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AKTION/621: Urgent Action - Libyen - Mutmassliches Vergewaltigungsopfer frei


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-098/2011-1, AI-Index: MDE 19/015/2011, Datum: 4. April 2011 - jf

LIBYEN
Mutmassliches Vergewaltigungsopfer frei

Weitere Informationen zu UA-098/2011 (MDE 19/013/2011, 1. April 2011)


Frau EMAN (IMAN) AL-OBAIDI

Eman al-Obaidi ist aus der Haft entlassen worden. Die Libyerin war festgenommen worden, nachdem sie Vergewaltigungsvorwürfe gegen Angehörige der Sicherheitskräfte von Muammar Gaddafi erhoben hatte. Trotz ihrer Freilassung fürchtet Eman al-Obaidi weiterhin um ihre Sicherheit. Zudem hat sie ausgesagt, dass man sie daran gehindert habe, die Stadt Tripolis zu verlassen.

Am 3. April strahlte der kürzlich etablierte Fernsehsender Libya Channel neues Videomaterial aus, in dem zwei Interviews mit Eman al-Obaidi gezeigt wurden.

In einem der Interviews bezifferte Eman al-Obaidi die Zeit ihrer Inhaftierung durch die staatlichen Behörden auf drei Tage. Sie schilderte, wie sie während ihrer Haft von verschiedenen Vertreter_innen der Regierung verhört wurde, darunter Mitarbeiter_innen des internen Sicherheitsdienstes sowie der Geheimdienste External Security Agency (ESA) und General Intelligence. Anschließend wurde sie in ein Gebäude der Abteilung für Strafverfolgung geführt, wo ihr eine Untersuchung der von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfe zugesichert wurde. Während des zweiten Interviews beschrieb Eman al-Obaidi, wie bewaffnete Männer in Zivil sie für sogenannte "strafrechtliche Ermittlungen" gewaltsam aus ihrem Haus brachten. Nach einigen Stunden wurde sie ohne jede Erklärung für ihre Festnahme wieder freigelassen. Anscheinend ereignete sich dieser Vorfall nach Eman al-Obaidis erster Inhaftierung. Weitere Einzelheiten sind derzeit nicht bekannt. Eman al-Obaidi sagte in beiden Gesprächen, dass sie in Tripolis um ihre Sicherheit besorgt sei und zu ihrer Familie in die ostlibysche Stadt Tobruk zurückkehren wolle. Ihrer Aussage nach haben die libyschen Behörden ihr jedoch untersagt, Tripolis zu verlassen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Eman al-Obaidi sagte am 26. März im Rixos-Hotel in Tripolis im Gespräch mit ausländischen Journalist_innen, dass Angehörige von Muammar Gaddafis Sicherheitskräften sie festgehalten und vergewaltigt hätten. Kurz darauf wurde das Gespräch abrupt unterbochen und Eman al-Obaidi von libyschen Sicherheitskräften in Zivil gewaltsam aus dem Hotel gezerrt. Als man sie in einen Wagen ohne Nummernschild stieß, rief sie: "Schaut, was sie mir angetan haben!" und zeigte auf Blutergüsse und Prellungen an ihrem Körper. Dann fuhren die Sicherheitskräfte mit der Frau an einen unbekannten Ort. Die libyschen Behörden haben bisher keinen Grund und keine rechtliche Grundlage für Eman al-Obaidis Inhaftierung genannt. Die von ihr erhobenen Vorwürfe der Vergewaltigung, Folter und Misshandlung wurden nicht untersucht. Stattdessen versuchen die Behörden, Eman al-Obaidi in der Öffentlichkeit in Misskredit zu bringen, indem sie behaupten, dass sie an psychischen Problemen leide und als Prostituierte arbeite.

Laut Aussage der Behörden weisen die beschuldigten Sicherheitsbeamten die Anschuldigungen von sich und strengen eine Klage wegen Verleumdung gegen Eman al-Obaidi an. Derzeit ist noch unklar, ob es sich hierbei um einen Zivilprozess oder um einen Strafprozess mit Unterstützung der Regierung handeln wird.

Seit Muammar Gaddafi vor über 40 Jahren an die Macht kam, werden in Libyen systematisch schwere Menschenrechtsverletzungen begangen, ohne dass die Verantwortlichen jemals dafür vor Gericht gestellt werden. Zu solchen Menschenrechtsverletzungen zählen willkürliche Festnahmen und Inhaftierung ohne Anklage, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen, unfaire Gerichtsverfahren und außergerichtliche Hinrichtungen. Dissens, einschließlich der friedlichen Äußerung von Kritik und Forderungen nach Veränderung, wird von den libyschen Behörden nicht toleriert. Personen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen möchten, werden routinemäßig inhaftiert. Frauen werden sowohl rechtlich als auch in der Praxis diskriminiert. Weibliche Opfer von Vergewaltigung oder anderen Sexualverbrechen sollen sich in Libyen allgemein dagegen sträuben, diese Verbrechen anzuzeigen - zum einen, weil die Gefahr besteht, dass sie des Ehebruchs beschuldigt werden (ein "Verbrechen", das mit bis zu fünf Jahren Haft oder Prügelstrafen geahndet werden kann), und zum anderen, weil es als Schande gilt und als Kränkung der Familienehre empfunden wird, Opfer einer solchen Tat geworden zu sein.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, Eman al-Obaidi das Recht auf Bewegungsfreiheit zu gewähren. Geben Sie eindeutige Anweisungen an die Anhänger Muammar Gaddafis, sie auf ihrer Reise nach Ostlibyen nicht zu behindern.

- Leiten Sie bitte umgehend eine umfassende, gründliche und unabhängige Untersuchung der von Eman al-Obaidi gegen Angehörige der Sicherheitskräfte erhobenen Vergewaltigungs-, Folter- und Misshandlungsvorwürfe ein und stellen Sie die Verantwortlichen vor Gericht.


APPELLE AN

REVOLUTIONSFÜHRER
Colonel Mu'ammar Al-Gaddafi
Office of the Leader of the Revolution
Tripoli
LIBYEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)

VORSITZENDER DER "GADDAFI-STIFTUNG FÜR ENTWICKLUNG"
Executive Director
El Fatah Tower, 5th Floor B No.57
PO Box 1101
Tripoli
LIBYEN
(korrekte Anrede: Dear Sir)
Fax: (00 218) 21 335 0263


KOPIEN AN

HILFSORGANISATION
Waatassimu Charity Association
Omar Almukhtar Street
Tripoli
LIBYEN
(korrekte Anrede: Dear Madam)
Fax: (00 218) 21 334 3329/7/6 (bitte mehrmals versuchen)
E-Mail: info@waatasemu.org

VOLKSBÜRO DER SOZIALISTISCHEN LIBYSCH-ARABISCHEN VOLKS-DSCHAMAHIRIJA
S.E. Herrn Jamal Ali Omar El-Baraq
Podbielskiallee 42, 14195 Berlin
Fax: 030-2005 9699
E-Mail: info@libysche-botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. Mai 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Ensure that Eman al-Obaidi's right to freedom of movement in guaranteed; and that clear instructions are issued to all pro-Gaddafi forces not to obstruct her safe passage to eastern Libya.

- Urging the Libyan authorities to conduct an immediate, full and thorough independent investigation into her alleged rape and other torture and ill-treatment by members of the Libyan security forces and to bring those responsible to justice.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-098/2011-1, AI-Index: MDE 19/015/2011, Datum: 4. April 2011 - jf
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2011