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REZENSION/289: Duden Basiswissen Schule - Englisch (Lexikon) (SB)


Herausgeber Dagmar Knapp, Elisabeth Schmitz-Wensch


DUDEN Basiswissen Schule

Englisch



Es soll tatsächlich Sprachgenies geben, die mit beneidenswerter Leichtigkeit mehrere Fremdsprachen fließend sprechen lernen, ohne dafür jemals ein Buch in die Hand zu nehmen. Berühmt wurde beispielsweise der italienische Kardinal Giuseppe Mezzofanti. Er lebte von 1774 bis 1849, sprach fließend über 70 Sprachen und hält somit den Weltrekord für Vielsprachigkeit. Bis heute gibt es das Gerücht, er hätte die Sprachen gelernt, als er fremdsprachigen Gläubigen die Beichte abnahm.

Die meisten Menschen benötigen jedoch Lehrmaterialien, Bücher und Unterricht, um es dann doch nicht über das Schulenglisch und vielleicht ein paar Brocken Urlaubsitalienisch hinauszubringen. Eines der prominentesten Beispiele für das Ergebnis der heutigen Schulausbildung wurde am 13. März 2005 von Silke Zorn im Tagesspiegel zitiert:

"I look not back, I look in front." Diese frohe Botschaft verkündete ein Herr aus Deutschland an seinem ersten Arbeitstag in New York den neuen Kollegen und Vorgesetzten. Sehr gut, ein Optimist, werden die sich gedacht haben, aber an seinem Englisch müssen wir dringend arbeiten! [Tagesspiegel, 13. März 2005]

Das deutsche Sprachtalent hieß Lothar Matthäus und wurde fortan wegen seines Defizits von aller Welt belächelt. Obwohl im internationalen Fußball sicher andere Qualitäten zum Erklimmen der Karriereleiter gefragt sind als ausgerechnet gute Englischkenntnisse, könnte man ihn als Paradebeispiel dafür betrachten, daß das an der Schule erlernbare Englisch für den Durchschnittsmenschen nicht mehr die für den Berufsalltag erforderlichen Voraussetzungen schafft. Dort sind in fast allen Berufen aus Wirtschaft und Forschung zumindest gute Englischkenntnisse ein absolutes Muß.

E-Mail-Verkehr und Telefonate mit ausländischen Geschäftspartnern laufen inzwischen fast ausschließlich auf Englisch ab.

Und international geforscht wird selbstverständlich auch in der Weltsprache Nummer eins. In einigen Abteilungen ist Englisch sogar die tägliche Umgangssprache, weil der Abteilungsleiter aus dem Ausland kommt. [Tagesspiegel, 13. März 2005]

Daß diese Entwicklung letztendlich dazu führen wird, uns unserer Muttersprache zu berauben, wird von der breiten Öffentlichkeit im allgemeinen nicht nur hingenommen, sondern teilweise sogar begrüßt oder gefördert, weil man es für chic oder "cool" hält, das zu tun, was von einem erwartet wird, nämlich Englisch in Alltag, Schule und Beruf zu sprechen.

Dabei gäbe es Gründe sich mit aller Macht dagegen aufzulehnen, da sich das Sprechen von Fremdsprachen letztlich auf die Kenntnis einzelner Versatzstücke in den jeweiligen Sachzusammenhängen reduziert, womit die Möglichkeit zu denken oder Gedanken weiter zu entwickeln nahezu blockiert wird. Daß durch derart unterdrückte Denkentwicklung eine überschaubare und lenkbare Konformität erreicht wird, scheint aber Absicht zu sein, denn das Ergebnis, einen angepaßten, unkritischen Berufstätigen heranzuziehen, ist erwünscht. So scheint die staatlich geförderte Bilingualität (vom Kindergarten an bis zum bilingualen Unterricht in Gymnasien) folgerichtig.

Um etwas daran zu ändern oder die Entwicklung aufzuhalten, ist es allerdings schon zu spät.

Das Dudenwerk "Englisch Basiswissen Schule", das sicherlich ebenfalls dafür gedacht ist - wie es im Klappentext heißt, "zum schnellen Nachschlagen und Wiederholen in der Schule und zu Hause" -, kritiklos die Voraussetzung für Englisch als künftige Lingua franca oder gar Zweitsprache in Europa zu schaffen, bietet durch die weite Abdeckung aller für den Spracherwerb nötigen Bereiche (wie Sprache und Kommunikation, die historische Entwicklung, Stilebenen, Analyse von Texten unterschiedlicher Medien sowie die Vorstellung verschiedener englischsprachiger Kulturräume und Sprachprodukte) zumindest für den interessierten Leser und möglicherweise ungewollt durchaus einen Ansatz über das bloße Einpauken kompatibler Sprachmuster und -strukturen der verschiedenen Sprachebenen hinaus.

Der "Englisch-Duden" des Duden Paetec Schulbuchverlags beginnt mit der Wissensvermittlung dort, wo die Schulbildung gemeinhin aufhört oder aus Mangel an Zeit nie hinkommt, obwohl laut Angabe der Redaktion hier nur das prüfungsrelevante Grundwissen der Klassen 5 bis 10 zusammengefaßt werden soll. Der Frage, wie die englische Sprache einmal entstanden ist, wird nämlich im Unterricht so gut wie nie nachgegangen und ist - wie ich von kompetenten Vertretern der gefragten Zielgruppe vermittelt bekam - auch schon für 13jährige hoch interessant, wenn sie die notwendige Konzentration zum Lesen aufbringen können.

Das erste Kapitel beginnt gleich mit dem Thema, wie Englisch allmählich in unseren Sprachraum hineindiffundiert und welche Entwicklung sprachlicher Kolonialisierung es hier angesichts seiner Verbreitungsgeschichte nehmen konnte.

So manches "Kid" wird sich hier vielleicht erst mal bewußt, daß es im "Web chatted", eine "homepage" hat, "coole" Klamotten trägt, z.B. "baggy Jeans und Sweatshirts" und daß es eigentlich gar nicht mehr Deutsch, sondern Deutschlisch oder Denglisch spricht.

Abgesehen von dieser Chance, der allgemein geförderten Sprachentwicklung gegenüber eine eigene Position und Stellung zu beziehen, bietet der neue Englisch-Duden auch die Zusammenfassung schulischer Themen, die man von ihm erwartet und in der geschätzten übersichtlichen Präsentation, die alle Werke der Schülerduden-Reihe ausmacht [siehe hierzu auch: REZENSION/282: DUDEN Basiswissen Schule - Mathematik (Lexikon), REZENSION/286: DUDEN Basiswissen Schule - Kunst (Lexikon) und REZENSION/284: Schülerduden Geografie u. Länder-Städte- Kontinente]. So geht es im ersten Kapitel neben der schon genannten globalen Verbreitung des Englischen thematisch auch um die Arbeitsweisen des Fremdsprachenerwerbs, d.h. um Techniken, die dem Schüler über den Ansatz einer Strukturierung die Erschließung des englischen Wortschatzes erleichtern können.

"Kapitel 2 - Sprachpraxis" widmet sich vor allem dem Wortschatz, der Grammatik, Phonetik, Orthografie, Zeichensetzung und dem Stil, während "Kapitel 3 - Umgang mit Text und Medien" den Umgang mit verschiedenen Textformen wie Sachtexte oder Literatur und einzelnen Medien erläutert. In "Kapitel 4 - Begegnungen mit englischsprachigen Kulturräumen" sollen schließlich noch die Methodiken im Umgang mit journalistischen Texten sowie die Techniken der Mediengestützten Präsentation, des Kommentars, der Diskussion usw. erarbeitet werden.

Da stellt sich bei manchen Themen durchaus die Frage nach dem Nutzen für den Lernenden, wenn beispielsweise in Kapitel 1 Arbeitsweisen des Fremdsprachenerwerbs Lesestrategien und Texterschließungsweisen wie "skimming" (das Überfliegen eines Textes, um seine grundsätzliche Aussage oder die Meinung des Autors herauszufinden) oder "scanning" (Fragen zu Zeitangaben aus einem geschichtlichen Sachtext herausfinden) auch noch mit englischen Fachtermini belegt werden müssen, obwohl sie sich doch ebenso wie das detaillierte Lesen zu einer bestimmten Fragestellung und das genaue Satzverstehen in nichts von den ganz gewöhnlichen Lesetechniken, die man auch für deutsche Texte anwendet, unterscheiden.

Wer allerdings Einblick in die Lehrpläne nehmen kann, wird feststellen, daß dieser unergiebige Überaufwand in diesem wie auch in anderen Fällen, in denen das Buch Lern-, Arbeits- oder Erschließungstechniken verspricht, die sich dann als überflüssige theoretische Strukturierung erweisen, durchaus zum bildungspolitisch vorgeschriebenen Lehrstoff gehört und auch andere Kompendien, wie etwa das Langenscheidt Abitur-Wörterbuch Englisch genau auf diese Terminologien und die damit verbundenen Techniken verweisen. Dabei drängt sich einem geradezu die Frage auf, ob den jungen Menschen auf diese Weise nicht das selbstbestimmte Lesen geradezu abgewöhnt wird, so daß sie schon über die Methode nur noch zu solchen Ergebnissen kommen können, die vom Lehrplan her erwünscht und vorgesehen sind.

Arbeitsweisen und Methoden, die jeder Heranwachsene einmal mit Sicherheit im Berufsleben nutzen wird und deren Erschließung daher für ihn ausgesprochen sinnvoll sind, finden sich schließlich in dem letzten Kapitel des Buches, das sich vergleichsweise ausführlich mit den Methoden produktbezogenen Arbeitens beschäftigt. Die stilistischen Unterschiede zwischen sprachlichen Produkten wie Essay, Referat, Bericht, Rezension, Kommentar werden dem jungen Leser in jedem Fall in seiner zukünftigen Karriere begegnen wie auch Diskussion, Interview und die in unserer multimedialen Welt immer wichtiger werdende Methode der mediengestützten Präsentation. Allerdings führen diese Themen schon über den Stoff hinaus, der bis zur 10. Klasse erarbeitet werden sollte und gehören wohl eher zum Lehrstoff der Oberstufe.

Last but not least findet der buchentfremdete und bildschirmgewöhnte Jugendliche auf der letzten Seite des Buches eine CD-ROM auf welcher der Inhalt des Buches in der für ihn vielleicht leichtgängigeren und lesegewohnteren Aufbereitung, mit mehreren hundert zusätzlichen Themenbeiträgen, multimedialen Elementen, vielfältigen Suchmöglichkeiten (wie der Klappentext verspricht) und mit aktuellen und thematisch sortierten "Linklisten" zu interessanten Internetseiten.

So hat der Duden Paetec Schulbuchverlag mit "Basiswissen Schule - Englisch" ein zwar vielfältig nutzbares Informationswerk zu diesem Fach herausgebracht, das den schulischen Ansprüchen genügt und über reine Nachhilfekompetenz hinausgehend auch für künftige Anforderungen in Studium und Beruf hilfreiche Ansätze bietet. Allerdings ist für seinen Gebrauch eine kompetente Anleitung empfehlenswert, denn die altersgemäße Abstufung verschwimmt und überfordert die einen oder unterfordert die anderen.

4. November 2005


DUDEN
Basiswissen Schule
Englisch
Dudenverlag Mannheim, Leipzig, Wien , Zürich 2005
gebunden, 14,8 x 21 cm, 320 Seiten, 21,- Euro
ISBN 3-411-71961-3