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AKTION/514: Urgent Action - Syrien - Gewaltlose politische Gefangene


ai - URGENT ACTION
UA-026/2010-3, AI-Index: MDE 24/003/2011, Datum: 13. Febr. 2011 - gs

SYRIEN
Gewaltlose politische Gefangene

Weitere Informationen zu UA-026/2010 (MDE 24/001/2010, 27. Januar 2010 und MDE 24/011/2010, 18. Mai 2010)


Herr HASSAN SALEH
Herr MA'ROUF MULLA AHMED
Herr MUHAMMAD AHMED MUSTAFA

Drei vor mehr als einem Jahr festgenommene politisch aktive Kurden befinden sich noch immer ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Der dritte Verhandlungstag im Prozess gegen die Männer war ursprünglich für den 19. Oktober 2010 anberaumt worden. Er wurde jedoch auf den 6. Februar 2011 verschoben, da die drei Kurden ohne Angabe von Gründen nicht zur Verhandlung vorgeführt wurden. Sie sind weiterhin von Folter und Misshandlung bedroht.

Hassan Saleh, Ma'rouf Mulla Ahmed und Muhammad Ahmed Mustafa sind führende Mitglieder der in Syrien nicht zugelassenen kurdischen Partei Yeketi. Nach Auskunft ihrer Rechtsanwält_innen werden die drei Männer derzeit im Trakt für politische Häftlinge des nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus gelegenen 'Adra-Gefängnisses festgehalten. Seit ihrer Festnahme am 26. Dezember 2009 befinden sie sich ohne Kontakt zur Außenwelt in staatlichem Gewahrsam. Der Prozess gegen die drei Kurden findet vor dem Obersten Staatssicherheitsgericht (Supreme State Security Court - SSSC) statt. Es handelt sich dabei um ein Gericht außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit, dessen Verfahren internationalen Standards der Fairness zuwiderlaufen. Die Anklage gegen die Männer lautet auf "Versuch der Abspaltung von Teilen des syrischen Territoriums" und auf "Mitgliedschaft in einer internationalen politischen oder sozialen Organisation". Offenbar fußt die Anklage darauf, dass die drei Kurden auf dem Parteitag von Yeketi am 3. Dezember 2009 Autonomie für die von Kurden bewohnten Regionen Syriens gefordert hatten. Amnesty International geht deshalb davon aus, dass es sich bei ihnen um gewaltlose politische Gefangene handelt, die festgenommen wurden, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit in friedlicher Weise wahrgenommen haben. Der Prozess gegen die Männer vor dem SSSC begann am 6. Juni. Es folgte am 20. Juli ein zweiter Verhandlungstag, an dessen Ende die Rechtsanwält_innen der Angeklagten berichteten, nach ihrem Eindruck hätten die Männer erschöpft und geschwächt gewirkt. Dass die Anhörung vom 19. Oktober in Abwesenheit der Angeklagten statt fand, verstärkte Befürchtungen um ihre Gesundheit. Die drei Kurden leiden unter diversen körperlichen Beschwerden. Hassan Saleh und Muhammad Ahmed Mustafa sollten unter anderem wegen einer Erkrankung an der Schilddrüse regelmäßig Medikamente einnehmen, Ma'rouf Mulla Ahmed leidet unter einem Bandscheibenvorfall. Es ist nicht bekannt, ob die drei Männer Zugang zu den von ihnen benötigten Medikamenten haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Hassan Saleh, Ma'rouf Mulla Ahmed und Muhammad Ahmed Mustafa waren am 26. Dezember 2009 zusammen mit dem ebenfalls der Partei Yeketi angehörenden Anwar Naso von Mitarbeiter_innen des Politischen Sicherheitsdienstes festgenommen worden. Zunächst hielt man die vier Männer neun Tage lang beim Politischen Sicher heitsdienst in al-Hasakah im Nordosten Syriens zu Vernehmungen in Einzelhaft, bis sie schließlich am 4. Januar 2010 der Abteilung al-Fayha' des Politischen Sicherheitsdienstes in Damaskus übergeben wurden. Anwar Naso, dem Berichten zufolge in der Haft unter anderem Schläge auf die Fußsohlen versetzt worden waren, kam am 22. April ohne Anklageerhebung wieder frei. Die übrigen drei Männer blieben hingegen ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert und wurden an einem nicht näher bekannten Tag in den Trakt für politische Gefangene der Vollzugsanstalt von 'Adra (früher als Zentralgefängnis von Damaskus bezeichnet) verlegt.

Die überwiegend im Nordosten Syriens beheimateten Kurden stellen bis zu zehn Prozent der Bevölkerung des Landes dar. Sie werden aus Gründen ihrer Identität diskriminiert, unter anderem unterliegen sie beim Gebrauch ihrer Sprache und im kulturellen Leben Einschränkungen. Der SSSC missachtet systematisch die grundlegenden Rechte auf Verteidigung der Angeklagten. Sie erhalten nur eingeschränkt Zugang zu ihren Rechtsanwält_innen und haben keine Möglichkeit, Rechtsmittel gegen Urteil und Strafmaß einzulegen. Darüber hinaus lässt das Gericht "Geständnisse" als Beweismittel zu, die allem Anschein nach unter Folter erpresst werden. Vorwürfen von Angeklagten, sie seien gefoltert oder misshandelt worden, wird nur äußerst selten nachgegangen. Amnesty International hat eine Überprüfung der Tätigkeit des SSSC empfohlen mit dem Ziel, dieses Gericht entweder grundlegend zu reformieren oder aber gänzlich abzuschaffen. In den Haft- und Verhörzentren Syriens, auf Polizeistationen und in den Gefängnissen sind Folter und Misshandlungen weit verbreitet. Seit Anfang 2010 sind Berichten zufolge womöglich sieben Menschen an den Folgen in der Haft erlittener Folter oder Misshandlung gestorben. Eine Untersuchung entsprechender Vorwürfe hat nach Kenntnis von Amnesty International nicht stattgefunden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie mit Nachdruck auf, Hassan Saleh, Ma'rouf Mulla Ahmed und Muhammad Ahmed Mustafa unverzüglich und bedingungslos freizulassen, da es sich bei den Männern um gewaltlose politische Gefangene handelt, die allein deshalb inhaftiert sind, weil sie friedlich ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit wahrgenommen haben.

- Ich mache mir große Sorgen um die drei Männer, da sie nicht zu der Verhandlung am 19. Oktober 2010 gebracht wurden und sich nach wie vor in Haft ohne Kontakt zu Außenwelt befinden und das bereits seit ihrer Festnahme am 26. Dezember 2009.

- Bitte tragen Sie Sorge dafür, dass die drei Männer vor Folter und anderen Misshandlungen geschützt werden, sie Besuche ihrer Familien erhalten können und ihnen Zugang zu einem Rechtsbeistand ihrer Wahl sowie jeglicher benötigter medizinischer Versorgung gewährt wird.


APPELLE AN

STAATSPRÄSIDENT
Bashar al-Assad
Presidential Palace
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 963) 11 332 3410

INNENMINISTER
Major Sa'id Mohamed Samour
Ministry of Interior
'Abd al-Rahman Shahbandar Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 963) 11 211 9729


KOPIEN AN

AUßENMINISTER
Walid al-Mu'allim
Ministry of Foreign Affairs
al-Rashid Street
Damascus, SYRIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)
Fax: (00 963) 11 214 6251

BOTSCHAFT DER ARABISCHEN REPUBLIK SYRIEN
Frau Abir Jarf
Geschäftsträgerin a.i., Botschaftsrätin
Rauchstr. 25, 10787 Berlin
Fax: 030-5017 7311
E-Mail: info@syrianembassy.de oder
press@syrianembassy.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort.
Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 14. März 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urging the authorities to release Hassan Saleh, Ma'rouf Mulla Ahmed and Muhammad Ahmed Mustafa immediately and unconditionally, as they are prisoners of conscience, detained solely for the peaceful exercise of their right to freedom of expression and association;

- Expressing concern that the three men were not brought to their hearing on 19 October, and continue to be held incommunicado, as they have been since their arrest on 26 December 2009;

- Urging the authorities to ensure that the three men are protected from torture or other ill-treatment, allowed visits from their families and given access to lawyers of their choice and any medical attention they may require.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-026/2010-3, AI-Index: MDE 24/003/2011, Datum: 13. Febr. 2011 - gs
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Februar 2011