ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-051/2013, AI-Index: AFR 44/002/2013, Datum: 26. Februar 2013 - we
Nigeria
Zwangsräumung in Badia East
HUNDERTE BEWOHNERiNNEN DER SIEDLUNG BADIA EAST
Am 23. Februar haben die Behörden des nigerianischen Bundesstaates Lagos eine Zwangsräumung in der informellen Siedlung Badia East durchgeführt. Nachdem mindestens 300 Häuser abgerissen wurden, sind Hunderte BewohnerInnen obdachlos. Tausende weitere Menschen könnten in Kürze aus ihren Häusern vertrieben werden.
Laut Angaben der nigerianischen NGO Social and Economic Rights Action Centre (SERAC) führte die Einheit für Umwelt- und besondere Delikte des Bundesstaates Lagos (Lagos State Taskforce on Environmental and Special Offences [Enforcement] Unit) am 23. Februar eine rechtswidrige Zwangsräumung durch. Unter Anwesenheit schwerbewaffneter PolizeibeamtInnen sollen etwa 300 Häuser in der informellen Siedlung Badia East in der Stadt Lagos zerstört worden sein. Auch am 24. Februar sollen die Abrissarbeiten weitergeführt und Unterkünfte und Einrichtungen zerstört worden sein. Etwa 10.000 Menschen in der Siedlung befinden sich in Gefahr vertrieben zu werden, sollten die Arbeiten weiter andauern. Die Regierung des Bundesstaates Lagos versäumte es, sicherzustellen, dass vor Durchführung der Räumung alle verfahrenstechnischen Schutzmaßnahmen eingehalten wurden. Es hat weder eine ergebnisorientierte Konsultation stattgefunden noch wurden die Betroffenen über die Gründe für die Räumung informiert. Die Regierung hat die BewohnerInnen der Siedlung zudem nicht rechtzeitig und angemessen informiert und die betroffenen Personen erhielten keine alternativen Unterkünfte oder Entschädigungsleistungen.
Hunderte Menschen - sowohl HauseigentümerInnen als auch MieterInnen - sind infolge der Zwangsräumung obdachlos. Laut AugenzeugInnen schlafen sie nun neben den Eisenbahnschienen, die durch die Gemeinde führen, und versuchen die wenigen Dinge zu schützen, die sie retten konnten, bevor sie von Sicherheitskräften mit Waffen und Schlagstöcken aus ihren Unterkünften vertrieben wurden. Die AugenzeugInnen berichteten zudem, dass die Polizei während der Abrissarbeiten drei unbewaffnete junge Männer festnahm und mehrere BewohnerInnen, die versucht hatten den Abriss zu stoppen, schlug.
Berichte der SERAC in Lagos deuten darauf hin, dass die Abrissarbeiten in den kommenden Tagen weitergeführt werden könnten. Tausende Menschen, darunter auch Kinder und ältere Personen, würden dann obdachlos und befänden sich in Gefahr Opfer zahlreicher Menschenrechtsverletzungen zu werden.
In der Stadt Lagos, die Nigerias Handelszentrum ist, leben mehr als 10 Millionen Menschen. Badia East ist eine informelle Siedlung in der Stadt. Das Land, auf dem die Siedlung errichtet wurde, ist Gegenstand eines anhaltenden Rechtsstreits vor dem Hohen Gericht des Bundesstaates Lagos zwischen der Familie der Häuptlingsschaft Ojora und BewohnerInnen der Gemeinde, von denen einige durch die SERAC vertreten werden (Aromire & Ors v. Daniel & Ors, Prozess-Nr.: LD/443/2002). Badia gehört zu den Gemeinden, die unter dem Lagos Metropolitan Development and Governance Project für das sogenannte "Slum-Upgrading-Programm" vorgeschlagen wurden. Das Hauptziel dieses 200-Millionen-Dollar-Projektes der Weltbank ist es, den nachhaltigen Zugang zu grundlegenden städtischen Dienstleistungen durch die Investierung in Infrastruktur zu verbessern.
Am 25. Februar 2013 machten sich Hunderte BewohnerInnen der Siedlung Badia East auf den Weg zum Büro des Gouverneurs des Bundesstaates Lagos. Dort protestierten sie sechs Stunden lang und forderten ein Gespräch mit dem Gouverneur. SprecherInnen der Gemeinde versuchten in das Büro zu gelangen, um die Demonstration anzumelden, wurden jedoch von Sicherheitskräften daran gehindert. Der Gouverneur lehnte ein Treffen mit den Protestierenden ab. Die Leiter der Ministerien für Raumplanung und Stadtentwicklung, Wohnbau und Landwirtschaft in Lagos, kamen jedoch heraus. Sie sollen es den Protestierenden lediglich erlaubt haben, zwei Fragen zu stellen. Laut VertreterInnen bzw. SprecherInnen der protestierenden BewohnerInnen haben sie sich bei ihren Antworten jedoch nicht auf die Sorgen der BewohnerInnen hinsichtlich der anhaltenden Zwangsräumungen in Badia East bezogen.
Im Juli 2012 ließ die Regierung des Bundesstaats Lagos Teile der informellen Siedlung Makoko abreißen. Das Vorgehen entsprach dabei dem in Badia East. Auch in Makoko wurden die BewohnerInnen weder angemessen über die Räumung informiert noch fand eine Konsultation der Betroffenen statt. Nigeria ist aufgrund einer Reihe von Menschenrechtsabkommen wie dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und der Afrikanischen Charta über Menschenrechte und Rechte der Völker dazu verpflichtet, rechtswidrige Zwangsräumungen zu unterlassen und ihre BürgerInnen davor zu schützen. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte betont, dass Zwangsräumungen nur dann stattfinden dürfen, wenn alle anderen Alternativen ausgeschöpft wurden und angemessene verfahrenstechnische und rechtliche Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Dazu gehören die wirkliche Konsultation der Betroffenen, die angemessene und rechtzeitige Ankündigung, angemessene alternative Unterkünfte und Entschädigung für alle Verluste, Schutzmaßnahmen hinsichtlich der Durchführung von Zwangsräumungen sowie der Zugang zu Rechtsschutz und rechtlichen Verfahren einschließlich Prozesskostenhilfe, falls nötig. Die Regierung muss darüber hinaus sicherstellen, dass niemand obdachlos wird oder aufgrund der Räumung anderen Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wird. Die Bestimmungen sind bei allen Räumungen einzuhalten, unabhängig vom Eigentumsstatus der BewohnerInnen.
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Babatunde Raji Fashola
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(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
MINISTER FÜR AUMPLANUNG UND
STADTENTWICKLUNG IN LAGOS
Olutoyin Ayinde
Lagos State Secreatariat
Ikeja, Lagos State, NIGERIA
(Anrede: Dear Commissioner / Sehr geehrter Herr Minister)
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LEITER DER NATIONALEN
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Professor Bem Angwe
National Secretariat
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Abuja, NIGERIA
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S.E. Herrn Abdu Usman Abubakar
Neue Jakobstraße 4, 10179 Berlin
Fax: 030-2123 0164
E-Mail: info@nigeriaembassygermany.org
Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. April 2013 keine Appelle mehr zu verschicken.
Kapitel 2 der nigerianischen Verfassung von 1999, Abschnitt 16 (2) (d) verpflichtet den Staat, passende und angemessene Unterkunft für alle BürgerInnen sicherzustellen. Doch wie auch andere Richtlinien zu sozialen und wirtschaftlichen Rechten fällt diese Bestimmung unter die "leitenden Prinzipien" der Verfassung. Als solche ist sie nicht justiziabel und deshalb vor den nigerianischen Gerichten nicht einklagbar.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2013