Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1078: Urgent Action - Iran - Drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-165/2012, AI-Index: MDE 13/035/2012, Datum: 8. Juni 2012 - gs SAEED SEDEGHI

Iran
Drohende Hinrichtung



Saeed Sedeghi ist am 2. Juni wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zum Tode verurteilt worden. Ihm droht die baldige Hinrichtung, da im Iran Menschen, die eines Drogendelikts schuldig gesprochen worden sind, keine wirksamen Rechtsmittel zur Verfügung stehen, um Schuldspruch und Strafmaß anfechten zu können. Saeed Sedeghi war am 29. November 2011 in der iranischen Hauptstadt Teheran zusammen mit drei weiteren Männern wegen Besitzes von Methamphetaminen festgenommen worden. Methamphetamine bestehen aus synthetischen Substanzen. Seit seiner Festnahme sitzt Saeed Sedeghi im Haftzentrum Kahrizak ein, einer im Süden Teherans gelegenen Einrichtung. Saeed Sedeghi hat seiner Familie berichtet, er sei gefoltert und anderweitig misshandelt worden. Dabei habe man ihm mehrere Zähne ausgeschlagen.

Am 26. Mai musste sich Saeed Sedeghi in einem unfairen Verfahren vor der 30. Kammer des Teheraner Revolutionsgerichtshofs verantworten. Vertreten wurde er von einem Pflichtverteidiger, der vor Prozessbeginn weder Kontakt zu Saeed Sedeghi aufgenommen noch Einsicht in die Akten erhalten hatte. Am 2. Juni sprach das Gericht Saeed Sedeghi und die anderen drei Männer des Kaufs und des Besitzes von 512 Kilogramm Methamphetaminen schuldig. Zusätzlich zur Todesstrafe verurteilte das Gericht Saeed Sedeghi zu einer Geldstrafe von zwei Millionen Rial (umgerechnet rund 163 US-Dollar) und 20 Peitschenhieben, nachdem es ihn für schuldig befunden hatte, auch im Besitz von 21 Gramm Opium und Marihuana gewesen zu sein. Im laufenden Jahr sind im Iran bereits mehr als 100 Menschen wegen angeblicher Drogendelikte hingerichtet worden.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der Iran zählt gemessen an der Zahl seiner EinwohnerInnen weltweit zu den Staaten mit der höchsten Rate an Drogenabhängigen. Im Mai 2011 nannte Polizeichef Esma'il Ahmadi-Maghaddam eine Zahl von geschätzten mehr als zwei Millionen Drogenabhängigen im Land. In der Hinrichtungsstatistik liegt der Iran hinter der Volksrepublik China an zweiter Stelle. Amnesty International erfuhr 2011 aus offiziellen wie inoffiziellen Quellen von rund 600 Hinrichtungen. 488 der vollstreckten Todesurteile - rund 81 Prozent - waren wegen mutmaßlicher Drogendelikte verhängt worden. Nähere Informationen finden Sie in dem am 15. Dezember 2011 erschienenen englischsprachigen Bericht Addicted to death: executions for drugs offences in Iran (Index-Nummer: MDE 13/090/2011). Von den im laufenden Jahr von Amnesty International registrierten und den iranischen Behörden bestätigten 139 Hinrichtungen sind 105 an Menschen vollzogen worden, die Gerichte wegen Drogendelikten zum Tode verurteilt hatten. Aus zuverlässigen Quellen hat Amnesty International von weiteren offiziell nicht bestätigten 80 Exekutionen von zumeist drogenstraffälligen TäterInnen erfahren. Das Innenministerium kündigte im Oktober 2010 an, die seinerzeit laufende Kampagne zur Bekämpfung des Drogenhandels verschärfen zu wollen. Im selben Monat gab der Generalstaatsanwalt bekannt, es seien Maßnahmen eingeleitet worden, um die Strafverfolgung bei Drogendelikten zu beschleunigen. Eine der getroffenen Maßnahmen bestehe darin, dass von nun an seine Behörde dafür zuständig sei. Nach Paragraph 32 des Anti-Drogen-Gesetzes haben zum Tode verurteilte Menschen kein Recht auf Berufung. In ihren Fällen unterliegen Schuldspruch und Strafmaß lediglich der Bestätigung durch den Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs oder den Generalstaatsanwalt. In der Praxis scheinen Todesurteile vielfach zur Bestätigung an den Generalstaatsanwalt weitergleitet zu werden. Ein solches Vorgehen ist mit Paragraph 19 des Rechtsmittelgesetzes unvereinbar, in dem es heißt, dass alle Todesurteile vor Gericht angefochten werden können. Auch Artikel 15, Absatz 5 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) schreibt ausdrücklich vor: "Jeder, der wegen einer strafbaren Handlung verurteilt worden ist, hat das Recht, das Urteil entsprechend dem Gesetz durch ein höheres Gericht nachprüfen zu lassen".


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE LUFTPOSTBRIEFE UND E-MAILS MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bitte Sie eindringlich, zu verhindern, dass Saeed Sedeghi ausgepeitscht oder hingerichtet wird. Wandeln Sie bitte das gegen ihn und andere Menschen verhängte Todesurteil um.
  • Ich fordere Sie dringend auf, Berichten über Folterungen und Misshandlungen an Saeed Sedeghi umgehend und unparteiisch nachzugehen sowie sicherzustellen, dass er bei Bedarf medizinisch versorgt wird und zu einem Rechtsbeistand seines Vertrauens Kontakt aufnehmen kann. Die für Übergriffe gegen Saeed Sedeghi Verantwortlichen müssen unter Beachtung internationaler Standards der Fairness vor Gericht gebracht werden.
  • Ich erkenne das Recht staatlicher Stellen an, strafrechtlich gegen Personen vorzugehen, die illegale Drogen herstellen und vertreiben. Gleichzeitig möchte ich aber auf mehrfache Stellungnahmen von UN-Menschenrechtssachverständigen hinweisen, die unmissverständlich darauf hingewiesen haben, dass Drogendelikte nicht zu der Kategorie der "schwersten Verbrechen" zu zählen sind. Nach internationalem Recht darf die Todesstrafe aber nur für schwerste Verbrechen verhängt werden. Zudem darf sie nicht zwingend vorgeschrieben sein.

APPELLE AN

RELIGIONSFÜHRER
Ayatollah Sayed 'Ali Khamenei
The Office of the Supreme Leader
Islamic Republic Street - End of Shahid
Keshvar Doust Street
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: info_leader@leader.ir
Twitter: "#Iran leader @khamenei_ir: halt execution of Saeed Sedeghi". Verwenden Sie den Hashtag #saeedsedegh

OBERSTE JUSTIZAUTORITÄT
Ayatollah Sadegh Larijani
[c/o] Public Relations Office, Number 4
2 Azizi Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: bia.judi@yahoo.com
(Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)


KOPIEN AN

LEITER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSBEHÖRDE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[c/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave
south of Serah-e Jomhouri
Tehran 1316814737, IRAN
(korrekte Anrede: Dear Sir / Sehr geehrter Herr Larijani)
E-Mail: info@humanrights-iran.ir
(Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67
14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de oder info@iranbotschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Urging the Iranian authorities not to carry out the flogging or execution of Saeed Sedeghi, and to commute his death sentence and that of anyone else on death row.
  • Calling on them to investigate promptly and impartially the reports that Saeed Sedeghi was tortured or otherwise ill-treated and is given immediate and regular access to any medical treatment he may require, and to a lawyer of his own choosing. Anyone found responsible for abuses should be tried in accordance with international fair trial standards.
  • Recognizing that the authorities have a right to prosecute individuals for offences connected to the production and supply of illegal drugs, but pointing out that UN human rights experts have repeatedly made it clear drugs offences do not meet the threshold of "most serious crimes" to which the death penalty mus be restricted under international law and that death sentences should not be mandatory.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Im Dezember 2010 wurde mit einer Novelle zum Betäubungsmittelgesetz der Anwendungsbereich der Todesstrafe auf den Besitz weiterer verbotener Drogen wie beispielsweise Methamphetamine (umgangssprachlich auch als Crystal Meth bekannt) ausgeweitet. Der Besitz dieser Droge ab einer bestimmten Menge ist nach den neuen Vorschriften zwingend mit der Todesstrafe zu ahnden. Der UN-Menschenrechtsausschuss hat dagegen festgehalten, dass "die automatische und zwingend vorgeschriebene Verhängung der Todesstrafe in Situationen, in denen die persönliche Lebenssituation der Anklagten oder die spezifischen Tatumstände nicht berücksichtigt werden können, eine willkürliche Form der Aberkennung des Rechts auf Leben darstellt und damit gegen Artikel 6, Absatz 1 des IPBPR verstößt".

Nach Artikel 6, Absatz 2 des IPBPR, zu dessen Vertragsstaaten der Iran gehört, "darf ein Todesurteil nur für schwerste Verbrechen... verhängt werden". UN-Menschenrechtsgremien wie etwa der Menschenrechtsausschuss und der Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen sind zu der Einschätzung gelangt, dass Drogendelikte nicht in die Kategorie der "schwersten Verbrechen" fallen. Auch die UN-Menschenrechtskommissarin und das UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung haben sich entschieden gegen die Verhängung der Todesstrafe für Drogendelikte ausgesprochen.

In Iran droht neben Saaed Sedeghi noch weiteren Personen die baldige Hinrichtung. Dazu zählen Habibollah Golparipour, Zaniar Moradi und Loghman Moradi, drei Mitglieder der kurdischen Minderheit im Iran; Abd al-Rahman Heidari, Taha Heidari, Jamshi Heidari, Mansour Heidari, Amur Muawi (oder Mo'avi) sowie Aref Hamidian, die der arabischen Minderheit der Ahwazi angehören; sowie Hamid Ghassemi-Shal, Abdolreza Ghanbant und Saeed Malekpour.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-165/2012, AI-Index: MDE 13/035/2012, Datum: 8. Juni 2012 - gs SAEED SEDEGHI
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2012