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AKTION/1782: Urgent Action - USA (Texas), Mann mit geistiger Behinderung droht Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-090/2014-1, AI-Index: AMR 51/029/2014, Datum: 6. Mai 2014 - dw

USA (Texas)
Mann mit geistiger Behinderung droht Hinrichtung



ROBERT CAMPBELL

Robert Campbell befindet sich wegen einer Straftat, die er mit 18 Jahren verübt haben soll, in Texas im Todestrakt. Nun haben seine Rechtsbeistände auf der Grundlage neuer Beweise für eine geistige Behinderung, die seine Hinrichtung verfassungswidrig machen würde, Berufung eingelegt. Die Hinrichtung ist weiterhin für den 13. Mai anberaumt.

Alexandra Rendon kehrte am 3. Januar 1991 nicht von ihrem Arbeitsplatz in einer Bank in Houston nach Hause zurück. Sie wurde zwölf Tage später tot aufgefunden - getötet durch einen Schuss in den Rücken. Der damals 18-jährige Robert Campbell wurde am folgenden Tag im Haus seiner Mutter festgenommen. Ein Gericht befand ihn wegen Mordes für schuldig und verurteilte ihn im Mai 1992 zum Tode. Am 5. Mai 2014 legten Robert Campbells Anwält_innen vor dem Gerichtshof des Bundesstaates Texas Berufung ein. Auf der Grundlage eines am 4. April erstellten Gutachtens wird dies damit begründet, dass Robert Campbell eine geistige Behinderung aufweist, deren Schwere seine Hinrichtung unter dem Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 2002, welches die Hinrichtung von Menschen mit "mentaler Retardierung" verbietet, rechtswidrig machen würde. Das Gericht definierte "Retardierung" (üblicherweise bekannt als "geistige Behinderung") nicht, verwies jedoch auf Definitionen, die von Berufsverbänden verwendet werden und denen zufolge sie eine Behinderung ist, die sich vor dem Alter von 18 Jahren äußert und durch weit unter dem Durchschnitt liegende intellektuelle Fähigkeiten gekennzeichnet ist (normalerweise durch einen IQ unter 70 nachgewiesen), mit Einschränkungen in zwei oder mehr Bereichen sozialer Kompetenz, darunter Kommunikation, Selbstpflege, Arbeit und Funktionsfähigkeit im Umgang mit anderen.

Das Gutachten wurde von einer klinischen Neuropsychologin erstellt, die 2009 von Gouverneur Rick Perry für eine Amtszeit von sechs Jahren zu einem von neun Mitgliedern der Staatlichen Kommission zur Lizenzierung von Psycholog_innen (Texas State Board of Examiners of Psychologists) ernannt wurde. Sie stellte bei Robert Campbell einen IQ von 69 und eine "leichte geistige Behinderung" fest und erklärte, dass dies mit Tests übereinstimme, die vor seinem 18. Lebensjahr durchgeführt worden waren. Zudem merkte sie an, die Tatsache, dass Robert Campbell sich seit seinem 18. Lebensjahr im Gefängnis befände, sei eine besondere Schwierigkeit für das Nachweisen seines Mangels an sozialen Kompetenzen, die für Erwachsene aus der normalen Bevölkerung typisch seien. Informationen, die über die Jugend Robert Campbells bekannt sind - "akademisches Versagen, schlechte Testergebnisse, Unfähigkeit, auf sich selbst gestellt zu sein, Unfähigkeit, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, und Unfähigkeit, Konflikte zu vermeiden" -, unterstützen ihre Diagnose.

Die derzeitigen Rechtsbeistände stellen die Angemessenheit der rechtlichen Vertretung Robert Campbells durch Pflichtverteidiger_innen, die ihn in seinem Gerichtsverfahren und ersten Berufungsverfahren vertraten, ernsthaft in Frage.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Als der Oberste Gerichtshof der USA 2005 die Hinrichtung von Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Straftat unter 18 Jahre alt waren, untersagte, verwies er darauf, dass die "Eigenschaften, die Jugendliche von Erwachsenen unterscheiden, mit dem 18. Geburtstag nicht einfach verschwinden". Die wissenschaftliche Forschung zeigt, dass sich die Entwicklung des Gehirns sowie der psychische und emotionale Reifeprozess auch bei über 18-Jährigen noch fortsetzen. Robert Campbell zog zu Hause aus, als er 13 Jahre alt war, weil er dem körperlichen und emotionalen Missbrauch entfliehen wollte, der vor allem von seinem Vater verübt wurde. Er lebte zunächst auf der Straße und wurde dann etwa im Alter von 16 Jahren von einer Frau aufgenommen. In einer eidesstattlichen Erklärung sagte diese Frau im Jahr 2000: "Robert traf letztlich die endgültige Entscheidung, bei seiner Familie auszuziehen, weil er mitansehen musste, wie sein Vater seine Mutter mit einem Telefon ins Gesicht schlug und ihr dabei alle Zähne ausschlug". Sie gab zu Protokoll, dass "Robert die gesamte Zeit, die er bei mir lebte, sehr verstört war" und dass "Robert ein guter Junge hätte sein können, wenn seine Familie gut gewesen wäre. Ich glaube, Robert kann nicht zwischen gut und schlecht unterscheiden, weil es ihm nie jemand beigebracht hat. Robert hat sich praktisch selbst großgezogen. Er hat alles, was er weiß, auf der Straße gelernt".

WEITER AUF ENGLISCH The jury convicted Robert Campbell of the murder of Alexandra Rendon in the course of a kidnapping or aggravated sexual assault. The jury heard some information about his background, but less than was available from a variety of witnesses. The question as to whether Robert Campbell's trial lawyer did enough to investigate and present a mitigation case has never been fully answered on appeal because of the actions of the initial appeal lawyer. In his state habeas corpus proceeding - which is the first opportunity for the condemned prisoner to present new evidence outside of the bare trial record in support of claims that he or she was denied their constitutional rights - Robert Campbell's appeal lawyer alleged that the trial attorneys had failed to conduct a proper investigation into his background, but then himself failed to demonstrate what such an investigation would have revealed. This effectively forfeited the claim of ineffective assistance of trial counsel.


SCHREIBEN SIE BITTE

FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN (BITTE NENNEN SIE DIE HÄFTLINGSNUMMER # 999-032)

  • Ich möchte weder den Mord an Alexandra Rendon entschuldigen noch das dadurch verursachte Leid verharmlosen.
  • Jedoch möchte ich Sie eindringlich bitten zu bedenken, dass neue Nachweise für Robert Campbells geistige Behinderung erbracht wurden.
  • Außerdem möchte ich zu bedenken geben, dass Robert Campbell zum Zeitpunkt der Tat erst 18 Jahre alt war und seine Kindheit von schwerem Missbrauch und Vernachlässigung geprägt war.
  • Ich bitte Sie daher inständig, sich gegen die Hinrichtung von Robert Campbell auszusprechen und sich für die Umwandlung des Todesurteils in eine Haftstrafe einzusetzen.

APPELLE AN

BEGNADIGUNGSAUSSCHUSS VON TEXAS
Clemency Section, Board of Pardons and Paroles
8610 Shoal Creek Blvd.
Austin, Texas 78757-6814, USA
(Anrede: Dear Board members / Sehr geehrte Damen und Herren)
Fax: (00 1) 512 467 0945
E-Mail: bpp-pio@tdcj.state.tx.us

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES TEXAS
Governor Rick Perry, Office of the Governor
PO Box 12428
Austin, Texas 78711, USA
(Anrede: Dear Governor / Sehr geehrter Herr Gouverneur)
Fax: (00 1) 512 463 1849

KOPIEN AN
PRESSESTELLE DES GOUVERNEURS
Governor's Press office
Fax: (00 1) 512 463 1847

RECHTSABTEILUNG IM GOUVERNEURSAMT
Office of the General Counsel
Fax: (00 1) 512 463 1932

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S. E. Herrn John Bonnell Emerson
Pariser Platz 2, 10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über
http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort, so dass sie noch vor dem 13. Mai 2014 eintreffen. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch.

Weitere Informationen zu UA-090/2014 (AMR 51/025/2014, 16. April 2014)


PLEASE WRITE IMMEDIATELY
  • Calling for clemency for Robert Campbell and for his death sentence to be commuted.
  • Noting new evidence that he has intellectual disability (formerly known as "mental retardation").
  • Noting that he was 18 at the time of the crime, emerging from a childhood of severe deprivation and abuse.
  • Expressing your understanding of the seriousness of the crime and its consequences.

FORTSETZUNG HINTERGRUNDINFORMATIONEN AUF ENGLISCH

On federal appeal, the next lawyer presented a number of affidavits signed by relatives and family friends in 2000 attesting to Robert Campbell's childhood of deprivation and abuse. One of these statements, for example, recalled that Robert Campbell's father "was always drunk and would beat up on their mom when he came home.also used to beat on the kids something terrible.He used to hit them on the head or wherever he felt like it. He would throw bricks, irons, and boards at them as well.Those kids had a terrible life.To this day Richard [Robert's brother] still cries about what his dad did, and tells me 'you just don't know, it's really bad.' Whatever he did to them made them all turn to alcohol and drugs". Robert Campbell's older brother Wilbert recalled that "when dad was home, it was a nightmare. He was always yelling or hitting someone. As we got older dad started whipping us". Their mother recalled how "a couple of times [her husband] cut me so bad I had to go [to] the hospital for stiches in my face and once in [the] back of my head. The kids wanted to break up the fights, but I would not let them because they would get hurt. This type of stuff went on for years...If the kids did not do exactly what he wanted, when he wanted, they were beaten bad".

Robert's older sister recalls her father beating her with an "air-conditioning cord. I had whelps [sic] all over". She said that "when Robert was little, he used to pretend he was leaving for school but he didn't go. He would go hang out with kids from the apartment projects where we lived. Neither mom nor dad did anything to make sure Robert went to school".

In 2003, the federal District Court ruled that because "the affidavits and their underlying allegations have not been exhausted in state court", and because there was no excuse for the failure to present the affidavits in state court, consideration of their contents by federal court was procedurally barred. The US Court of Appeals for the Fifth Circuit upheld this in December 2004. The failure of Robert Campbell's court-appointed state habeas lawyer to raise in state court the claim of inadequate legal representation at trial meant that it was "procedurally defaulted", that is, barred from federal judicial review.

See also USA: 'He could have been a good kid', 1 May 2014,
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/027/2014/en

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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-090/2014-1, AI-Index: AMR 51/029/2014, Datum: 6. Mai 2014 - dw
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Mai 2014