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AKTION/429: "Ohne Gerechtigkeit kein Frieden in Darfur"


Pressemitteilung vom 2. Juni 2008

Deutsche Menschenrechtsorganisationen: Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Sudanesen endlich vollstrecken

Gerhart Baum: "Ohne Gerechtigkeit kein Frieden in Darfur"


Berlin, 2. Juni 2008. Die Haftbefehle des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen zwei Sudanesen wegen Menschenrechtsverbrechen in der westsudanesischen Provinz Darfur müssen endlich vollstreckt werden. Das haben deutsche Menschenrechtsorganisationen in einem offenen Brief an den US-Botschafter in Deutschland, William R. Tinken, als Vertreter der derzeitigen Präsidentschaft im VN-Sicherheitsrat gefordert. Der Sicherheitsrat wird sich am 5. Juni 2008 mit den Ermittlungen des IStGH zu Darfur befassen.

Bisher missachtet die sudanesische Regierung die VN-Sicherheitsratsresolution 1593, die alle Konfliktparteien in Darfur zur Kooperation mit dem IStGH auffordert. Die sudanesische Regierung hat die beiden Angeklagten Ahmad Harun und Ali Kushayb nicht ausgeliefert. Harun ist sogar weiterhin Minister für humanitäre Angelegenheiten des Sudan. "Dies verhöhnt die Opfer des Darfur-Konflikts und die Arbeit des VN-Sicherheitsrats", mahnte der Darfuri und Geschäftsführer des Vereins Darfur Hilfe, Ahmed Musa Ali.

"Die Straflosigkeit für die Menschenrechtsverbrechen in Darfur muss endlich beendet werden", sagte der ehemalige VN-Berichterstatter für Sudan und Bundesminister a.D., Gerhart Baum. "Auch wegen der akuten Krise im Nord-Süd-Friedensprozess und der Repressionswelle gegen Darfuris in Kharthoum ist es notwendig, dass die internationale Gemeinschaft Entschlossenheit zeigt, Menschenrechtsverbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Es liegt nun am VN-Sicherheitsrat, Sudan zur Auslieferung von Ahmad Harun und Ali Kushayb zu bewegen."

Die Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International, Barbara Lochbihler, erinnerte an die Führungsrolle Deutschlands bei der Gründung des IStGH und bei der Verabschiedung der VN-Sicherheitsratsresolution 1593 im Jahr 2005. "Auch wenn Deutschland derzeit kein Mitglied des VN-Sicherheitsrats ist, erwarten wir von der Bundesregierung jetzt ein konsequentes Eintreten zur Umsetzung der IStGH-Haftbefehle, vor allem gegenüber den USA, China und Russland."

"Der Sicherheitsrat muss klar und deutlich verurteilen, dass die sudanesische Regierung die Festnahme und Auslieferung von Ahmad Harun und Ali Kushayb bisher verweigert", fordern Amnesty International, die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen, terres des hommes, das Nürnberger Menschenrechtszentrum und weitere Organisationen in ihrem Brief. "Er muss Sudan dazu auffordern, die IStGH-Haftbefehle unverzüglich zu vollstrecken. Alle anderen Staaten müssen gleichfalls aufgefordert werden, die Angeklagten während eventueller Auslandsreisen sofort festzunehmen und an den IStGH auszuliefern."

Die Unterstützer des offenen Briefes beteiligen sich an der internationalen Kampagne "Justice for Darfur" (www.justice4darfur.org), die unter anderem auch von Human Rights Watch, dem Cairo Institute for Human Rights und der Coalition for the International Criminal Court getragen wird.

Die deutschen Unterstützer sind:

Amnesty International
Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen
terres des hommes Deutschland
Darfur Hilfe e.V.
Nürnberger Menschenrechtszentrum
Gesellschaft für bedrohte Völker
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Stiftung Nord-Süd-Brücken
ACAT - Deutschland
Genocide Alert


Der offenen Brief an US-Botschafter Timken in vollem Wortlaut:


An
S.E. Herr William Robert Timken Jr
Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika
Fax: 030 / 8305 2060


In Kopie an: Botschafter der im VN-Sicherheitsrat vertretenen Staaten

Exzellenz,

der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Luis Moreno Ocampo, wird am 5. Juni dem UN-Sicherheitsrat über den Stand seiner Ermittlungen zu den Menschenrechtsverbrechen in Darfur sowie über die Umsetzung der entsprechenden Sicherheitsratsresolution 1593 berichten. Die USA haben im Juni den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat und damit eine besondere Verantwortung für dessen anschließende Beratung und Beschlussfassung.

Am 27. April 2007 hat der IStGH Haftbefehle gegen die beiden Sudanesen Ahmad Harun und Ali Kushayb erlassen. Beide Männer sind wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur zwischen August 2003 und März 2004 angeklagt. Ahmad Harun hat als damaliger sudanesischer Staatsminister des Inneren das Vorgehen der sudanesischen Sicherheitskräfte und regierungsloyaler Djanjaweed-Milizen in Darfur gesteuert. Ihm werden in 42 Anklagepunkten die Verantwortung für Morde und Vertreibungen von Zivilisten zur Last gelegt. Gegen den Djanjaweed-Führer Ali Kushayb bestehen 50 solcher Anklagepunkte im Zusammenhang mit von ihm geführten Angriffen auf Dörfer in Darfur.

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat die sudanesische Regierung mit der Resolution 1593 am 31. März 2005 zur Kooperation mit dem IStGH aufgefordert. Der Sudan ist als Mitglied der Vereinten Nationen völkerrechtlich verpflichtet, Ahmad Harun und Ali Kushayb an den IStGH auszuliefern. Die sudanesische Regierung verweigert jedoch ihre Festnahme und Auslieferung und ernannte Ahmad Harun 2005 erneut zum Regierungsmitglied. Als Staatsminister für humanitäre Angelegenheiten ist er jetzt auch für die Entschädigung von Opfern in Darfur zuständig. Diesen Affront gegen die Opfer und die völkerrechtlichen Verpflichtungen Sudans darf die internationale Gemeinschaft nicht tatenlos hinnehmen.

Wir bitten die US-Regierung, sich als Vorsitzende des UN-Sicherheitsrates im Juni für deutliche Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft einzusetzen, um die sudanesische Regierung zur Kooperation mit dem IStGH zu bewegen. Der Sicherheitsrat muss klar und deutlich verurteilen, dass die sudanesische Regierung die Festnahme und Auslieferung von Ahmad Harun und Ali Kushayb bisher verweigert. Er muss Sudan dazu auffordern, die IStGH-Haftbefehle unverzüglich zu vollstrecken. Alle anderen Staaten müssen gleichfalls aufgefordert werden, die Angeklagten während eventueller Auslandsreisen sofort festzunehmen und an den IStGH auszuliefern.

Die IStGH-Anklagen gegen Ahmad Harun und Ali Kushayb sind ein erster wichtiger Schritt, um den Opfern des Konflikts in Darfur Gerechtigkeit und Wiedergutmachung widerfahren zu lassen und weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Darfur zu verhindern. Es liegt nun am UN-Sicherheitsrat, diese Anklagen unmissverständlich zu unterstützen und einen baldigen Prozessbeginn zu ermöglichen.


Mit freundlichen Grüßen,

Barbara Lochbihler, Generalsekretärin, Amnesty International Deutschland
Beate Wagner, Generalsekretärin, Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen
Peter Mucke, Geschäftsführender Vorstand, terre des hommes Deutschland
Ahmed Musa Ali, Geschäftsführer, Darfur Hilfe e.V.
Michael Krennerich, Vorsitzender, Nürnberger Menschenrechtszentrum
Tilman Zülch, Generalsekretär, Gesellschaft für bedrohte Völker
Hannes Honecker, Geschäftsführer, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein
Walter Hättig, Geschäftsführer, Stiftung Nord-Süd-Brücken
August Rößner, Vorsitzender, ACAT - Deutschland
Robert Schütte, Vorsitzender, Genocide Alert


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Quelle:
ai-Pressemitteilung vom 2. Juni 2008
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2008