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AKTION/1121: Urgent Action - USA (Georgia), Drohende Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-197/2012, AI-Index: AMR 51/058/2012, Datum: 10. Juli 2012 - bs

USA (Georgia)
Drohende Hinrichtung



Herr WARREN HILL, 52-jähriger Afro-Amerikaner

Warren Hill soll am 18. Juli im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet werden. Er ist schuldig befunden worden, 1990 einen Mitgefangenen getötet zu haben. Er leidet an einer geistigen Behinderung, die so schwerwiegend ist, dass seine Hinrichtung einen Verstoß gegen die US-Verfassung darstellen würde.

Warren Hill wurde 1991 wegen des 1990 begangenen Mordes an einem Mithäftling zum Tode verurteilt. 1996 legten seine Rechtsbeistände, mit der Begründung, der zum Tode Verurteilte leide an einer "geistigen Retardierung", Rechtsmittel gegen das Todesurteil ein. Das Parlament des Bundesstaates Georgia hat 1988 ein Gesetz verabschiedet, das die Verhängung der Todesstrafe gegen jede Person untersagt, bei der "ohne berechtigten Zweifel" eine"geistigen Behinderung" festgestellt wurde. Das Gesetz definiert diese Behinderung als "deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten", die zu "Defiziten im adaptiven Verhalten" führen, die sich "in der Entwicklungsphase manifestierten". Im Jahr 2002 befand ein Richter, dass Warren Hill tatsächlich "deutlich unterdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten" aufweise, aber dass nicht zweifelsfrei "Defizite im adaptiven Verhalten" nachzuweisen seien.

Der Oberste Gerichtshof der USA (US Supreme Court) befand danach in der Grundsatzentscheidung "Atkins gegen Virginia", dass die Hinrichtung von geistig behinderten Menschen gegen die US-Verfassung verstoße. Die Rechtsbeistände von Warren Hill baten auf Grundlage dieser Entscheidung um erneute Prüfung ihrer vorherigen Rechtsmittel. Diesmal entschied das zuständige Gericht, dass das Beweiskriterium für die Feststellung, ob Warren Hill an einer geistigen Behinderung leidet, "überwiegende Beweise" sein sollten und nicht das strengere Kriterium "ohne berechtigte Zweifel". Auf der Grundlage dieser Beurteilung kam das Gericht zu dem Schluss, dass die Beeinträchtigung von Warren Hill einer geistigen Behinderung gleichkäme. Die Behörden von Georgia legten dagegen jedoch Rechtsmittel beim Obersten Gericht des Bundesstaates ein, das 2003 mit vier zu drei Stimmen entschied, in diesem Kontext sei das Kriterium "ohne berechtigten Zweifel" anzulegen. Die Richter machten geltend, dass der Oberste Gerichtshof der USA es den einzelnen Bundesstaaten überlassen habe, wie sie die Entscheidung "Atkins gegen Virginia" umsetzen und ihnen das Beweiskriterium für die Feststellung einer "geistigen Behinderung" überlassen. Der Fall Warren Hill wurde an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen, das seine ursprüngliche Entscheidung aus dem Jahr 2002 bestätigte und erneut entschied, dass Warren Hill nicht an einer "geistigen Behinderung" leide.

Im Jahr 2010 entschied ein Bundesberufungsgericht (Court of Appeals for the 11th Circuit) mit zwei zu eins Stimmen, dass das Urteil des Obersten Gerichts des Bundesstaates Georgia im Widerspruch zur Grundsatzentscheidung "Atkins gegen Virginia" stehe, weil der in diesem Bundesstaat erforderliche Nachweis für eine geistige Behinderung "ohne berechtigten Zweifel" zur Hinrichtung eines geistig behinderten Menschen führen werde. Der Bundesstaat Georgia forderte daraufhin eine Anhörung vor dem vollständigen Richtergremium des Berufungsgerichts. Dieses Gremium entschied mit sieben zu vier Stimmen, dass selbst wenn der Bundesstaat in seiner Gesetzgebung nicht für einen angemessenen Ausgleich gesorgt hat, das US-Bundesgericht aufgrund von US-Recht nicht befugt sei einzuschreiten, auch wenn es die Entscheidung des bundesstaatlichen Gerichts nicht für korrekt erachte."

Kein anderer US-Bundesstaat verlangt im Zusammenhang mit der Verhängung der Todesstrafe einen Nachweis über eine geistige Behinderung "ohne berechtigen Zweifel". In 22 der 33 US-Bundesstaaten, in denen die Todesstrafe gilt, gelten andere Kriterien, auf deren Grundlage der Richter in Georgia zu der Entscheidung hätte kommen müssen, dass Warren Hill an einer geistigen Behinderung leidet.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN (AUF ENGLISCH)

Warren Hill was sentenced to death in August 1991 for the murder of a fellow prisoner, Joseph Handspike, in August 1990 in the Georgia prison where both men were incarcerated for murder. Joseph Handspike was bludgeoned to death in the cell that the two men shared. At the time, Warren Hill was serving a life sentence for the murder of his girlfriend in 1986.

The jurors at Warren Hill's trial for the 1990 murder were not presented with the full picture of who they were being asked to sentence, after convicting him of the Joseph Handspike murder. Warren Hill grew up in poverty, in a household in which he and his siblings were exposed to severe domestic violence under which their mother was subjected to assaults by their father. There is a history of intellectual disabilities in the family. Since the trial a number of jurors have said they would have sentenced Warren Hill to life imprisonment without the possibility of parole if that had been an option at the time, which it was not in 1991, and have indicated their support for commutation to this sentence having learned of the evidence of his intellectual disability.

When the Georgia Supreme Court ruled in 2003, by four votes to three, that the state's "beyond a reasonable doubt " standard was acceptable for determining mental retardation - an assessment in any individual case that can be imprecise and subject to differing expert opinions - one of the dissenting judges wrote: "Despite the federal ban on executing the mentally retarded, Georgia's statute, and the majority decision upholding it, do not prohibit the state from executing mentally retarded people. To the contrary, the State may still execute people who are in all probability mentally retarded. The State may execute people who are more than likely mentally retarded. The State may even execute people who are almost certainly mentally retarded. Only if a mentally retarded person succeeds in proving their retardation beyond a reasonable doubt will his or her execution be halted. I am convinced this situation violates the tenets of due process as that concept is embodied in our Federal Constitution."


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich bin mir der Schwere des Verbrechens bewusst, das Warren Hill zur Last gelegt wird, und möchte in keiner Weise das dadurch verursachte Leid verharmlosen.
  • Ich möchte dennoch darauf hinweisen, dass der US-Bundesstaat Georgia die Hinrichtung eines Mannes plant, der nach Ansicht eines Richters des Bundesstaates an einer geistigen Behinderung leidet.
  • Kein anderer US-Bundesstaat fordert einen so strengen Nachweis für eine geistige Behinderung wie Georgia.
  • Ich bitte Sie eindringlich, das gegen Warren Hill verhängte Todesurteil umzuwandeln und möchte mich ausdrücklich gegen seine Hinrichtung aussprechen.

APPELLE AN

BEGNADIGUNGSAUSSCHUSS VON GEORGIA
E-Mail: clemency@garesource.org
(bitte mit dem Zusatz: Warren Hill clemency)
Der Rechtsbeistand von Warren Hill wird die Appelle an den Begnadigungsausschuss weiterleiten.


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S.E. Herrn Philip Dunton Murphy
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 18. Juli 2012 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Explain that you are not seeking to downplay the seriousness of the crime or the suffering caused.
  • Express concern that Georgia plans to execute a person whom a state judge has found has mental retardation.
  • Noting that no other US death penalty state requires proof of mental retardation beyond a reasonable doubt.
  • Calling for this execution to be halted and Warren Hill's death sentence commuted.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN AUF ENGLISCH - FORTSETZUNG

On 2 July 2012, a Georgia county court set a seven-day window in which the execution of Warren Hill can be carried out. The execution warrant is valid noon on 18 July and expires at noon on 25 July. The Commissioner of the Georgia Department of Corrections has scheduled the execution for 7.00 pm on 18 July at the Georgia Diagnostic and Classification Prison in Jackson. There have been 23 executions in the USA this year, and 1300 executions since 1977, 52 of them in Georgia. Amnesty International opposes the death penalty in all cases (see also, USA: Deadly formula: an international perspective on the 40th anniversary of Furman v. Georgia,
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/050/2012/en)

The four dissenting judges on the 11th Circuit in Warren Hill's case in 2011 were similarly adamant that the outcome was wrong. According to the dissent, "Although Georgia was the first state to declare that the mentally retarded should not be executed, it is the only one to guarantee precisely the opposite result by requiring offenders to prove beyond a reasonable doubt that they are mentally retarded. Requiring proof beyond a reasonable doubt, when applied to the highly subjective determination of mental retardation, eviscerates the Eighth Amendment constitutional right of all mentally retarded offenders not to be executed, contrary to Atkins v. Virginia". Another of the dissenting opinions said: "Georgia's beyond a reasonable doubt standard of proof is contrary to the Supreme Court's longstanding recognition that death is different, and for that reason requires heightened reliability in the determinations underlying capital punishment", and "While federal habeas courts must accord state court decision substantial deference under [federal law], we must be vigilant to guard against extreme malfunctions in the state criminal justice systems." In my judgement, execution of a person who has already proven he is more likely than not mentally retarded, but who is unable to prove his mental retardation beyond a reasonable doubt, is an 'extreme malfunction'.".

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-197/2012, AI-Index: AMR 51/058/2012, Datum: 10. Juli 2012 - bs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2012