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AKTION/1270: Urgent Action - Syrien, Ein Syrer frei, ein weiterer in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-292/2011-3, AI-Index: MDE 24/087/2012, Datum: 9. November 2012 - jw

Syrien
Ein Syrer frei, ein weiterer in Haft

Weitere Informationen zu UA-292/2011 (MDE 24/062/2011, 26. September 2011, MDE 24/030/2012, 22. März 2012 und MDE 24/046/2012, 18. Mai 2012)



In Haft:
Herr ABD AL-AKRAM AL-SAKKA

Freigelassen:
Herr MUHAMMAD YASSIN AL HAMWI

Am 17. September ist der Ladeninhaber Muhammad Yassin Al Hamwi, der am 4. Mai festgenommen worden war, nach Freispruch durch ein Strafgericht freigelassen worden. Sein Bekannter Abd al-Akram al-Sakka war am 15. Juli inhaftiert worden. Er befindet sich noch immer in Haft - unter Bedingungen, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Der etwa 65 Jahre alte Ladeninhaber Muhammad Yassin Al Hamwi war am 4. Mai von bewaffneten Angehörigen des Luftwaffengeheimdienstes festgenommen worden. Es war seine dritte Festnahme seit dem Beginn der Unruhen in Syrien Anfang 2011. Bis zu seiner Freilassung am 17. September wurde er unter Bedingungen festgehalten, die dem Verschwindenlassen gleichkommen.

Nach Angaben eines im Ausland lebenden Mitglieds der Familie hat Muhammad Yassin Al Hamwi seine Haft im Stützpunkt al-Mezzeh des Luftwaffengeheimdienstes in einer überfüllten Zelle verbracht. Er wurde in dieser Zeit mindestens dreimal verhört. Während der Verhöre wurde er mit Stromkabeln geschlagen und es wurden Zigaretten auf seiner Brust ausgedrückt, die Vernehmungsbeamten verbrannten außerdem seinen Oberlippenbart. Das Familienmitglied teilte Amnesty International mit, dass Muhammad Yassin Al Hamwi am 16. September vor ein Militärgericht gestellt wurde, welches entschied, ihn vor ein Strafgericht in Zablatani, einem Vorort von Damaskus, zu stellen. Am 17. September sprach ihn ein Richter dieses Zivilgerichts frei. Muhammad Yassin Al Hamwi sagte seinem Angehörigen, dass er seinen Bekannten Abd al-Akram al-Sakka am 16. September in einem Flur des Gerichts gesehen hatte. Abd al-Akram al-Sakka wird seit seiner Festnahme unter Bedingungen festgehalten, die dem Verschwindenlassen gleichkommen. Die Familie glaubt, dass er im Seydnaya-Gefängnis festgehalten wird, doch die syrischen Behörden bestätigen bislang weder sein Rechtsstatus noch seinen Aufenthaltsort. Sie haben seine Familie bisher nicht offiziell über seine Haft oder die Vorwürfe gegen ihn in Kenntnis gesetzt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Demonstrationen für politische Reformen in Syrien begannen im Februar 2011 und entwickelten sich zu einem bewaffneten Konflikt, der auf das ganze Land übergriff. Weit über 26.000 Menschen sind bei den Unruhen zu Tode gekommen. Auf beiden Seiten sind Menschenrechtsverletzungen begangen worden, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wobei die Anzahl der Vergehen auf Seiten der Regierungstruppen und verbündeter Milizen viel höher ist.

Amnesty International appelliert an beide Seiten, das humanitäre Völkerrecht zu achten, Zivilpersonen zu schützen und die Situation in Syrien an den Ankläger des Internationalen Strafgerichtshofes zu übergeben. Darüber hinaus fordert Amnesty International ein Waffenembargo gegenüber der syrischen Regierung und dass Staaten, die erwägen, die Opposition mit Waffen zu beliefern, über die notwendigen Kontrollmechanismen verfügen um sicherzustellen, dass mit diesen Waffen keine Menschenrechtsverletzungen oder andere Kriegsverbrechen begangen werden. Amnesty international drängt außerdem darauf, dass die syrische Regierung sowohl einem unabhängigen internationalen Untersuchungsausschuss wie auch internationalen Menschenrechtsorganisationen freien Zugang zu allen Teilen des Landes gewährt.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich möchte meine Sorge darüber zum Ausdruck bringen, dass Abd al-Akram al-Sakka am 15. Juli Opfer des Verschwindenlassens geworden ist und bitte Sie, ihm unverzüglich Kontakt zu seiner Familie sowie zu einem Rechtsbeistand seiner Wahl zu gestatten und ihn ausreichend medizinisch zu versorgen.
  • Außerdem fordere ich Sie auf, Abd al-Akram al-Sakka umgehend freizulassen, sofern er nicht einer international anerkannten Straftat angeklagt wird und einen Prozess nach internationalen Standards erhält.
  • Bitte leiten zudem Sie umgehend eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Vorwürfe ein, Muhammad Yassin Al Hamwi sei während der Haft gefoltert und in anderer Weise misshandelt worden.

APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
(Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 332 3410 (Briefe werden derzeit nicht zugestellt.
Bitte nur Faxe schicken!)

VERTEIDIGUNGSMINISTER
'Imad al-Fraij
(Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 223 7842 oder
(00 963) 11 666 2460)
Telefon-/Faxanschluss: Bitte sagen Sie "Fax", wenn abgehoben wird (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
(Anrede: Your Excellency/Exzellenz)
Fax: (00 963) 11 214 62 53 (Bitte sagen Sie "Fax") (Briefe werden derzeit nicht zugestellt. Bitte nur Faxe schicken!)


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Frau Abir Jarf
Geschäftsträgerin a.i., Gesandte-Botschaftsrätin
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de oder
press@syrianembassy.de oder secretary@syrianembassy.de

Bitte senden Sie auch Kopien an die russische Botschaft:

BOTSCHAFT DER RUSSISCHEN FÖDERATION
S. E. Herrn Vladimir M. Grinin
Unter den Linden 63-65, 10117 Berlin
Fax: 030-2299 397
E-Mail: info@Russische-Botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 21. Dezember 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Expressing concern that Abd al-Akram al-Sakka has been held in conditions amounting to enforced disappearance since 15 July 2011, and urging the Syrian authorities to grant him immediate access to his family, a lawyer of his choice, and all necessary medical treatment.
  • Calling on the authorities to release Abd al-Akram al-Sakka unless he is promptly charged with a internationally recognizable criminal offence and tried in proceedings that respect international fair trial standards.
  • Calling on the Syrian authorities to promptly set up an independent and impartial investigation into the allegations that Muhammad Yassin Al Hamwi was tortured or otherwise ill-treated while in detention.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Der Ladenbesitzer Muhammad Yassin Al Hamwi ist der Vater von Haytham Al Hamwi, der seinerseits vier Jahre lang als gewaltloser politischer Gefangener inhaftiert war. Auch Muhammad Yassin Al Hamwi war im Juli und August 2005, als sich sein Sohn in Haft befand, rund zwei Wochen lang inhaftiert. Er war damals festgenommen worden, nachdem er an einer Veranstaltung teilgenommen hatte, auf der ein Komitee zugunsten gewaltloser politischer Gefangener in Syrien ins Leben gerufen worden war. Zwischen dem 1. und 26. Mai 2011 hatte Muhammad Yassin Al Hamwi erneut mehrere Tage im Gefängnis verbracht, Berichten zufolge weil er sich an einer Demonstration für Reformen in Syrien beteiligt hatte. Während seiner Haft im Mai 2011 war es Muhammad Yassin Al Hamwi nicht gestattet worden, die von ihm selbst ins Gefängnis mitgebrachten Medikamente einzunehmen. Der Gefängnisarzt hatte ihn allerdings seinerzeit besucht und ihm andere Medikamente verordnet. Am 23. September 2011 war Muhammad Yassin Al Hamwi erneut festgenommen und monatelang in Haft gehalten worden, bis er schließlich am 25.Februar 2012 seine Freiheit zurückerlangte.

Abd al-Akram al-Sakka ist ein islamischer Gelehrter. Auch er war vor den derzeitigen Unruhen schon einmal in Haft. Im Jahr 2003 verbüßte er ein Jahr einer dreijährigen Haftstrafe, die ein Militärgericht gegen ihn verhängt hatte. Haytham Al Hamwi, der Sohn von Muhammad Yassin Al Hamwi und Schwiegersohn von Abd al-Akram al-Sakka berichtet in einem englischsprachigen Beitrag von seinen Familienangehörigen: Kept in the Dark - the murky world of enforced disappearances, 29. August 2012,
http://www.amnesty.org/en/news/kept-dark-murky-world-enforced-disappearances-2012-08-28

Amnesty International liegen zahlreiche Berichte über Fälle wie die von Muhammad Yassin Al Hamwi und Abd al-Akram al-Sakka vor, in denen Personen allem Anschein nach dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen sind und die syrische Regierung den Familien keinerlei Informationen über den Verbleib der "verschwundenen" Personen zukommen ließ. In den meisten der Fälle sollen Sicherheitskräfte die Festnahmen vorgenommen haben. Einige dieser Menschen sind nach Monaten geheimer Haft ohne Kontakt zur Außenwelt freigelassen worden, andere sind immer noch "verschwunden".

Amnesty International hat zudem die Namen von rund 650 Personen erhalten, die seit dem Beginn der Proteste im Gewahrsam des syrischen Geheimdienstes gestorben sind, davon nahezu 500 allein im Jahr 2012. Die Vorgänge sind im August 2012 von Amnesty International dokumentiert worden: Deadly detention: Deaths in custody amid popular protest in Syria
(http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/035/2011/en). Ein Einblick in Folter und andere Misshandlungen in syrischen Haftanstalten gibt der Bericht: I wanted to die: Syria's torture survivors speak out vom März 2012
(http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE24/016/2012/en)

Auf der interaktiven Karte "Eyes on Syria" (www.eyesonsyria.org) ist zu sehen, wo in Syrien Menschenrechtsverletzungen begangen werden und wie sich Amnesty International mit globalen Aktionen um Gerechtigkeit bemüht.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-292/2011-3, AI-Index: MDE 24/087/2012, Datum: 9. November 2012 - jw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. November 2012