Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/1287: Urgent Action - Indonesien, Schiiten wird Wasser und Nahrung vorenthalten


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-336/2012, AI-Index: ASA 21/043/2012, Datum: 26. November 2012 - jw

Indonesien
Schiiten wird Wasser und Nahrung vorenthalten



MINDESTENS 190 ANGEHÖRIGE DER SCHIITISCHEN GEMEINDE IN SAMPANG, OSTJAVA

Indonesische Behörden haben die Versorgung einer vertriebenen schiitischen Gemeinschaft in Ostjava mit Nahrung und Wasser eingestellt.

Mindestens 190 vertriebene SchiitInnen in Ostjava, darunter 61 Kinder, sind in Gefahr, da die örtlichen Regierungsbehörden die Lieferung von Nahrung und Wasser gestoppt haben. Der Grund sollen fehlende finanzielle Mittel sein. Die schiitische Gemeinschaft aus Karang Gayam, einem Dorf im Regierungsbezirk Sampang auf der indonesischen Insel Madura, wurde im August 2012 durch den Angriff einer anti-schiitischen Gruppe von etwa 500 Personen mit scharfen Schnittwaffen und Steinen vertrieben. Ein Mensch wurde dabei getötet und Dutzende verletzt. Die Gruppe setzte zudem 35 Häuser der schiitischen Gemeinschaft in Brand. Bislang sind vier Personen aufgrund des Angriffs angeklagt worden.

Nach den Angriffen ist die Gemeinschaft in vorläufige Unterkünfte mit minimaler Ausstattung in einem Sportkomplex in Sampang evakuiert worden, wo sie seitdem leben. Es gibt keine medizinische Versorgung oder spezielle Einrichtungen für Frauen und Kinder. Am 18. November haben die Behörden die Wasserversorgung der Anlage eingestellt und am 22. November ließen sie die Lieferung von Nahrung stoppen. Die vertriebene Gemeinschaft ist gezwungen, ihre beschränkten Geldmittel für den Kauf von Wasser und Nahrung aufzuwenden.

Quellen zufolge sind einige der SchiitInnen in der Anlage von RegierungsbeamtInnen eingeschüchtert und schikaniert worden. Man drängte sie, zum sunnitischen Islam überzutreten, wenn sie in ihr Dorf zurückkehren wollten. Örtliche und nationale Behörden üben weiterhin Druck auf die Gemeinschaft aus, umzusiedeln, was diese jedoch ablehnt. Die SchiitInnen wollen unter sicheren Bedingungen in ihre Häuser und zu ihren Erwerbsquellen zurückkehren. Eine Gruppe von Freiwilligen unterstützt sie darin, ihre täglichen Bedürfnisse zu decken und bietet Beratung an, insbesondere für Frauen und Kinder.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Es hat bereits zahlreiche Fälle von Einschüchterungen und Gewalt gegen religiöse Minderheiten in Indonesien gegeben, unter anderem gegen schiitische, christliche und Amadiyya-Gemeinschaften. Darunter auch Angriffe und Brandanschläge auf religiöse Stätten und Häuser, die in manchen Fällen zur Vertreibung der BewohnerInnen führten. In den meisten Fällen findet keine strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen statt.

Amnesty International ist insbesondere besorgt, dass es weder den Regierungsbehörden noch der Polizei gelingt, diese Gemeinschaften zu schützen. In manchen Fällen sind diese Organe sogar aktiv an der Verfolgung beteiligt. Dies schließt Versuche von RegierungsbeamtInnen ein, religiöse Minderheiten wie die Ahmadiyya oder die SchiitInnen zur Abkehr von ihrem Glauben zu zwingen.

Die schiitische Gemeinde auf der Insel Madura war in der Vergangenheit bereits Einschüchterungen und Angriffen ausgesetzt. Am 29. Dezember wurden eine religiöse Stätte, ein Internat und mehrere Häuser in der Umgebung in Brand gesetzt. Die Polizei ergriff keine geeigneten Maßnahmen, um die Gemeinschaft zu schützen. Statt einzuschreiten und den Angriff abzuwehren, filmten einige BeamtInnen ihn mit ihrem Mobiltelefon. Schließlich wurde nur eine Person aufgrund der Angriffe angeklagt und zu drei Monaten Haft verurteilt. Im Juli 2012 wurde Tajul Muluk, ein religiöser Führer der SchiitInnen, festgenommen und vom Bezirksgericht von Sampang nach Artikel 156 (a) des Indonesischen Strafgesetzbuches wegen Blasphemie zu zwei Jahren Haft verurteilt. Seine Inhaftierung erfolgte nach Berichten, dass die Abteilung des indonesischen Ulema-Rats (MUI) in Sampang im Januar 2012 im Zusammenhang mit Tajul Muluks "abweichende Lehren" eine Fatwa (religiöses Dekret) ausgerufen hatte. Das Hohe Gericht von Ostjava hat seine Strafe in einem Rechtsmittelverfahren im September auf vier Jahre erhöht. Amnesty International betrachtet ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen und fordert seine sofortige und bedingungslose Freilassung.

Das Recht auf Religionsfreiheit wird in der Verfassung Indonesiens garantiert. Zudem heißt es in Artikel 18 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR), dessen Vertragsstaat Indonesien ist: "Dieses Recht umfasst die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen (.) " und "Niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde."


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Sorgen Sie bitte dafür, dass die schiitische Gemeinschaft in ihrer Notunterkunft sofortig Zugang zu der lebensnotwendigen Versorgung mit Nahrung und sauberem Trinkwasser erhält.
  • Garantieren Sie eine sichere, freiwillige und würdevolle Rückkehr der schiitischen Gemeinschaft in ihre Häuser. Achten Sie darauf, dass dies in Absprache mit den Betroffenen geschieht und stellen Sie Unterstützung beim Aufbau von beschädigten oder zerstörten Häusern.
  • Ich möchte Sie bitten, umgehend eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Berichte über Einschüchterungen, Drangsalierungen und Angriffe gegen Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft in Sampang einzuleiten und die Verantwortlichen in Übereinstimmung mit internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren vor Gericht zu stellen.
  • Leiten Sie bitte umgehend Ermittlungen zu den Vorwürfen ein, die lokalen Regierungsbehörden des Bezirks Sampang seien in die Einschüchterung von SchiitInnen verwickelt, um sie von ihrem Glauben abzubringen.
  • Stellen Sie darüber hinaus sicher, dass alle an den Angriffen gegen die schiitische Gemeinschaft Beteiligten zügig in fairen Verfahren und ohne auf die Todesstrafe zurückzugreifen zur Verantwortung gezogen werden und die Betroffenen Entschädigung erhalten.

APPELLE AN

LEITER DES BEZIRKS SAMPANG (BUPATI)
Noer Tjahja
Jl. Jamaluddin No.1A, Sampang,
Madura, East Java
INDONESIEN 69241
Fax: (00 62) 323 321017
(Anrede: Dear Noer Tjahja/Sehr geehrter HerrTjahja)

MINISTER FÜR JUSTIZ UND MENSCHENRECHTE
Amir Syamsuddin
Jl. H.R. Rasuna Said Kav No. 4-5
Kuningan
Jakarta Selatan 12950
INDONESIEN
Fax: (00 62) 21 525 3095
(Anrede: Dear Minister/Sehr geehrter Herr Minister)


KOPIEN AN

VORSITZENDER DER MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Mr. Otto Nur Abdullah
Chairperson National Human Rights Commission
(Komnas HAM), Jl Latuharhary, No.4 Menteng
Jakarta Pusat 10310, INDONESIEN
Fax: (00 62) 21 39 25 227

BOTSCHAFT DER REPUBLIK INDONESIEN
S.E. Herrn Eddy Pratomo
Lehrter Straße 16-17, 10557 Berlin
Fax: 030-4473 7142
E-Mail: nur über die Website: http://botschaft-indonesien.de/de/botschaft/organisation.htm
Kontaktformular: http://www.botschaft-indonesien.de/de/kontak/kontakt.php


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Indonesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 7. Januar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • To ensure the displaced Shi'a community has immediate access to essential services such as food and clean drinking water in their shelter.
  • To guarantee the safe, voluntary and dignified return of the Shi'a community to their homes, according to their wishes, and to provide assistance so as to enable them to rebuild the homes that were damaged or destroyed.
  • To investigate reports that the local government authorities in Sampang District have been involved in the intimidation of Shi'a followers to renounce their faith.
  • To ensure that all those involved in the attack against the Shi'a community are speedily brought to justice in proceedings which meet international standards of fairness and without the imposition of the death penalty and that victims are provided reparations.

*

Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-336/2012, AI-Index: ASA 21/043/2012, Datum: 26. November 2012 - jw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2012