ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-254/2013, AI-Index: AMR 19/008/2013, Datum: 23. September 2013 - ar
Brasilien
Indigene werden bedroht
60 ANGEHÖRIGE DER GUARANI-KAIOWÁ
Die Sicherheit von rund 60 Angehörigen einer indigenen Gemeinschaft, darunter auch Kinder, ist bedroht. Sie haben am 15. September eine Zuckerrohrplantage im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul besetzt und werden nun von bewaffnetem privaten Sicherheitspersonal bedroht. Ihren Aussagen zufolge befindet sich die Plantage auf angestammten Ländereien der Gemeinschaft.
Etwa 60 Angehörige der indigenen Gemeinschaft der Guarani-Kaiowá aus der Gemeinde Apyka'y und anderen Ortschaften besetzten am 15. November ein Grundstück, auf dem derzeit Zuckerrohr angebaut wird. Die Gemeinschaft hatte seit dem 19. Jahrhundert auf diesem Land gelebt, wurde dann aber 1999 vertrieben und lebt seitdem am Rand einer Schnellstraße. Die Gemeinschaft berichtet, dass sie seit der Besetzung von bewaffneten privaten Sicherheitsdiensten, die auf der Plantage operieren, bedroht wird.
FUNAI, die Regierungsbehörde für indigene Angelegenheiten in Brasilien, hätte der Gemeinde von Apyka'y eigentlich bis zum Jahr 2010 ihre angestammten Ländereien zurückgeben sollen. So wurde es in einem Abkommen (Termo de Adjustamento de Conduta - TAC) festgelegt, das im November 2007 von FUNAI-VertreterInnen, dem Justizminister, der Bundesstaatsanwaltschaft (Ministério Público Federal) und 23 SprecherInnen indigener Gemeinschaften unterzeichnet wurde. Die Angehörigen der indigenen Gemeinschaft der Guarani-Kaiowá aus der Gemeinde Apyka'y haben der Bundesstaatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie von dem privaten Sicherheitspersonal bedroht werden. So werden sie beispielsweise daran gehindert, Wasser aus einem Fluss zu holen, der durch die Zuckerrohrplantage fließt. Einige MitarbeiterInnen der Sicherheitsdienste sind bereits in der Vergangenheit wegen Straftaten angeklagt worden, u. a. in Verbindung mit zwei aktuellen Mordfällen. Die Staatsanwaltschaft hat verlauten lassen, dass das Unternehmen "unbestreitbar rechtswidrige Aktivitäten" durchführt und fordert eine "Aussetzung dieser Aktivitäten".
Der Bundesstaat Mato Grosso do Sul umfasst einige der kleinsten, ärmsten und am dichtest besiedelten indigenen Regionen Brasiliens: ländliche und verarmte Regionen, umgeben von großen Soja- und Zuckerrohrplantagen sowie Viehfarmen, in denen das Leben von Krankheit und schlechten Lebensbedingungen gekennzeichnet ist. Rund 60.000 Guarani-Kaiowá leben in prekären Verhältnissen. Der Zusammenbruch des sozialen Systems hat Gewalt und hohe Selbstmordraten hervorgebracht und zu Unterernährung geführt. Die nur schleppend verlaufende Demarkierung des Landes hat bei den Guarani-Kaiowá große Enttäuschung ausgelöst und sie in den 1970er-Jahren dazu veranlasst, ihrerseits mit der Besetzung angestammter Ländereien zu beginnen. Daraufhin wurden sie eingeschüchtert und mit Gewalt von dem Land vertrieben, das sie besetzt hatten.
Da die Klärung von Landkonflikten immer wieder scheitert, müssen mittlerweile mehrere Gemeinschaften der Guarani-Kaiowá am Rand von Schnellstraßen wie der BR 463 leben. Sie werden von MitarbeiterInnen der Sicherheitsdienste bedroht, welche die Guarani-Kaiowá an der Wiederbesetzung von Ländereien hindern sollen. Außerdem leiden die Guarani-Kaiowá unter gesundheitlichen Problemen, die auf die schlechten Bedingungen in den Notunterkünften und auf mangelnde medizinische Versorgung zurückzuführen sind. Zahlreiche Guarani-Kaiowá sind außerdem bei Verkehrsunfällen verletzt oder sogar getötet worden.
Sowohl die UN-Erklärung über die Rechte der indigenen Völker, die Brasilien im Jahr 2007 unterzeichnet hat, als auch das von der brasilianischen Regierung ratifizierte Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation garantieren indigenen Völkern das Recht auf Land, das traditionell ihnen gehört. Außerdem werden darin die Staaten aufgefordert, Mechanismen zu entwickeln, mit deren Hilfe diese Rechte zugesprochen und anerkannt werden können. Nicht zuletzt bekräftigt die brasilianische Verfassung von 1988 die Rechte der indigenen Völker Brasiliens auf ihr Land. Die Verfassung verpflichtet den Staat, das Land der indigenen Bevölkerung zu demarkieren.
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2013