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AKTION/1115: Urgent Action - Kolumbien, Paramilitärs bedrohen Friedensgemeinde


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-194/2012, AI-Index: AMR 23/025/2012, Datum: 9. Juli 2012 - bs

Kolumbien
Paramilitärs bedrohen Friedensgemeinde



Herr FABIO GRACIANO
Herr OSCAR MARIO GRACIANO (sein Bruder)
und weitere BewohnerInnen der Friedensgemeinde San José de Apartadó

Paramilitärs haben im Norden Kolumbiens BewohnerInnen der Friedensgemeinde San José de Apartadó mit dem Tode bedroht. Die Streitkräfte räumen zwar die Anwesenheit von Paramilitärs in der Region ein, schützen aber die Zivilbevölkerung bis jetzt nicht. Am 28. Juni wurden zwei Mitglieder des Gemeinderates von San José de Apartadó von 50 Paramilitärs verfolgt, als sie auf dem Weg in den Nachbarort El Porvenir im Departamento Antioquia waren. Die Paramilitärs trugen Waffen, die eigentlich auf die Nutzung durch die Streitkräfte beschränkt sind. Sie bezeichneten sich als "Fuerzas Gaitanistas de Colombia" und drohten damit, den Kleinbauern Fabio Graciano zu töten. Er war bereits am 20. Juni bedroht worden, als Mitglieder einer paramilitärischen Gruppierung die Farm seiner Familie in El Porvenir besetzten. Sein Bruder Oscar Mario Graciano hatte bereits am 11. Mai Morddrohungen erhalten.

Am 28. Juni hielt sich ein Mitglied einer paramilitärischen Gruppe in der Nähe des Hauses einer Kleinbauernfamilie im zur Friedensgemeinde gehörenden Weiler La Esperanza auf. Der Mann gab an, er habe sich verlaufen. Als die Familie ihm sagte, er solle die Streitkräfte, die nur 15 Minuten entfernt stationiert seien, um Hilfe bitten, erklärte er, es sei ihm nicht erlaubt, sich an seine Vorgesetzten zu wenden. Am Vortag hatte ein Angehöriger des Bataillons Veléz der 17. Brigade der Streitkräfte, das an dem Massaker an acht BewohnerInnen der Friedensgemeinde am 21. Februar 2005 beteiligt gewesen sein soll, erklärt, dass mehrere kleine Dörfer der Friedensgemeinde unter der Kontrolle von Paramilitärs der Gruppierung "Fuerzas Gaitanistas de Colombia" stünden. Andere würden von Guerillaeinheiten kontrolliert. In den vergangenen Monaten sind immer wieder Paramilitärs und Angehörige der Streitkräfte in der Region gesichtet worden. Am 18. Juni schätzte die Friedensgemeinde die Zahl der zwischen den Weilern El Porvenir und La Esperanza stationierten Paramilitärs auf etwa 400. 100 von ihnen sollen sich auf Grundstücken der Friedensgemeinde aufgehalten haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die "Friedensgemeinde" San José de Apartadó setzt sich aus BewohnerInnen mehrerer Weiler und Dörfer zusammen, die in der Gemeinde Apartadó des im Nordwesten Kolumbiens gelegenen Departamento Antioquia liegen. Die BewohnerInnen der Region verteidigen sowohl gegenüber den Sicherheitskräften als auch den Guerillaeinheiten ihr Recht, nicht in den bewaffneten Konflikt Kolumbiens hineingezogen zu werden, und wehren sich dagegen, für eine der Seiten Partei ergreifen zu müssen. Dementsprechend verweigern die BewohnerInnen auch das Tragen von Waffen und liefern keiner der beiden Seiten Informationen oder logistische Unterstützung. Als Gegenleistung verlangt die Friedensgemeinde, dass die an dem bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien sich von ihrem Land fernhalten und ihre neutrale Position respektieren.

Die Friedensgemeinde San José de Apartadó wurde am 23. März 1997 gegründet. Seitdem sind über 170 BewohnerInnen der Friedensgemeinde getötet worden oder dem "Verschwindenlassen" zum Opfer gefallen, weitere Personen wurden bedroht oder sexuell missbraucht. Die BewohnerInnen der Friedensgemeinde befinden sich daher in ständiger Gefahr. Die Mehrzahl der Tötungen wurde von Paramilitärs mit Billigung und Unterstützung bewaffneter Truppen in der Region begangen. In anderen Fällen wurden die Tötungen von Guerillagruppen verübt. In den vergangenen zehn Jahren wurden neben BewohnerInnen auch Menschen getötet, die lediglich nahe des von der Friedensgemeinde besiedelten Gebietes lebten oder enge Verbindungen zu den BewohnerInnen unterhielten. Oftmals gingen den Tötungen Phasen massiver Drohungen gegen BewohnerInnen der Friedensgemeinde voraus. Allem Anschein nach sollen die Menschen durch solche Maßnahmen eingeschüchtert werden.

Personen, die ihre Teilnahme an dem bewaffneten Konflikt verweigern und für keine der Seiten Partei ergreifen, sehen sich Verdächtigungen und Feindseligkeiten vonseiten der Paramilitärs, der Armee und der Guerillagruppierungen gegenüber. Die paramilitärischen Gruppen in Kolumbien sind angeblich im Rahmen des von der Regierung unterstützten Demobilisierungsprozesses, der im Jahr 2003 begann, aufgelöst worden. Dass diese Gruppen dennoch weiterhin existieren und operieren, belegen die von ihnen in verschiedenen Teilen des Landes verübten Tötungen und ihre Drohungen gegen MenschenrechtsverteidigerInnen und andere Mitglieder der Zivilgesellschaft.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bin sehr besorgt um die Sicherheit von Fabio Graciano und Oscar Mario Graciano sowie weiteren Kleinbauern und BewohnerInnen der Friedensgemeinde San José de Apartadó, denen Paramilitärs mit ihrer Ermordung gedroht haben.
  • Leiten Sie eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Morddrohungen sowie der massiven Präsenz von Paramilitärs in der Region ein, veröffentlichen Sie die Ergebnisse und stellen Sie die für die Morddrohungen Verantwortlichen vor Gericht.
  • Zudem möchte ich Sie daran erinnern, dass die BewohnerInnen der Friedensgemeinde San José de Apartadó wie auch die übrige Zivilbevölkerung das Recht haben, nicht in den bewaffneten Konflikt hineingezogen zu werden.
  • Ich fordere Sie außerdem auf, unverzüglich von der Regierung zugesagte Maßnahmen umzusetzen, um die paramilitärischen Gruppen in der Region aufzulösen und ihre Verbindungen mit den Sicherheitskräften zu unterbinden, wie es die UN und andere zwischenstaatliche Organisationen empfohlen haben.

APPELLE AN

PRÄSIDENT
Señor Presidente Juan Manuel Santos
Presidente de la República, Palacio de Nariño, Carrera 8
No. 7-26, Bogotá, KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Excmo. Sr. Presidente Santos / Sehr geehrter Herr Präsident / Dear President Santos)
Fax: (00 57) 1 596 0631

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Señor Juan Carlos Pinzón, Ministerio de Defensa
Carrera 54, No. 26-29, Bogotá
KOLUMBIEN
(korrekte Anrede: Sr. Ministro Pinzón / Sehr geehrter Herr Minister / Dear Minister Pinzón)
Fax: (00 57) 1 266 1003


KOPIEN AN

FRIEDENSGEMEINDE SAN JOSÉ DE APARTADÓ
Comunidad de Paz de San José de Apartadó
AA 243 de Apartadó
Antioquia
KOLUMBIEN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK KOLUMBIEN
S.E. Herrn Juan Mayr Maldonado
Kurfürstenstr. 84
10787 Berlin
Fax: 030-2639 6125
E-Mail: info@botschaft-kolumbien.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 20. August 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Express concern for the safety of Fabio Graciano, other peasant farmers and members of the Peace Community of San José de Apartadó whom paramilitaries have threatened to kill.
  • Urge the authorities to order full and impartial investigations into these death threats and the massive presence of paramilitaries, publish the results and bring those responsible to justice.
  • Remind them that civilians, including the San José de Apartadó Peace Community, have the right not to be drawn into the armed conflict.
  • Urge them to take immediate action to dismantle paramilitary groups and break their links with the security forces, in line with stated government commitments and recommendations made by the UN and other intergovernmental organizations.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-194/2012, AI-Index: AMR 23/025/2012, Datum: 9. Juli 2012 - bs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2012