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AKTION/527: Urgent Action - USA (Texas) - Geschworene wenden sich gegen Hinrichtung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-027/2011, AI-Index: AMR 51/010/2011, Datum: 10. Februar 2011 - gs

USA (TEXAS)
Geschworene wenden sich gegen Hinrichtung


TIMOTHY (TIM) ADAMS, 42-jähriger Afroamerikaner

Timothy Adams, eine 42 Jahre alter Afroamerikaner, soll am 22. Februar in Texas hingerichtet werden. Er war schuldig befunden worden, im Jahr 2002 seinen Sohn ermordet zu haben. Drei der zwölf Geschworenen, die 2003 im Prozess gegen Timothy Adams für die Todesstrafe gestimmt hatten, zählen heute zum Kreis derjenigen Personen, die sich für die Umwandlung des Todesurteils einsetzen. Am 20. Februar 2002 erschoss Tim Adams während einer verfahrenen Situation mit der Polizei in der texanischen Stadt Houston seinen 19 Monate alten Sohn Timothy ("TJ"). Nachdem er sich der Polizei gestellt hatte, gestand er die Tat. Auch während seines Gerichtsverfahrens bekannte er sich schuldig. Die Geschworenen nahmen zwar zur Kenntnis, dass er ein Ersttäter war, gelangten jedoch zu der Einschätzung, dass bei ihm die Wahrscheinlichkeit weiterer Gewalttaten bestand. Sie vertraten den Standpunkt, von Tim Adams gehe "eine anhaltende Gefahr für die Gesellschaft" aus - in Texas eine Vorbedingung für die Todesstrafe. Für die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe sahen die Geschworenen keine ausreichenden strafmildernden Umstände.

Die Verteidigung berief mehrere Personen in den Zeugenstand, um sie zu den charakterlichen Eigenschaften von Tim Adams zu befragen. Darunter befand sich mit seiner Mutter allerdings nur ein Familienmitglied. Andere Angehörige von Tim Adams, die zugleich zum Kreis der Familie des Mordopfers zählen, setzen sich derzeit für eine Begnadigung des Gefangenen ein. Der Vater von Tim Adams und Großvater von "TJ" Adams äußerte sich mit den Worten: "Der Verlust von TJ ist für mich nur schwer zu ertragen... Die Vorstellung, jetzt auch noch meinen Sohn zu verlieren, ist unerträglich. Ich weiß nicht, was ich machen soll, wenn Tim nicht mehr unter uns ist." Der Bruder von Tim Adams sagte: "Es ist nicht zu erklären, warum Tim das getan hat... Es entspricht so gar nicht seinem Charakter... Ich habe zu ihm ein inniges Verhältnis. Wenn ich nach einem Besuch bei Timothy das Gefängnis verlasse, breche ich oft zusammen. Für mich ist es unvorstellbar, meinen Bruder zu verlieren." Und die Schwester gab an: "Sollte er hingerichtet werden, wird dies unsere Familie hart treffen. So etwas wünsche ich niemandem, nicht einmal meinem ärgsten Feind... Es wäre für unsere Familie ein weiterer schmerzhafter Verlust." Tim Adams ist Vater eines 23-jährigen Sohnes aus einer früheren Beziehung. Der junge Mann äußerte sich mit den Worten: "Ich weiß nicht, warum mein Vater so etwas getan hat. Er hat mir in meiner Kindheit sehr viel Zuwendung entgegengebracht und mich gelehrt, das Gute vom Bösen zu unterscheiden. Er ist ein guter Vater gewesen. Er ist kein schlechter Mensch. Hätte ich doch bloß während des Prozesses die Gelegenheit erhalten, zu seinen Gunsten auszusagen."

Auch drei der Geschworenen aus dem Hauptverfahren unterstützen eine Umwandlung des Todesurteils. Eine der Geschworenen erklärte, sie habe zunächst für eine lebenslange Freiheitsstrafe gestimmt, sich aber "unter dem Druck der übrigen Geschworenen anders entschieden". Die Frau fuhr fort: "Während all der Jahre habe ich mich wegen des Todesurteils gegen Adams schuldig gefühlt. Der Mann hat Unrecht begangen, aber andererseits ist er ein guter, gläubiger und hart arbeitender Mensch gewesen." Eine weitere Geschworene erinnert sich: "Adams war während des Prozesses voller Reue, es hat ihn sehr geschmerzt". Die Frau gab an, sie habe sich von anderen Geschworenen unter Druck gesetzt gefühlt, "in Adams nur den kaltherzigen Mann zu sehen". Deshalb habe sie schließlich für das Todesurteil votiert. Beide Geschworenen erklärten, seit dem Prozess einiges über Tim Adams erfahren zu haben, das sie in ihrer ursprünglichen Haltung bestätigt habe, sich für eine lebenslange Freiheitsstrafe auszusprechen. Während seiner acht Jahre im Todestrakt hat Tim Adams Berichten zufolge nicht ein einziges Mal gegen die Gefängnisordnung verstoßen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Amnesty International wendet sich in allen Fällen gegen die Todesstrafe. Die Abschaffung der Todesstrafe bedeutet, eine zerstörerische und spaltende Politik zu beenden, die mit allgemein anerkannten Werten nicht übereinstimmt. Sie birgt nicht nur das Risiko eines nicht wieder gut zu machenden Justizirrtums, sondern ist auch für die öffentliche Hand kostspielig, auch in sozialer und psychologischer Hinsicht (eine Tatsache, die in der derzeitigen Wirtschaftslage der USA die Sorgen der Öffentlichkeit steigen lässt). Dabei ist bislang nicht nachgewiesen, dass die Todesstrafe eine abschreckende Wirkung hat. Ihre Anwendung erfolgt zudem tendenziell diskriminierend bezüglich ethnischer Herkunft und gesellschaftlicher Schicht. Sie macht eine Versöhnung oder Rehabilitation unmöglich. Sie bindet Ressourcen, die besser für die Arbeit gegen Gewaltverbrechen und für die von ihnen betroffenen Menschen eingesetzt werden könnten.

Bis heute haben 139 Staaten die Todesstrafe im Gesetz oder in der Praxis abgeschafft, eine deutliche Mehrheit. Das internationale Recht erkennt zwar an, dass einige Staaten die Todesstrafe beibehalten, diese Bestätigung der aktuellen Realität sollte aber nicht dazu auffordern, "die Abschaffung der Todesstrafe durch einen Vertragsstaat zu verzögern oder zu verhindern" (Artikel 6.6 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte). Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat in den Jahren 1997, 2008 und 2010 Resolutionen verabschiedet, in denen sie zu einem weltweiten Hinrichtungsmoratorium im Hinblick auf die Abschaffung der Todesstrafe aufrief.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich weiß um die Schwere des Verbrechens, für das Tim Adams zum Tod verurteilt wurde.

- Dennoch möchte ich in Erinnerung rufen, dass drei der Geschworenen für eine Umwandlung des Todesurteils eintreten.

- Ich bitte Sie, zu berücksichtigen, dass die Angehörigen von Tim Adams ebenfalls unter der Hinrichtung leiden werden.

- Ich appelliere an den Begnadigungsausschuss, Gouverneur Perry die Umwandlung des Todesurteils nahe zu legen.

- Gouverneur Perry möchte ich aufrufen, seinen Einfluss und seine Möglichkeiten zu nutzen, um die Hinrichtung von Tim Adams abzuwenden.


APPELLE AN

BEGNADIGUNGSAUSSCHUSS VON TEXAS
Clemency Section
Texas Board of Pardons and Paroles
8610 Shoal Creek Blvd.
Austin, TX 78757-6814
USA
(korrekte Anrede: Dear Board members)
Fax: (001) 512 467 0945
Email: bpp-pio


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S.E. Herrn Philip D. Murphy
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030-83 05 10 50
E-Mail: über die Website
http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort.
Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. Februar 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Acknowledging the seriousness of the crime for which Tim Adams was sentenced to death.

- Noting that three of the jurors are calling for commutation of the death sentence.

- Calling on the authorities to recognize the suffering that execution causes family members.

- Urging the parole board to recommend to Governor Perry that he commute the death sentence.

- Calling on Governor Perry to do all in his power and influence to stop this execution.


Weitere HINTERGRUNDINFORMATIONEN auf Englisch

A few days before the 20 February 2002 shooting in Houston, Tim Adams's wife had moved out of their flat, taking the baby with her. On 20 February, she returned to the apartment to collect her belongings. Confronted by her husband, she telephoned the police. Tim Adams fired a shot at her, and she fled the home, leaving the child behind. In the ensuing stand-off, Tim Adams told police that he was suicidal and would kill himself if anyone tried to enter the apartment. He was eventually talked into surrendering. His young son had already been shot.

There have been 1,239 executions in the USA since judicial killing resumed there in 1977, including five so far this year. Of the 464 prisoners put to death in Texas (37 per cent of the national total), 115 were convicted in Harris County, where Tim Adams was sentenced to death. If Harris County was a state, it would account for more executions than any other state in the USA apart from the rest of Texas. See USA: One county, 100 executions: Harris County and Texas - a lethal combination, July 2007,
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/125/2007/en, also USA: Too much cruelty, too little clemency: Texas nears 200th execution under current governor, April 2009,
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/057/2009/en. There have been 225 executions in Texas since Governor Rick Perry took office in December 2000.

Arbitrariness, discrimination and error mark the death penalty in the USA, along with its inescapable cruelty. Public and political support for the death penalty has weakened in recent years, possibly a result of an erosion of belief in its deterrence value, an increased awareness of the frequency of wrongful convictions in capital cases, and a greater confidence that public safety can be guaranteed by life prison terms rather than death sentences. In 2008, Senior Supreme Court Justice John Paul Stevens revealed that he had decided, after more than three decades on the country's highest court, that the death penalty was a cruel waste of time. "I have relied on my own experience", he wrote, "in reaching the conclusion that the imposition of the death penalty represents the pointless and needless extinction of life with only marginal contributions to any discernible social or public purposes". Since retiring from the Supreme Court in June 2010, he has said that there was one vote during his nearly 35 years on the Court that he regretted - his vote with the majority in Gregg v. Georgia in 1976 that allowed executions to resume in the USA. See also USA: A learning curve, towards a 'more perfect world', October 2010,
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/095/2010/en


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Quelle:
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UA-Nr: UA-027/2011, AI-Index: AMR 51/010/2011, Datum: 10. Februar 2011 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2011