertilgung schneidet dabei im Vergleich günstiger ab. Die Summe aus den in Zukunft eingesparten Kreditzinsen der durch Sondertilgung verkürzten Kreditlaufzeit fällt schlußendlich höher aus als die Rendite der Wertpapiere.

Nicht ausgegebenes Geld als "Gewinn" auszuweisen, wie es auch das Ratgeberbuch hier tut, ist eine gängige Schlußfolgerung, jedoch im Bewertungsansatz nur optional und fiktiv auf die Zukunft bezogen.

Daß sich das gesparte Geld nicht unbedingt als "Portemonnaiezuwachs" darstellt, liegt an einem in der Regel ansteigendem Bedarf mit einhergehenden Geldmangel, der sich für den Normalverbraucher meist nicht als "ersparter finanzieller Freiraum" darstellt. Diese Thematik wird nicht berührt.

Der formulierte Anspruch, das Klientel des Verbrauchertests objektiv zu informieren und damit eine eigenständige Entscheidungsgrundlage bei oft verwirrend vielen Zahlen und Informationen zu bieten, erfüllt der FINANZTEST JAHRBUCH 04 im Rahmen des gängigen Gebrauchs. Dabei ist schlechterdings zu verbergen, daß das Verbraucherheft bei seiner erwünschten Vorsortierung der Angebote die Interessen des Verbrauchers nur soweit vertritt, wie sie sich mit den gewinnorientierten Absichten der Finanzdienstleister decken lassen und damit unter dem Etikett aufklärender Informationen eine Variante der Marktbewerbung hinzufügt.


Stiftung Warentest
FINANZTEST - Jahrbuch 04
Herausgegeben und verlegt bei Stiftung Warentest
9,20 Euro