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AKTION/1797: Erfolge - April/Mai 2014 (amnesty journal)


amnesty journal 04/05/2014 - Das Magazin für die Menschenrechte

Erfolge

- Tunesien: Eine Karikatur und ihre Folgen
- DR Kongo: Warlord in Den Haag verurteilt
- Türkei: Deserteur in Freiheit
- Malaysia: Hinrichtung ausgesetzt
- Bahrain: Kinder aus Haft entlassen
- Israel und besetzte palästinensische Gebiete: Weiterhin Chance auf Schlichtung
- Russische Föderation: LGBTI-Verfahren eingestellt



Eine Karikatur und ihre Folgen

TUNESIEN - Das Gerichtsurteil machte weltweit Schlagzeilen: Der junge Tunesier Jabeur Mejri sollte 2012 wegen "Blasphemie" für siebeneinhalb Jahre hinter Gitter. Der Grund: Er hatte auf Facebook eine Karikatur des Propheten Mohammed und islamkritische Texte gepostet. Nach zwei Jahren Haft hat ihn nun Tunesiens Präsident Moncef Marzouki begnadigt. Der heute 30-jährige Mejri durfte am 4. März das Gefängnis verlassen. Amnesty International begrüßte die Freilassung, kritisierte aber zugleich, dass die tunesischen Behörden das Urteil nicht aufgehoben haben. "Jabeur Mejri hätte niemals angeklagt, geschweige denn verurteilt und inhaftiert werden dürfen. Schließlich ist das Recht, seine Meinung frei zu äußern, in Tunesiens neuer Verfassung verbrieft", sagte Amnesty-Experte Philip Luther. "Dass Jabeur Mejri für die Veröffentlichung der Bilder im Internet überhaupt zwei Jahre im Gefängnis verbringen musste, ist eine Farce. Die Hoffnung auf wirkliche Meinungsfreiheit in Tunesien wäre dadurch fast zerstört worden. Die Behörden müssen seinen Fall richtigstellen und seinen Namen endgültig reinwaschen." Amnesty International hatte Jabeur Mejri als gewaltlosen politischen Gefangenen anerkannt und sich wiederholt für ihn eingesetzt - unter anderem im Rahmen eines Briefmarathons, bei dem im vergangenen Dezember Tausende Aktivisten in Briefen an die t unesischen Behörden seine Freilassung forderten. "Dass Jabeur Mejri nun das Gefängnis verlassen durfte, ist eine große Erleichterung für seine Familie und ein wichtiger Erfolg für alle Aktivisten, die sich weltweit für ihn stark gemacht haben", so Amnesty-Experte Luther. Allerdings droht Mejri bereits neues Ungemach: Derzeit ermitteln die Behörden wegen Unterschlagung gegen ihn. Die Vorwürfe könnten ihm bis zu zehn Jahre Haft einbringen. Jabeur Mejri weist die Anschuldigungen zurück, laut seinem Anwalt gibt es keinerlei Beweise. Amnesty International befürchtet, dass es sich bei den Ermittlungen um reine Schikane handeln könnte, die einem alten Muster folgt: Unter Präsident Ben Ali, der im Januar 2011 seines Amtes enthoben wurde, waren konstruierte Anklagen und frei erfundene Anschuldigungen an der Tagesordnung.


EINSATZ MIT ERFOLG

Weltweit beteiligen sich Tausende Menschen mit Appellschreiben an den "Urgent Actions", den "Briefen gegen das Vergessen" und an Unterschriftenaktionen von Amnesty International. Dass dieser Einsatz drohende Menschenrechtsverletzungen verhindert und Menschen in Not hilft, zeigen diese Beispiele.


Warlord in Den Haag verurteilt

DR KONGO - Für die Richter in Den Haag ist seine Schuld erwiesen: Der Internationale Strafgerichtshof hat den kongolesischen Rebellenführer Germain Katanga wegen Beihilfe zu Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. Das Strafmaß wird in den kommenden Wochen bekanntgegeben. Der heute 35-Jährige soll vor elf Jahren an dem Überfall des Dorfes Bogoro im Osten der Demokratischen Republik Kongo beteiligt gewesen sein. Mehr als 200 Menschen, darunter viele Kinder, wurden damals von Rebellen mit Macheten niedergemetzelt. Das Strafgericht sprach Katanga jedoch von dem Vorwurf frei, Kindersoldaten rekrutiert und Mädchen als Sexsklavinnen missbraucht zu haben. Amnesty International begrüßte den Richterspruch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


Deserteur in Freiheit

TÜRKEI - Er landete im Gefängnis, weil er den Dienst an der Waffe nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte: Der ehemalige türkische Soldat Murat Kanatli war im Februar zu einer zehntägigen Haftstrafe verurteilt worden, weil er sich 2009 geweigert hatte, an einer Militärübung teilzunehmen. Am 6. März wurde er nach Verbüßung der Haftzeit aus dem Gefängnis entlassen. Auch in den Jahren 2010 und 2011 hatte Kanatli die Teilnahme an Militärübungen verweigert. Zwei weitere Verfahren sind deshalb noch anhängig. Nach seiner Freilassung dankte er allen Amnesty-Aktivisten, die sich mit einer Eilaktion für ihn eingesetzt hatten: "Diese Eilaktion war sehr wichtig, um den Behörden zu zeigen, dass die Welt zusieht und dass Personen, die aus ähnlichen Gründen angeklagt werden, ebenfalls nicht allein sein werden."


Hinrichtung ausgesetzt

MALAYSIA - Am 7. Februar sollte er sterben, doch nun darf Chandran Paskaran wieder hoffen. Nachdem sich Amnesty und andere Menschenrechtsorganisationen für ihn eingesetzt hatten, ist seine Hinrichtung bis auf Weiteres ausgesetzt worden. Seit elf Jahren ist Paskaran in einem Gefängnis unweit der malaysischen Hauptstadt Kuala Lumpur inhaftiert. Im April 2008 wurde er wegen Mordes zum Tode verurteilt. Das Todesurteil bleibt weiterhin bestehen, sodass Paskaran noch immer die Hinrichtung droht, falls der internationale Druck auf die Behörden nachlässt. Paskaran hat alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Sein Gnadengesuch ist vom malaysischen König abgelehnt worden. Hunderten Menschen droht gegenwärtig in Malaysia die Vollstreckung ihrer Todesurteile. Hinrichtungen finden in dem südostasiatischen Staat im Geheimen statt - die Öffentlichkeit wird darüber weder vorher noch nachher informiert.


Kinder aus Haft entlassen

BAHRAIN - Zwei Kinder im Alter von zehn und 13 Jahren verbrachten mehr als einen Monat im Gefängnis. Nun sind sie wieder frei: Ein Jugendgericht in der bahrainischen Hauptstadt Manama hat am 27. Januar angeordnet, die beiden Minderjährigen Jehad Nabeel al-Samee' und 'Abdullah Yousif al-Bahrani freizulassen. Bis zur endgültigen Urteilsverkündung am 17. April werden die beiden jedoch unter der Aufsicht von Sozialarbeitern stehen. Die beiden Jungen waren Mitte Dezember in Jid Hafs unweit der Hauptstadt von Bereitschaftspolizisten festgenommen worden. Die Behörden legen den Kindern zur Last, während eines regierungskritischen Protestmarsches eine Polizeistreife mit Steinen beworfen zu haben. Seit drei Jahren gehen in dem arabischen Königreich Menschen auf die Straße, um Freiheitsrechte und Mitbestimmung einzufordern. Die Sicherheitskräfte verschleppen regelmäßig Kinder, die im Verdacht stehen, an den Protesten teilgenommen zu haben. Im Gefängnis werden die Kinder routinemäßig gefoltert.


Weiterhin Chance auf Schlichtung

ISRAEL UND BESETZTE PALÄSTINENSISCHE GEBIETE - Seit Jahren will die israelische Armee rund 1.000 Palästinenser, darunter fast die Hälfte Kinder, aus ihren Dörfern im Süden des besetzten Westjordanlandes vertreiben, um Platz für ein militärisches Übungsgebiet zu schaffen. Nun dürfen die Palästinenser weiter hoffen, denn die Schlichtungsverhandlungen sind bis zum 24. April verlängert worden. Am 2. September 2013 hatte das Oberste Gericht Israels entschieden, dass die palästinensischen Dorfbewohner mit den israelischen Behörden in Verhandlungen treten sollten, um den Interessenskonflikt beizulegen. Die Verhandlungsdauer sollte ursprünglich vier Monate betragen. Das Gericht hatte die drohende Zwangsräumung der acht Dörfer allerdings nicht für rechtswidrig erklärt.


LGBTI-Verfahren eingestellt

RUSSISCHE FÖDERATION - Sie war wegen "Homosexuellenpropaganda" angeklagt, nun hat ein Gericht das Verfahren gegen die Russin Elena Klimova eingestellt. Die Journalistin hatte im März 2013 das Online-Projekt "Children 404" ins Leben gerufen, auf dem sich lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle (kurz: LGBTI) Jugendliche über ihre Sorgen austauschen können. Das rief die Strafbehörden auf den Plan. In Russland ist seit vergangenem Sommer ein Gesetz in Kraft, welches "Propaganda für nicht-traditionelle sexuelle Beziehungen" unter Strafe stellt. Das Gericht in der im Ural gelegenen Stadt Nischni Tagil sprach Elena Klimova jedoch von dem Vorwurf frei. Vitaliy Milonov, der Parlamentsabgeordnete aus Sankt Petersburg, der die Klage gegen die Journalistin eingereicht hatte, will gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen.

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Quelle:
amnesty journal, April/Mai 2014, S. 7+9
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juli 2014