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AKTION/1344: Urgent Action - VR China, Aktivist droht Verschwindenlassen


ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-191/2012-2, AI-Index: ASA 17/006/2013, Datum: 11. Januar 2013 - ar

VR China
Aktivist droht Verschwindenlassen

Weitere Informationen zu UA-191/2012 (ASA 17/020/2012, 11. Juli 2012 und ASA 17/028/2012, 10. August 2012)



Herr ZHU CHENGZHI, 62 Jahre

Der Menschenrechtsverteidiger Zhu Chengzhi wurde am 4. Januar an einem unbekannten Ort für sechs Monate unter "häusliche Überwachung" gestellt. Zuvor war er über fünf Monate lang in der chinesischen Stadt Shaoyang festgehalten worden. Er läuft Gefahr, dem Verschwindenlassen zum Opfer zu fallen.

Am 4. Januar wurde dem Rechtsbeistand von Zhu Chengzhi von der Volksstaatsanwaltschaft von Shaoyang mitgeteilt, dass der Fall seines Mandanten für weitere Ermittlungen wieder an die Polizei von Shaoyang übergeben wurde. Der Rechtsbeistand begab sich daraufhin zu der Hafteinrichtung in Shaoyang, in der Zhu Chengzhi zuvor festgehalten worden war. Dort erfuhr er, dass sich Zhu Chengzhi nicht mehr dort aufhalte und das Büro für Innere Sicherheit der Stadt Shaoyang beschlossen habe, ihn für sechs Monate unter "häusliche Überwachung" zu stellen. Hierbei handelt es sich um eine Art des Hausarrests, wobei sich der oder die Betreffende jedoch nicht zwangsläufig bei sich zu Hause aufhalten muss. Am selben Tag erhielt Zhu Chengzhis Schwester von der Polizei eine Bestätigung über die am 4. Januar beginnende häusliche Überwachung. Der Aufenthaltsort von Zhu Chengzhi wurde darin jedoch nicht mitgeteilt. Am 5. Januar ging sein Rechtsbeistand zum Büro für Innere Sicherheit in Shaoyang und erhielt die Auskunft, dass Zhu Chengzhi sich in einem Hotel befinde, der Ort jedoch aus Gründen der inneren Sicherheit nicht bekannt gegeben werden dürfe. Zhu Chengzhi war zum ersten Mal am 8. Juni 2012 wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" inhaftiert worden, nachdem er von den Behörden gefordert hatte, den Tod des langjährigen Aktivisten Li Wangyang aufzuklären. Am 25. Juli wurde er dann der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt und offiziell festgenommen. Ihm wurde zur Last gelegt, Fotos des toten Li Wangyang in Umlauf gebracht zu haben, die angeblich am Tag seines Todes aufgenommen wurden. Die Polizei von Shaoyang hält Zhu Chengzhi jedoch bereits seit Juni fest, ohne dass Anklage gegen ihn erhoben wurde. Am 25. Dezember teilte das Büro für Innere Sicherheit von Shaoyang seiner Frau mit, dass sein Fall zur Überprüfung an die Volksstaatsanwaltschaft von Shaoyang übergeben wurde. Die örtliche Staatsanwaltschaft entschied sich jedoch dazu, den Fall für weitere Ermittlungen wieder an die Polizei von Shaoyang zu übergeben.

Zhu Chengzhi ist ein gewaltloser politischer Gefangener, der nur deshalb inhaftiert ist, weil er wiederholt die Aufklärung des Todes von Li Wangyang gefordert hat. Durch seine Haft ohne Kontakt zur Außenwelt an einem unbekannten Ort läuft er Gefahr, dem Verschwindenlassen und damit weiteren Menschenrechtsverletzungen zum Opfer zu fallen.

Verschwindenlassen ist gemäß dem Völkerrecht eine Straftat.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Der bekannte Menschenrechtsverteidiger Li Wangyang wurde am 6. Juni 2012 in einem Krankenhaus im Bezirk Daxiang der Stadt Shaoyang in der Provinz Hunan unter verdächtigen Umständen tot aufgefunden. In den darauffolgenden Tagen wurden Bilder seines Leichnams, die vorgeblich am 6. Juni in seinem Krankenzimmer gemacht wurden, ins Internet gestellt. Auf den Fotografien ist Li Wangyang zu sehen, um seinen Hals ein loses Stück Stoff, das in einer Schlinge am Fensterrahmen befestigt ist. Die Bilder sollen auf einen angeblichen Selbstmord hindeuten. Auf diesen Aufnahmen stehen seine Füße jedoch fest auf dem Boden und sein Gesicht weist keine Anzeichen von Erstickung auf. Die chinesische und internationale Öffentlichkeit reagierte wütend auf die Tatsache, dass die Behörden von Shaoyang keine unabhängige Untersuchung zur Ursache des Todes von Li Wangyang durchführten.

Zhu Chengzhi wurde am 8. Juni in Shaoyang von staatlichem Sicherheitspersonal abgeführt, nachdem er wiederholt die Aufklärung des Todes von Li Wangyang gefordert hatte. Am selben Tag wurde er zu zehn Tagen Verwaltungshaft verurteilt. Seine Familie erwartete, dass er am 18. Juni freigelassen würde, doch stattdessen wurde er in eine Hafteinrichtung überstellt und am 25. Juli von der Polizei von Shaoyang wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" festgenommen. Die Anschuldigungen gründen sich darauf, dass Zhu Chengzhi Fotos des toten Li Wangyang in Umlauf gebracht haben soll. Seine Frau wurde jedoch erst am 9. August über seine Festnahme in Kenntnis gesetzt. Die örtlichen Behörden haben Zhu Chengzhi bisher nicht offiziell strafrechtlich belangt, ihn aber dennoch weiter in Gewahrsam gehalten.

Paragraf 73 des chinesischen Strafprozessrechts, geändert 2012 und seit dem 1. Januar 2013 in Kraft, schreibt vor, dass in Fällen, in denen der Strafverdächtige einen festen Wohnsitz hat, die häusliche Überwachung an diesem Wohnsitz stattfinden soll. Der Verdächtige kann jedoch auch an einem anderen "festgelegten Wohnort" unter Überwachung gestellt werden, "wenn der Verdacht auf Gefährdung der inneren Sicherheit, terroristische Straftaten oder schwere Korruptionsverbrechen besteht, und die Überwachung zu Hause eine Behinderung der Ermittlungen bedeuten würde". Die Überwachung "darf jedoch nicht in einer Haft- oder Untersuchungseinrichtung erfolgen".


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Ich fordere Sie auf, Zhu Chengzhi sofort und bedingungslos freizulassen.
  • Bitte geben Sie unverzüglich den Verbleib von Zhu Chengzhi bekannt. Stellen Sie zudem sicher, dass ihm in Haft der Kontakt zu seiner Familie und einem Rechtsbeistand seiner Wahl sowie der Zugang zu jeglicher benötigter medizinischer Versorgung ermöglicht werden.
  • Ich möchte Sie eindringlich bitten, Zhu Chengzhi nach seiner Freilassung keinen weiteren Schikanen auszusetzen und ihn in keiner Weise in der Ausübung seines Rechts auf freie Meinungsäußerung einzuschränken.

APPELLE AN

LEITER DES BÜROS FÜR INNERE SICHERHEIT VON
SHAOYANG
Li Xiaokui Juzhang
Public Security Bureau of Shaoyang
8 Hongqilu Qingyunjie, Shaoyang city
Hunan Province, 422000, VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Director / Sehr geehrter Herr Li Xiaokui Juzhang)
Fax: (00 86) 739 516 3018
E-Mail: webmaster@hunan.gov.cn

AMTIERENDER OBERSTAATSANWALT DER
VOLKSSTAATSANWALTSCHAFT VON SHAOYANG
Dai Huafeng Daijianchayuanzhang
People's Procuratorate of Shaoyang
27 Weiyuandong lu, Shaoyang City
Hunan Province, 422006, VOLKSREPUBLIK CHINA
(Anrede: Dear Acting Chief Prosecutor / Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt)
Fax: (00 86) 739 682 7854


KOPIEN AN

VIZE-PREMIERMINISTER
Li Keqiang Guojiafuzhongli
The State Council General Office
2 Fuyoujie, Xichengqu Beijingshi 100017 VOLKSREPUBLIK CHINA
Fax: (00 86) 10 6596 1109
E-Mail: Notice@scio.gov.cn

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
Herr Shi Mingde
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: botschaftchina@yahoo.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. Februar 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling on the authorities to release Zhu Chengzhi immediately and unconditionally.
  • Calling on them to immediately disclose Zhu Chengzhi's whereabouts and provide him with access to his family, legal representation of his choice, and any medical assistance he may require pending his release.
  • Calling on them to guarantee that upon release, Zhu Chengzhi will not be subjected to further intimidation and other forms of restriction which would violate his freedom of speech.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Weder im überarbeiteten Strafprozessrecht noch in den Verfahrensregeln zum Umgang mit Straftaten für staatliche Sicherheitsorgane von 2012 wird verlangt, dass die Behörden die betroffenen Familien über den Verbleib der Verdächtigen in Kenntnis setzen.

Durch die Änderung des Strafprozessrechts wird eine Handlung legalisiert, die laut Völkerrecht dem Verschwindenlassen gleichkommt. Die unter Überwachung stehenden Personen haben keinen Zugang zu ihren Familien oder Rechtsbeiständen und sind stark gefährdet, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden.

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-NR: UA-191/2012-2, AI-Index: ASA 17/006/2013, Datum: 11. Januar 2013 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2013