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AKTION/1085: Urgent Action - Haiti - Erdbebenopfern droht erneut Zwangsräumung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-172/2012, AI-Index: AMR 36/006/2012, Datum: 15. Juni 2012 - cr

Haiti
Erdbebenopfern droht erneut Zwangsräumung



HUNDERTE FAMILIEN AUS DEM LAGER FÜR BINNENFLÜCHTLINGE "GRACE VILLAGE" IN CARREFOUR

Hunderte Familien sollen aus dem Flüchtlingslager vertrieben werden, in dem sie seit dem Erdbeben im Januar 2010 leben. Sie werden von VertreterInnen des Landbesitzers und Angehörigen der örtlichen Polizei schikaniert und bedroht.

Im Mai besuchte eine Delegation von Amnesty International das Binnenflüchtlingslager "Grace Village" in der Stadt Carrefour. Ein Sprecher des angeblichen Eigentümers des Grundstücks, auf dem sich das Camp befindet, versicherte ihnen, die BewohnerInnen würden nicht zur Räumung des Geländes gezwungen werden. Dennoch sind seitdem weitere Unterkünfte zum Abriss markiert worden und die BewohnerInnen des Camps werden nach wie vor schikaniert und bedroht. In der Nacht vom 11. auf den 12. Juni betraten der Verwalter des "Grace Village" und vier Angehörige der örtlichen Polizei mit Schusswaffen und Macheten bewaffnet das Lager und zerstörten mindestens 15 provisorische Unterkünfte. Die Unterkünfte waren angeblich leer. Sie wurden nach Abschluss eines von der Internationalen Organisation für Migration (International Organisation for Migration - IOM) im Camp durchgeführten Zensus entsprechend markiert. Amnesty International wurde jedoch darüber informiert, dass während des Angriffs in machen dieser Unterkünfte Camp-BewohnerInnen schliefen. In einer Hütte befanden sich eine schwangere sowie eine stillende Frau. In einer anderen schliefen gerade zwei Jungen, als die Sicherheitskräfte und der Camp-Verwalter mit dem Abriss der Unterkunft begannen. Als die Jungen zu entkommen versuchten, wurden sie von den Sicherheitskräften getreten. Obwohl nach Angaben von BewohnerInnen niemand zum Verlassen des Camps gezwungen wurde, ist denjenigen, deren Unterkunft am 11. Juni zerstört wurde, keine Entschädigung oder alternative Unterbringung angeboten worden.

Der Camp-Verwalter markierte 47 weitere Unterkünfte zum Abriss. Darunter befinden sich auch Unterkünfte von Camp-BewohnerInnen, die während der IOM-Erhebung registriert wurden. Amnesty International geht davon aus, dass dies eine Vergeltungsmaßnahme gegen die Camp-BewohnerInnen und insbesondere gegen Frauen ist, die sich über Drohungen, Einschüchterungen und sexuelle Belästigung durch den Camp-Verwalter beschwert hatten. Vierzehn Unterkünfte in Abschnitt 12 des Lagers sollen in einen anderen Bereich verlegt werden, in dem eine hohe Überschwemmungsgefahr herrscht. BewohnerInnen eines anderen Abschnitts, die zum Umzug in diesen Bereich gezwungen worden waren, mussten das "Grace Village" daraufhin ganz verlassen. Ihnen wurden keinerlei alternative Unterkünfte angeboten.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

In den vergangenen Monaten hat die Spannung im Lager stetig zugenommen. Die Behörden haben bisher noch nichts zum Schutz der vielen Familien unternommen, die sich nach dem Erdbeben im Januar 2010 provisorische Unterkünfte im "Grace Village" errichteten. Der Landbesitzer hat es humanitären Organisationen untersagt, den BewohnerInnen des Flüchtlingslagers Hilfe zukommen zu lassen. Auch der Bürgermeister von Carrefour hat gegen die Organisationen und Individuen Einschränkungen verhängt, die zur Versorgung der noch immer in Notunterkünften untergebrachten BewohnerInnen des "Grace Village" beitragen. Obwohl sich das Camp auf einem Privatgrundstück befindet, dürfen Organisationen und Privatpersonen dort ohne die persönliche Genehmigung des Bürgermeisters nicht humanitär tätig werden.

Delegierte von Amnesty International besuchten das Camp im Mai 2012 und veranlassten die Herausgabe einer Eilaktion (UA-135/2012). Am 22. Mai traf sich eine Delegation von Amnesty International auf ihre Bitte mit einem Sprecher des angeblichen Besitzers des Grundstücks, auf dem sich das "Grace Village" in der Stadt Carrefour im Großraum Port-au-Prince befindet. Er sicherte der Delegation zu, dass BewohnerInnen des Camps nicht zur Räumung gezwungen werden würden. Zwei Jahre und sechs Monate nach dem verheerenden Erdbeben leben noch immer fast eine halbe Million Menschen in provisorischen Lagern, wo ihnen ihre Rechte auf angemessene Unterkunft und Grundversorgung nicht gewährt werden. In fast 60 Prozent der Lager sind Binnenflüchtlinge von Zwangsräumungen bedroht. Nach dem Erdbeben sind bereits Tausende Familien ohne rechtliche Grundlage vertrieben und somit ein weiteres Mal der Obdachlosigkeit ausgeliefert worden. Dauerhafte Lösungen, mit denen den Betroffenen angemessene Unterkünfte zur Verfügung gestellt werden können, werden nur sehr langsam umgesetzt.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Stellen Sie bitte sicher, dass kein Bewohner des Binnenflüchtlingslagers "Grace Village" ohne rechtliche Grundlage und ohne eine angemessen frühzeitige Ankündigung sowie vorherige Beratung vertrieben wird. Sorgen Sie weiterhin dafür, dass allen Betroffenen angemessene Alternativunterkünfte zur Verfügung gestellt werden.
  • Ich bitte Sie eindringlich, für die Sicherheit der BewohnerInnen von "Grace Village" zu sorgen und eine Untersuchung ihrer Vorwürfe über Drohungen, Drangsalierungen und Gewalt durch den vom Landbesitzer angestellten Campmanager und der PolizeibeamtInnen aus Carrefour durchzuführen.

APPELLE AN

PREMIERMINISTER
Laurent Lamothe
Primature d'Haiti 33, Boulevard Harry Truman
Port-au-Prince
HT-6110
HAITI
(korrekte Anrede: Monsieur le Premier Ministre / Dear Prime Minister / Sehr geehrter Premierminister)
E-Mail: ecrire@laurentlamothe.com
Twitter: @LaurentLamothe "Calling on Haitian PM @LaurentLamothe to stop illegal forced evictions in Grace Village camp #Haiti Please RT"

GENERALDIREKTOR DER HAITIANISCHEN POLIZEI
Mario Andrésol
Directeur Général de la PNH
Route de l'aéroport, Clercine #13 (Base SWAT),
Port-au-Prince, HAITI
(korrekte Anrede: Monsieur le Directeur Général / Dear Director / Sehr geehrter Herr Generaldirektor)
E-Mail: marioandresol@yahoo.fr

BÜRGERMEISTER VON CARREFOUR
Yvon Jerome
Mairie de Carrefour
Hôtel de Ville, 63 Diquini, Route de Carrefour
HAITI
(korrekte Anrede : Monsieur le maire / Dear Mayor / Sehr geehrter Bürgermeister)
E-Mail: mairiedecarrefour@hotmail.com


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK HAITI
Herrn Charles Emmanuel
Geschäftsträger a.i.
Botschaftsrat
Uhlandstraße 14
10623 Berlin
Fax: 030-8862 4279
E-Mail: amb.allemagne@diplomatie.ht


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 27. Juli 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Call on the authorities to ensure that none of the residents at Grace Village camp is evicted without due process, adequate notice and consultation, and that all those affected have access to adequate alternative accommodation;
  • Urge them to ensure that camp residents are protected, and launch an investigation into the threats, harassment and violence they say they have suffered at the hands of site manager employed by the landowner and police officers from Carrefour district.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-172/2012, AI-Index: AMR 36/006/2012, Datum: 15. Juni 2012 - cr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2012