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REZENSION/610: Genia Feindeisen/Kristina Großmann (Hg.) - Gewalt gegen Frauen in Südostasien und China (SB)


Genia Findeisen und Kristina Großmann (Hg.)


Gewalt gegen Frauen in Südostasien und China

Rechtslage, Umgang, Lösungsansätze



Von Vergewaltigungen, Mißhandlungen und gewaltsamen Übergriffen aller Art, mit dem Begriff der "häuslichen Gewalt" auf einen kurzen Nenner gebracht, sind weltweit Millionen Menschen, zumeist Frauen und Mädchen, betroffen. Dieser Realität ein Ende zu setzen, und zwar besser gestern als heute, sind Frauengruppen und -bewegungen nicht zuletzt wegen der stillen gesellschaftlichen Akzeptanz dieses gegengeschlechtlichen Gewaltverhältnisses angetreten, die häufig dazu führte, daß Frauen sich als Opfer in der Position der Schwächeren beschuldigt sahen und verschwiegen, was ihnen widerfahren war. In der proletarischen Frauenbewegung, für die der Name Clara Zetkin heute noch synonym steht, fiel der Kampf um die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsutopie mit dem um die Befreiung und Gleichberechtigung der Frau zusammen, ausgehend von der Überzeugung, daß sich die gesellschaftlichen Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnisse in den sozialen Beziehungen zwischen dem Stärkeren (Mann) und der Schwächeren (Frau) widerspiegeln und reproduzieren würden.

Wenn heute die deutsche Bundesregierung anläßlich des von der Frauenrechtlerin Clara Zetkin initiierten Internationalen Frauentages auf die damalige Streiterin Bezug nimmt und ihr Engagement würdigt, bleibt der von der Kommunistin und späteren KPD-Reichstagsabgeordneten aus tiefster Überzeugung geführte und propagierte Antikriegs- und Klassenkampf vollkommen ausgeklammert. Diesen historischen Hintergrund vorauszuschicken, könnte sich noch heute als nützlich erweisen, wenn es gilt, bei den vielfältigen nationalen und internationalen Initiativen, Kampagnen und Maßnahmen, die erklärtermaßen auf die Beendigung oder doch zumindest Eindämmung häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen abzielen, genauer nach den Absichten ihrer Akteurinnen und Akteure zu fragen.

Genia Findeisen und Kristina Großmann von der Südostasien- Informationsstelle haben zu Beginn des Jahres mit dem Buch "Gewalt gegen Frauen in Südostasien und China" eine Textsammlung herausgegeben, die absolut im Trend liegt und einen aktuellen Bezug aufweist, tagte doch vom 4. bis 15. März in New York die Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen zum Thema "Beseitigung und Prävention jeglicher Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen". Der hier vorliegende Band, der über 20 Einzelbeiträge verschiedener Autorinnen und Autoren vereint, von denen viele für Nichtregierungs- und Frauenorganisationen in den von ihnen beschriebenen Ländern tätig sind, ist geeignet, Interesse zu erwecken, dürfte doch der Informationsstand im deutschsprachigen Raum über die Situation speziell von Frauen in den südostasiatischen Staaten und China vergleichsweise gering sein.

Wer das Buch in die Hand nimmt, könnte allerdings angesichts des Untertitels - "Rechtslage, Umgang, Lösungsansätze" - stutzig werden, wirkt doch die an eine Verwaltungs- und Rechtssprache erinnernde Wortwahl ein wenig hölzern und distanziert. Nach zwei eher allgemein gehaltenen Beiträgen - einem von den Herausgeberinnen Genia Findeisen und Kristina Großmann zum Thema "Gewalt gegen Frauen in Südostasien und China" sowie einem von der Sprecherin der Themen- Koordinationsgruppe "Menschenrechtsverletzungen an Frauen" der deutschen Sektion von amnesty international, Gunda Opfer, geschriebenen Text mit dem Titel "Häusliche Gewalt - ein weltweites Phänomen" - wird in den weiteren Beiträgen auf die verschiedenen Staaten im einzelnen eingegangen.

Bei der genaueren Lektüre der durchaus informativen Texte verfestigt sich allerdings der erste Eindruck, daß es sich bei diesem Buch um ein für Nichtregierungsorganisationen und ihre Protagonistinnen und Protagonisten ganz typisches Produkt handelt, das sich so liest, als wäre es "aus einem Guß" entstanden. In gewissen Maßen könnte diese Übereinstimmung den Übersetzungsarbeiten geschuldet sein, was allerdings nicht zu erklären vermag, daß zwischen den einzelnen Autorinnen und Autoren im Grunde weder sprachliche noch inhaltliche Unterschiede oder auch nur landeskulturspezifische Eigenheiten auszumachen sind.

Bei Leserinnen und Lesern, die an den geschilderten Problemen und den jeweiligen Lösungsversuchen interessiert sind, könnte dies zu Irritationen und Zweifeln führen, weil für Landesunkundige überhaupt nicht auszumachen ist, inwieweit die in den südostasiatischen Ländern oder China beheimateten Autorinnen und Autoren Sichtweisen und Lösungsperspektiven von Nichtregierungsorganisationen, denen sie angehören oder zu denen sie in Kontakt stehen, angenommen und in ihren Texten reproduziert haben und in welchem Umfang die von ihnen bezogenen Standpunkte und Analysen für die Bevölkerungen der jeweiligen Länder überhaupt repräsentativ sind.

So stellt die ai-Autorin Gunda Opfer in ihrem Beitrag zur weltweit verbreiteten häuslichen Gewalt fest, daß von ihr "Frauen jedes Alters, jeder Bevölkerungsschicht und jeder Ethnie" (S. 27) betroffen sind. Damit weist sie - stellvertretend für das gesamte Werk - dessen Zugehörigkeit zu einer Grundpositionierung aus, bei der von geschlechtsspezifisch determinierter Gewalt ausgegangen und dieser oberste Priorität eingeräumt wird. Sozioökonomische Gegensätze, wie sie beispielsweise zwischen der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton und Frauen im südlichen und östlichen Afrika, die zu Millionen weder über ausreichend Trinkwasser noch Nahrungsmittel verfügen, bestehen, sind nicht etwa aus dem Nirgendwo herrührende Unterschiede, sondern Folgen und Ergebnisse einer Weltwirtschaftsordnung, der das Überleben einer im Kampf um die Lebenssourcen privilegierten Minderheit zu Lasten der eigenen Art immanent ist.

Gunda Opfer führt in ihrem Beitrag zur häuslichen Gewalt unter Bezugnahme auf eine US-amerikanische Studie von 1999 aus, was eigentlich der Erwähnung kaum noch bedürfte, nämlich daß die größte Gefahr für Frauen, Opfer eines gewalttätigen Übergriffs zu werden, nicht von fremden, sondern ihnen bekannten Männern ausgeht. In vielen Einzelbeiträgen wird dies belegt und ausgeführt unter Berücksichtigung der in den jeweiligen Ländern bestehenden rechtlichen Bedingungen und kulturspezifischen Überlieferungen und Traditionen. Auch hier droht bei Leserinnen und Lesern ein diffuser Restzweifel übrig zu bleiben, basierend auf dem Eindruck, daß zumeist westliche NGOs den Völkern, Kulturen und Staaten Südostasiens "Frauenbefreiung" nach ihren eigenen Vorstellungen bringen und überstülpen, wenn nicht gar aufzwingen wollen.

Die hehre Absicht, gegen die in diesen wie auch weiteren Staaten feststellbare Gewalt gegen Frauen effektiv etwas ausrichten zu wollen, scheint ein gerüttelt Maß an Zwang zu rechtfertigen mit dem Argument, daß die von Gewalt betroffenen und bedrohten Frauen und Mädchen, wenn die staatlichen Institutionen des eigenen Landes nicht fähig oder willens sind, für ihren Schutz zu sorgen, auf Interventionen von außen angewiesen seien. Wäre es da nicht zu begrüßen, wenn die sogenannte internationale Wertegemeinschaft mittels der entsprechenden UN- Institutionen oder weiterer Gremien beispielsweise der Europäischen Union oder ihrer Mitgliedstaaten, so auch der Bundesrepublik Deutschland, das ihr zur Verfügung stehende Arsenal diplomatischen, ökonomischen oder gar militärischen Drucks für einen allem Anschein nach über jeden Zweifel erhabenen guten Zweck einsetzten?

Wer hier ein wenig weitergräbt, als es die Herausgeberinnen bzw. Autorinnen und Autoren des vorliegenden Bandes getan haben, wird schnell fündig, was die denkbaren Interessen betrifft, die dem emanzipatorischen Engagement der westlichen Führungsstaaten einem blinden Passagier gleich angeheftet worden sein könnten. Da wäre zum Beispiel der "Faktor Frau" zu nennen, der vor einem Jahr zum Schwerpunktthema der von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) herausgegebenen Fachzeitschrift "Internationale Politik" (IP) gemacht wurde. Zum besseren Verständnis sei angemerkt, daß es sich bei der 1955 gegründeten DGAP um den deutschen Ableger des US-amerikanischen außenpolitischen Thinktanks "Council on Foreign Relations" (CFR) handelt, der als unabhängiger und gemeinnütziger Verein firmiert, über Zuwendungen u.a. vom Auswärtigen Amt finanziert wird und sich auf dem Feld der Politikberatung mit dem erklärten Ziel, die außenpolitische Stellung Deutschlands in der Welt zu fördern, bewegt.

In der von diesem Verein herausgegebenen Fachzeitschrift ging vor einem Jahr die US-Sonderbotschafterin für globale Frauenfragen, Melanne Verveer, in einem Interview auf das auf die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton zurückgehende außenpolitische Konzept, Frauenförderung zum elementaren Bestandteil der "smart power" [1] zu machen, ein. Verveer zufolge wollen die USA die Teilhabe von Frauen in all jenen Bereichen gezielt und systematisch fördern, in denen sie außenpolitisch bessere Ergebnisse erzielen könnten, so auch im asiatisch-pazifischen Raum, wobei es im eigenen Interesse der jeweiligen Regierungen läge, nicht länger die Hälfte ihres "Humankapitals" brach liegen zu lassen.

Die strategische Vereinnahmung des frauenemanzipatorischen Protest- und Widerstandspotentials scheint damit eine neue Stufe erreicht zu haben. Auch das deutsche Bundesentwicklungsministerium (BMZ) hat sich in die Bemühungen seiner Partnerländer um eine rechtliche und sonstige Besserstellung der Frau eingeschaltet mit dem Argument, "Gewalt gegen Frauen" dürfe nicht länger toleriert werden. Durch die vorliegende Textsammlung zieht sich einem roten Faden gleich ein legalistischer Standpunkt, der auf der Überzeugung zu basieren scheint, das Problem Gewalt gegen Frauen, wenn nicht ausschließlich, so doch wesentlich mit juristischen Mitteln wirksam bekämpfen zu können. So wird in den meisten Beiträgen auf das "Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau" (CEDAW - Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women) Bezug genommen, einem völkerrechtlich bindenden Abkommen, das 1979 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedet wurde, 1981 in Kraft trat und bislang, mit Ausnahme u.a. der USA, von fast allen UN-Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.

Der thematische Schwerpunkt der Einzelbeiträge liegt auf der Frage, wie die jeweiligen gesetzlichen Regelungen umgesetzt wurden und welche Erfahrungen, Ergebnisse, Korrekturen und Schlußfolgerungen bislang dabei gemacht wurden bzw. sich daraus ableiten lassen. An keiner Stelle wurde das zugrundeliegende Konzept, eine Besserstellung bzw. Gleichberechtigung der Frau sowie eine Beendigung der gegen sie bestehenden Gewaltverhältnisse durch von außen implementierte Gesetzeswerke, verbunden mit konkreten Unterstützungsmaßnahmen für betroffene Frauen, bessere Bildungs- und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten etc., erreichen zu können, in Frage gestellt oder auch nur einer Überprüfung unterzogen, obwohl die einzelnen Länderberichte dafür durchaus Anhaltspunkte böten.

So schrieb beispielsweise die österreichische Politikwissenschaftlerin Julia Scharinger, die sich häufig in Osttimor aufhält und mit einer dortigen NGO im Rahmen von Peacebuilding- und Empowerment-Projekten zusammenarbeit, in ihrem Text zum Thema "Häusliche Gewalt in Osttimor":

Viele Aktivistinnen gehören einer gebildeten Elite oder zumindest Mittelschicht an. Obwohl versucht wird, mehr in ländlichen Gegenden zu arbeiten und zu agieren, werden derartige Vorsätze durch die geringe Infrastruktur und Kapazitäten erschwert und auch nicht immer willkommen geheißen. Vielmehr wird die Unterdrückung von Frauen als Teil von Kultur und Tradition betrachtet, während kritische oder alternative Gegenstimmen als externes Eindringen und fremde Bedrohung wahrgenommen werden.
(S. 105)

Was hier anklingt, stellt eine für die Frauenförderung in der Entwicklungspolitik westlicher Staaten und Organisationen durchaus typische Zirkelschlüssigkeit dar. So wird zwar angesprochen, daß es auf seiten der unterstützten, sich entwickelnden Staaten (hier Osttimor) zumeist privilegierte Mittelstandsfrauen sind, die sich als Partnerinnen westlicher NGOs einfinden. Die in der übrigen Bevölkerung eher geringe Resonanz wird mit deren kultureller Rückständigkeit kausal verknüpft, wobei die Frage, ob ärmere timoresische Frauen gleichwohl an einer Verbesserung ihrer familiären, sozialen, materiellen und rechtliche Lage interessiert, aber nicht bereit sein könnten, sich den mit westlichen "Empowerment"-Konzepten offenbar verknüpften Bedingungen zu unterwerfen, keine Berücksichtigung findet.

Für Kambodscha, einem weiteren, in dem Sammelband beschriebenen Land Südostasiens, bewertete die Journalistin und Gutachterin Susanne Müller, die lange Jahre für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED) und die Deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) in dem Land tätig war, in ihrem Artikel zum Thema der häuslichen Gewalt das nationale Gewaltschutzgesetz im juristischen Sinne als einen "zahnlosen Tiger", gleichwohl habe es einen Wertewandel angekurbelt (S. 185). Auf Druck internationaler Geber habe das Land als erstes der Welt 2003 den Rückgang der Gewalt gegen Frauen zu einem Indikator in den nationalen Milleniumsentwicklungszielen erhoben. Durch Aufklärungskampagnen wüßten die meisten Kambodschaner zwar inzwischen, daß Gewalt eine Straftat sei, dennoch werde sie in allen Schichten akzeptiert, was nach Einschätzung der Autorin daran läge, daß Strafverfolgung und Rechtsumsetzung immer noch zu schwach seien und deshalb auf potentielle Täter keinen Abschreckungseffekt ausübten. (S. 186) Für Menschen, die die Verhältnisse in Kambodscha nicht kennen, ist diese Darstellung und Deutung nicht überprüfbar, und so erweist sich die Lektüre für interessierte Leserinnen und Leser als unbefriedigend, weil unklar bleibt, wo die Schilderung der dortigen Lage für Frauen anfängt und inwiefern sie ggf. unbemerkt in eine möglicherweise interessengebundene Deutung und Interpretation übergeht.

In mehreren Berichten wurde das Problem angesprochen, daß von Gewalt betroffene Frauen häufig von einer Anzeige gegen ihren Ehemann absähen, weil sie im Falle seiner Inhaftierung den Haupternährer der ganzen Familie verlieren würden. Rückschlüsse oder Fragestellungen angesichts eines solchen, offenbar in der gesamten Region verbreiteten Dilemmas werden seitens der Autorinnen und Autoren kaum gezogen, hieße dies doch, den eigenen Ansatz zumindest zur Disposition zu stellen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Texte des Bandes auf ein- und demselben Politik- und Protestverständnis beruhen, das die Handschrift von Nichtregierungsorganisationen und internationalen Institutionen wie der UN-Frauenkommission trägt. Starke, selbstbewußte und kämpferische Frauen scheinen aus dieser Sicht nur im Ergebnis eines von der internationalen Staatengemeinschaft vorgezeichneten und mit Hilfe ausländischer wie einheimischer NGOs, aber auch teilweise nationaler Regierungseinrichtungen umgesetzten "Empowerments" vorstellbar zu sein.

Wie sehr in eine solche, international orchestrierte und eingebundene "Frauenbewegung light" handfeste globalhegemonialpolitisch herleitbare Beweggründe und Absichten eingeflossen sein mögen, läßt sich in dem Buch am Beispiel Indonesiens erahnen. Die Beauftragte der "Nationalen Kommission gegen Gewalt gegen Frauen", Andy Yentriyani, beschrieb in ihrem Text zum Thema "Umsetzung des Gewaltschutzgesetzes in Indonesien", daß die Verabschiedung dieses Gesetzes von 2004 ein wichtiger Meilenstein für die Förderung der Frauenrechte gewesen sei, daß aber Gewalt gegen Frauen ungeachtet der bereits 1984 ratifizierten UN-Frauenkonvention immer noch ein Tabuthema sei und mißhandelte Frauen als Auslöser der Gewalt angesehen werden würden (S. 81/82). Dies habe, wie Yentrinayi wie zur Erläuterung dieser für die gesamte Region keineswegs atypischen Schilderung anführte,

mit der Ideologie der genderspezifischen Rollenverteilung in der Ehe zu tun, die innerhalb der Entwicklungspolitik des damaligen Präsidenten Suharto produziert wurde. Dementsprechend wird von einer idealen Ehefrau und Mutter verlangt, dass sie gegenüber dem Ehemann und ihren Eltern geduldig und gehorsam ist. (...)
Unter Suharto stand die Frauenbewegung unter dem Stigma, eine unmoralische Bewegung und Verräterin am Volk zu sein. Dies hing in erster Linie mit der nationalen Diffamierungskampagne gegen die damals sehr starke Frauenorganisation Gerwani zusammen, die der Kommunistischen Partei Indonesiens (PKI) nahestand. Im Jahr 1965 wurde der Kommunismus zum Staatsfeind erklärt und hunderttausende Mitglieder und Sympathisanten der Kommunistischen Partei, damals die drittstärkste kommunistische Partei der Welt, ermordet.
(S. 82)

An den politischen Vorgaben, die einer Frauenbewegung, will sie gesellschaftlich anerkannt, der ihr andernfalls womöglich drohenden Repression entkommen und auf dieser Basis erfolgreich sein, gesetzt werden, scheint sich seitdem nicht viel geändert zu haben. Yentriyani schilderte nicht ohne Stolz, daß die Frauenbewegung Indonesiens dem ihr aus der Zeit der Suharto-Diktatur anhaftenden Stigma entkommen konnte und Forderungen stellt, die in die mit den Empfehlungen des UN-Sonderberichterstatters zum Thema "Gewalt gegen Frauen, die Problemursache und ihre Auswirkungen" im Einklang stehende Gesetzgebung des Landes eingeflossen seien.

Die Frauenbewegung Chinas scheint ihre Sache nach Ansicht der in diesem Sammelband repräsentierten NGOs dann richtig zu machen, wenn sie sich von staatlichen Institutionen fernhält bzw. zu diesen auf eine kritische Distanz geht. Warum dies im Falle der VR China, deren Regierung ein Interesse an einer besseren wirtschaftlichen und politischen Integration der Frauen und damit auch an einer Eindämmung häuslicher Gewalt haben könnte, das sich von dem westlicher Staaten womöglich gar nicht so sehr unterscheidet, geboten zu sein scheint, während in vielen anderen untersuchten Staaten eine Kooperation zwischen NGOs, nationalen wie auch internationalen Behörden und Institutionen sehr wohl angebracht sei, erschließt sich nicht unbedingt plausibel aus den Texten des Buches.

Wie Stefanie Bräuer, Doktorandin an der Universität Duisburg-Essen, in ihrem Beitrag zum Thema Aktivismus gegen häusliche Gewalt schilderte, stellt Gewalt gegen Frauen in China ein großes, weitgehend tabuisiertes und ungelöstes Problem dar, das bereits in den 1930er Jahren von der Kommunistischen Partei Chinas aufgegriffen worden sei. Deren damalige Maßnahmen und Massenkampagnen seien allerdings meist nicht mehr als Bekundungen guten Willens gewesen, so Bräuer. Die Reform- und Öffnungsbewegung der 1970er Jahre habe zwar zu einer besseren gesellschaftlichen Wahrnehmung geführt, doch erst seit der Weltfrauenkonferenz in Peking im Jahre 1995 sei die Misere in ihrem vollen Ausmaß deutlich geworden.

Häusliche Gewalt sei zwar seit der Überarbeitung des Ehegesetzes von 2001 generell verboten, Frauenaktivistinnen kritisierten allerdings, daß verbale Beleidigungen und Einschüchterungen nicht mit aufgenommen worden seien. Vielfach habe die chinesische Frauenbewegung allerdings unter dem Einfluß des gesamtchinesischen und auf Parteilinie liegenden Frauenverbands ACWF gestanden, dem Bräuer zugestand, sich durch wissenschaftliche Aufarbeitung und Aufklärungsprojekte aktiv für die Bekämpfung häuslicher Gewalt einzusetzen. Dieses Engagement sei allerdings nach Ansicht der Autorin eine Reaktion auf die Entstehung unabhängiger Frauenorganisationen nach der Weltfrauenkonferenz gewesen, damit nicht der Eindruck entstünde, der ACWF kümmere sich nicht um die Probleme chinesischer Frauen. (S. 222)

In einem Interview, das Bräuer mit Guo Jianmei führte, einer chinesischen Rechtsanwältin, die lange Zeit in der Rechtsabteilung des ACWF gearbeitet hatte, bevor sie 1995 mit Gleichgesinnten eine unabhängige Organisation, die diskriminierten Frauen rechtlichen Beistand bieten sollte, gründete, erklärte diese, daß ihre Organisation durch die orangene Revolution in Osteuropa und die Entwicklungen in Nordafrika in den letzten Jahren immer mehr in Schwierigkeiten geraten sei. Die chinesische Regierung habe sich dadurch unter Druck gesetzt fühlt, was auch die NGOs, deren finanziellen Mittel Jianmei zufolge "vornehmlich aus dem Ausland" (S. 236) stammten, beeinflußt habe.

Die chinesische Frauenaktivistinnen hätten auf der Weltfrauenkonferenz nützliche Tips von Frauenorganisationen aus anderen Ländern bekommen. Sie selbst, so Jianmei, habe sich nach der Konferenz mit der Bitte um Unterstützung an die Ford Foundation gewandt, da sie gewußt habe, "dass uns die Regierung für solche Arbeit kein Geld geben würde" (S. 234). Eine Finanzierung durch eine solche, von einer US- Unternehmensdynastie gegründeten Stiftung trägt nicht unbedingt dazu bei, die Bemühungen chinesischer NGOs in Frauenfragen von dem Vorwurf zu entlasten, sie würden in Kooperation mit westlichen Organisationen, die aus gänzlich anderen als emanzipativen Gründen auf einen "regime change" in Peking hinarbeiten würden, zur Destabilisierung des Landes beitragen.

Abschließend klären läßt sich diese Frage im Rahmen des hier vorgestellten Buches selbstverständlich nicht. Ihm haftet gleichwohl ein intensiver "Stallgeruch" der Positionen und Arbeitsansätze von Nichtregierungsorganisationen an, die sich international wie auch in den vorgestellten Ländern um Frauenförderung und Frauenrechte bemühen. Angesichts der großen Aktualität zivilgesellschaftlichen Engagements stellt dieser Band eine willkommene Gelegenheit dar, sich anhand der Frage nach der "Gewalt gegen Frauen in Südostasien und China" kritisch hinterfragend mit der gesamten Thematik zu befassen und ist insofern allen Interessierten nur zu empfehlen.

[1] Unter "smart power" ist in Ergänzung der "hard power", also der Interessendurchsetzung durch militärischen Druck, die Fähigkeit gemeint, die Gefolgschaft anderer Staaten ohne (erkennbaren) Zwang herzustellen.

30. März 2013


Genia Findeisen und Kristina Großmann
Herausgeberinnen für die Südostasien-Informationsstelle
Gewalt gegen Frauen in Südostasien und China
regiospektra Verlag Berlin 2013
244 Seiten
ISBN 978-3-940132-54-3