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AKTION/555: Urgent Action - Saudi-Arabien - Festnahmen nach Parteigründung


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-042/2011, AI-Index: MDE 23/002/2011, Datum: 23. Februar 2011 - jf

SAUDI-ARABIEN
Festnahmen nach Parteigründung


In Haft:
DR. AHMAD BIN SA'D AL-GHAMDI
Herr ABDUL AZIZ AL-WUHAIBI
Herr MUHAMMAD BIN HUSSAIN AL-QAHTANI
Herr MUHAMMAD BIN NASSER AL-GHAMDI

Berichten zufolge sollen vier Männer im Gefängnis al-Ha'ir in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten werden. Ihnen drohen Folter oder andere Misshandlungen. Amnesty International befürchtet, dass die Männer sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in friedlicher Weise wahrgenommen haben. Sie wären in diesem Fall als gewaltlose politische Gefangene zu betrachten.

Dr. Ahmad bin Sa'd al-Ghamdi, Abdul Aziz al-Wuhaibi, Muhammad bin Hussain al-Qahtani und Muhammad bin Nasser al-Ghamdi wurden am 16. Februar zusammen mit drei weiteren Männern festgenommen, anscheinend von Mitarbeitern des Allgemeinen Geheimdienstes des Innenministeriums. Die Festnahmen ereigneten sich eine Woche, nachdem die sieben Männer die Anerkennung der von ihnen gegründeten "Islamischen Umma Partei" (Hizb al-Umma al-Islami) beantragt hatten. Es wäre die erste politische Partei Saudi-Arabiens. Dr. Ahmad bin Sa'd al-Ghamdi, Abdul Aziz al-Wuhaibi, Muhammad bin Hussain al-Qahtani und Muhammad bin Nasser al-Ghamdi wurden dazu aufgefordert, sich schriftlich zu verpflichten, ihre parteibezogenen Aktivitäten einzustellen. Alle vier lehnten dies ab und befinden sich nach wie vor in Haft. Die anderen drei Männer stimmten der Verpflichtung mit ihrer Unterschrift zu und wurden daraufhin freigelassen.

Am 18. Februar wurde Abdul Aziz al-Wuhaibi ein kurzer Telefonanruf mit seiner Familie gestattet. In dem Gespräch berichtete er von seiner Inhaftierung im Gefängnis al-Ha'ir. Weitere Kontaktaufnahmen zur Außenwelt sollen ihm bislang nicht gestattet worden sein. Die Aufenthaltsorte der anderen ebenfalls inhaftierten drei Männer sind unbekannt; vermutlich werden sie zusammen mit Abdul Aziz al-Wuhaibi ohne Kontakt zur Außenwelt in dem Gefängnis al-Ha'ir festgehalten. Die "Islamische Umma Partei" wurde am 9. Februar von neun Männern gegründet. Unter den Gründungsmitgliedern befinden sich Intellektuelle, Schriftsteller und Juristen. Als Richtwerte für ihre Partei gaben sie die Lehren des Islam sowie die Grundsätze der Gerechtigkeit, Freiheit und Nächstenliebe an. Die Partei hat sich die Schaffung größerer politischer Freiheit in Saudi-Arabien zum Ziel gesetzt. Sie fordern außerdem die Zulassung von freien Wahlen zur Regierungsbildung, die Trennung von Exekutive, Legislative und Judikative sowie eine unabhängige Justiz, soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und die Abschaffung jeglicher Diskriminierung. In Saudi-Arabien werden zur Zeit weder politische Parteien noch unabhängige Organisationen oder Gewerkschaften geduldet; sämtliche Gründungsversuche werden routinemäßig unterdrückt.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

KritikerInnen der saudi-arabischen Regierung drohen im Gewahrsam der Sicherheitsdienste des Innenministeriums schwere Menschenrechtsverletzungen. Oft werden sie ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklage in Haft, manchmal auch Einzelhaft, gehalten und können weder RechtsanwältInnen noch die Gerichte einschalten, um die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung anzufechten. Haft ohne Kontakt zur Außenwelt und Einzelhaft ist in Saudi-Arabien gängige Praxis. Ebenso wie Folterungen und Misshandlungen dienen sie dem Zweck, Geständnisse zu erzwingen, nicht "reuige" Gefangene zu bestrafen oder sie von weiteren kritischen Äußerungen über die Regierung abzuhalten. Oftmals werden Menschen so lange von der Außenwelt abgeschnitten in Haft gehalten, bis sie schließlich ein Geständnis ablegen. Der Zeitraum kann Monate, wenn nicht sogar Jahre betragen.Prozesse werden internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren bei Weitem nicht gerecht. Sie finden nicht selten unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Oftmals werden weder die Angeklagten noch ihre Familien über den Fortgang des Verfahrens unterrichtet.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE, E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich appelliere an Sie, sicherzustellen, dass sämtliche Gefangenen weder gefoltert noch misshandelt werden, Zugang zu jeglicher benötigter medizinischer Versorgung erhalten und regelmäßig von ihren Familien und ihren RechtsanwältInnen besucht werden können.

- Ich betone, dass Amnesty International Dr. Ahmad bin Sa'd al-Ghamdi, Abdul Aziz al-Wuhaibi, Muhammad bin Hussain al-Qahtani und Muhammad bin Nasser al-Ghamdi als gewaltlose politische Gefangene betrachtet und sich für ihre unverzügliche und bedingungslose Freilassung einsetzen wird, falls sie sich nur deshalb in Haft befinden, weil sie ihre Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit in friedlicher Weise wahrgenommen haben.

- Ich bitte darum, die gegen die vier Männer erhobenen Anklagen detailliert bekannt zu geben und sicherzustellen, dass eventuell gegen sie eingeleitete rechtliche Schritte internationalen Standards der Fairness genügen.


APPELLE AN

INNENMINISTER
His Royal Highness
Prince Naif bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud
Second Deputy Prime Minister and Minister of the Interior
P.O. Box 2933, Airport Road,
Riad 11134, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Royal Highness)
Fax: (00 966) 1 403 1185) (bitte mehrmals versuchen)

KÖNIG
His Majesty
King 'Abdullah Bin 'Abdul 'Aziz Al-Saud
The Custodian of the two Holy Mosques
Office of His Majesty the King
Royal Court, Riad, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Your Majesty)
Fax: (00 966) 1 403 1185 (über das Innenministerium, bitte mehrmals versuchen)


KOPIEN AN

VORSITZENDER DER STAATLICHEN MENSCHENRECHTSKOMMISSION
Mr Bandar Mohammed 'Abdullah Al-Aiban
President, Human Rights Commission
P.O. Box 58889
King Fahad Road, Building No. 373
Riad 11515, SAUDI-ARABIEN
(korrekte Anrede: Dear Dr al-Aiban)
E-Mail: hrc@haq-ksa.org

BOTSCHAFT DES KÖNIGREICHS SAUDI-ARABIEN
S.E. Herrn
Prof. Dr. med Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi
Tiergartenstr. 33-34
10785 Berlin
Fax: 030-8892 5179 oder 030-8892 5176
E-Mail: saudi-embassy-berlin@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 6. April 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE SEND APPEALS IMMEDIATELY

- Urging the authorities to ensure that all the detainees are protected from torture and other ill-treatment, and given regular access to their families, their lawyers and any medical attention they may require;

- Noting that if the four men (Dr Ahmad bin Sa'd al-Ghamdi, Abdul Aziz al-Wuhaibi, Muhammad bin Hussain al-Qahtani and Muhammad bin Nasser al-Ghamdi) are being held solely for peacefully exercising their right to freedom of expression and association, Amnesty International would consider them to be prisoners of conscience and call for their immediate and unconditional release;

- Asking for details of any charges they face to be made public and calling on the authorities to ensure that any legal proceedings against them conform to international fair trial standards.


Weitere Informationen:

Saudi-Arabien ist Vertragsstaat des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das die Verwendung durch Folter oder Misshandlung herbeigeführter Aussagen als Beweismittel verbietet. In Artikel 15 heißt es wörtlich: "Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass Aussagen, die nachweislich durch Folter herbeigeführt worden sind, nicht als Beweis in einem Verfahren verwendet werden, es sei denn gegen eine der Folter angeklagte Person als Beweis dafür, dass die Aussage gemacht wurde".

Mindestens sieben Männer waren im Februar 2007 in den Städten Jiddah und Medina festgenommen worden weil sie eine Petition mit der Forderung nach politischen Reformen in Umlauf gebracht und die Gründung einer unabhängigen Menschenrechtsorganisation in Saudi-Arabien geplant hatten. Zu den Männern, die sich immer noch in Haft befinden, zählen Dr. Saud al-Hashimi, Al-Sharif Saif al-Ghalib, Dr. Musa al-Qirni, Dr. 'Abdel Rahman al-Shumayri, Fahd al-Qirshi, 'Abdel Rahman Khan und Sulieman al-Rushudi. Sie hatten auch die Straffreiheit für die dem Innenministerium unterstehenden Beamten angeprangert, die Festnahmen und Inhaftierungen vornehmen. Das Innenministerium gab an, die Männer seien festgenommen worden, weil sie Geld zur Unterstützung des Terrorismus gesammelt hatten. Dies bestritten die Gefangenen jedoch.

Weitere Informationen über Festnahmen von friedlichen RegierungskritikerInnen und MenschenrechtsaktivistInnen sowie tausenden anderen Personen, die seit dem 11. September 2001 willkürlich festgenommen wurden, finden Sie in dem Bericht Saudi Arabia: Assaulting human rights in the name of counter-terrorism vom 22. Juli 2009
(http://www.amnesty.org/en/news-and-updates/report/saudi-arabia-human-rights-abuses-name-fighting-terrorism-20090722,
auf Englisch) und dessen aktuellster Fassung Saudi Arabia: Countering terrorism with repression vom 11. September 2009
(http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE23/025/2009/en,
auf Englisch).


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-042/2011, AI-Index: MDE 23/002/2011, Datum: 23. Februar 2011 - jf
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2011