ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-357/2012-1, AI-Index: MDE 16/005/2012, Datum: 21. Dezember 2012 - mr
Jordanien
Demonstrant freigelassen, viele andere weiter in Haft
Weitere Informationen zu UA-357/2012 (MDE 16/004/2012, 13. Dezember 2012)
In Haft:
ABD AL-RAHMAN FANATSA
DAOUD FANATSA, sein Sohn
Freigelassen:
Herr ADNAN AL-HOWEISH
HAMZA, 16-jähriger Sohn von Abd al-Rahmann Fanatsa
Adnan al-Howeish ist freigelassen worden, nachdem man ihm über einen Monat lang die fachärztliche medizinische Versorgung verweigerte. Der 60-jährige Abd al-Rahman Fanatsa und seine Söhne Da'oud und Hamza wurden am 19. November festgenommen. Auch sie beschuldigte man, mit dem Ziel, die öffentliche Ordnung zu stören, gegen die Kürzung der Treibstoffsubventionen protestiert zu haben.
Abd al-Rahman Fanatsa und seine Söhne wurden von Angehörigen der Abteilung für Straftaten und der Gendarmerie (Darak) festgenommen, während sie auf ihrem Hof in Ma'an im Süden Jordaniens Oliven ernteten. Sie geben an, während der Festnahme und auf der Fahrt zur Polizeiwache in Ma'an geschlagen worden zu sein. Auf der Wache legte man ihnen Augenbinden an und schlug sie mit Elektrokabeln. Am folgenden Tag wurde Hamza Fanatsa ohne Anklage freigelassen, doch Abd al-Rahman und Da'oud Fanatsa brachte man zur Polizeiwache in Amman, wo man sie Aussagen unterschreiben ließ, die sie Berichten zufolge nicht lesen durften. Am 21. November verlegte man sie in das al-Hashimiyeh-Gefängnis, im Südosten Ammans. Familienangehörige, die die beiden im Gefängnis besuchten, berichteten, dass ihre Körper Spuren von Schlägen aufwiesen und dass Da'oud große Schwierigkeiten hatte zu stehen. Die beiden Männer wurden unter den Gesetzen angeklagt, die Zusammenkünfte mit dem Ziel die öffentliche Ordnung zu stören, untersagen. Doch ihre Rechtsbeistände geben an, dass es keinen Nachweis darüber gibt, dass sie an Protesten beteiligt waren. Laut Angaben seiner Familie leidet Abd al-Rahman Fanatsa an Schizophrenie. Kurz nach seiner Festnahme wurde ihm ein anderes als das übliche Medikament gegen seine Krankheit gegeben, das offenbar zu schweren Kopfschmerzen führte.
Adnan al-Howeish war zwei Tage zuvor, am 17. November festgenommen worden, nachdem er an einer friedlichen Demonstration gegen die wirtschaftliche Lage teilgenommen hatte. Man verweigerte ihm die fachärztliche medizinische Versorgung, die er dringend benötigte, und ließ ihn erst am 19. Dezember gegen Kaution frei. Die Anklage gegen ihn erfolgte nach Paragraf 149 des Strafgesetzbuchs aufgrund von "Aktivitäten mit dem Ziel das politische System zu ändern", worauf bis zu fünfzehn Jahre Gefängnis stehen, und "Störung der öffentlichen Ordnung", wofür bis zu drei Jahre Haft verhängt werden können. Die drei Männer sowie zahlreiche weitere im Zusammenhang mit den November-Protesten Festgenommene erhalten Prozesse vor dem Staatssicherheitsgericht (State Security Court - SSC), dessen Verfahren den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht entsprechen.
Adnan al-Howeish nahm am 16. November in Zeiban im Norden des Landes friedlich an einer Demonstration gegen geplante Kürzungen bei den Benzinsubventionen teil. Im Laufe der Protestveranstaltung wurde er von einem Stein getroffen, wodurch er schwer am linken Auge verletzt wurde. Er trug einen Schnitt im Augapfel davon, welcher sich zudem aus der Augenhöhle löste.
Augenzeugenberichten zufolge sollen vermummte UnterstützerInnen der Regierung Steine auf die Protestierenden geworfen haben. Adnan al-Howeish wurde am 17. November im al-Bashir-Krankenhaus in Amman unter Polizeigewahrsam gestellt und mit Handschellen an sein Bett gekettet. Auf Eingreifen des Nationalen Zentrums für Menschenrechte (National Centre for Human Rights - NCHR) hin durfte er sich am 18. November einer Operation zur Behandlung des Schnitts und zur Neupositionierung des Augapfels unterziehen. Der behandelnde Arzt empfahl Adnan al-Howeish, seine Verletzung in einer Spezialklinik weiterführend behandeln zu lassen. Am 21. November verlegte die Polizei Adnan al-Howeish in eine Zelle des Staatssicherheitsgerichts und am 22. November wurde seine Haft zu Befragungszwecken um weitere 14 Tage verlängert. Daraufhin wurde er in das al-Balqa'-Gefängnis in Salt überstellt, wo sich die Gefängnisbehörden offenbar zunächst weigerten, ihn zu inhaftieren. Erst als die PolizeibeamtInnen einen Arztbrief des Regierungskrankenhauses in Salt vorlegten, der Adnan al-Howeish als "inhaftierfähig" auswies, sollen die Behörden seiner Inhaftierung zugestimmt haben.
Im Zuge der weit verbreiteten Proteste gegen die geplanten Kürzungen der Benzinsubventionen sind etwa 300 Personen festgenommen worden, viele von ihnen lediglich wegen ihrer Teilnahme an friedlichen Demonstrationen. Zahlreiche Personen wurden während der Proteste und auf Polizeiwachen geschlagen und erhielten keinen sofortigen Zugang zu rechtlicher Vertretung, ihren Familienangehörigen und medizinischer Versorgung.
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Das Nationale Zentrum für Menschenrechte befragte 67 Menschen, die angaben, dass sie nicht bei Demonstrationen sondern vor ihren Häusern, bei der Arbeit oder in der Nähe der Proteste festgenommen wurden. Laut dem NCHR hat die Abteilung für Öffentliche Sicherheit (Public Security Directorate - PSD) eingeräumt, dass in Verbindung mit den Protesten auch 50 Kinder festgenommen wurden. Zwölf von ihnen wurden nach ihrer Festnahme dem Staatsanwalt des Staatssicherheitsgerichts vorgeführt und gegen Kaution freigelassen. Wie Amnesty International von einem Anwalt erfuhr, machten mindestens neun der am 19. November wieder freigelassenen Kinder bei der Polizei Aussagen, ohne dass ein Rechtsbeistand, ein Elternteil oder sonstiger geeigneter Erwachsener anwesend war. Die Proteste fanden im ganzen Land statt, vor allem aber in Amman, Zarqa, Irbid, Salt, Tafileh und Ma'an. Behördenangaben zufolge erfolgten die Festnahmen aufgrund von Straftaten während der Demonstrationen, wie z. B. die Beschädigung bzw. Zerstörung von privatem oder öffentlichem Eigentum und das "Aufrufen zum Regimewechsel". Obwohl es bei manchen Demonstrationen tatsächlich gewalttätige Übergriffe gab, die in manchen Fällen mit der Beschädigung oder Zerstörung privater oder staatlicher Gebäude einhergingen, sollen die Sicherheitskräfte laut Aussagen jordanischer AktivistInnen und AnwältInnen zahlreiche friedliche Demonstrationen mit Gewalt aufgelöst haben. Die Sicherheitskräfte seien zum Teil zivil gekleidet gewesen und sollen mit Tränengas und Prügel gegen die Protestierenden vorgegangen sein. Im Zuge der Proteste sind eine Zivilperson und zwei PolizistInnen ums Leben gekommen.
Trotz eines königlichen Erlasses, nach dem alle bis auf 13 der Inhaftierten freigelassen werden sollten, befanden sich am 20. Dezember immer noch 34 Personen in Verbindung mit den Protesten in Haft. Zahlreiche der bei den Massenprotesten Festgenommenen erhalten nun Gerichtsverfahren vor dem SSC, einen Sondergericht, dem eine Mehrzahl an Militärrichtern vorsteht. Amnesty International hat wiederholt die Abschaffung dieses Gerichts gefordert und die jordanischen Behörden aufgefordert, das Recht auf Äußerung friedlichen Protests gegen die Regierung zu respektieren auch wenn dabei bei gewaltlosen Zusammenkünften oder Demonstrationen ein friedlicher Regierungswechsel gefordert wird. Denn diese Äußerungen sind durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte geschützt, dessen Vertragsstaat Jordanien ist. Für weitere Informationen in englischer Sprache sehen Sie bitte:
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE16/003/2012/en
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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-357/2012-1, AI-Index: MDE 16/005/2012, Datum: 21. Dezember 2012 - mr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Dezember 2012