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AKTION/622: Urgent Action - Libyen - Syrische Journalistin und ihr Bruder in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-101/2011, AI-Index: MDE 19/014/2011, Datum: 4. April 2011 - gs

LIBYEN
Syrische Journalistin und ihr Bruder in Haft


Frau RANA AL-AQBANI und ihr Bruder HANI AL-AQBANI

Die syrische Journalistin Rana al-Aqbani und ihr Bruder Hani al-Aqbani werden seit dem 28. März ohne Kontakt zur Außenwelt in Libyen in Haft gehalten. Es ist zu befürchten, dass die Geschwister gefoltert oder misshandelt werden. Rana al-Aqbani wird beschuldigt, "während des Krieges mit der gegnerischen Seite in Kontakt gestanden zu haben". Es handelt sich bei ihr um eine gewaltlose politische Gefangene. Sie muss unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden.

Am 28. März gegen drei Uhr morgens drang eine Gruppe bewaffneter Männer in der libyschen Hauptstadt Tripolis in die Wohnung der Journalistin Rana al-Aqbani ein. Die in Zivil gekleideten Männer durchsuchten die Wohnung und beschlagnahmten persönliche Unterlagen, einen Computer sowie sämtliche Mobiltelefone. Die 28-jährige Journalistin und ihren jüngeren Bruder Hani al-Aqbani führten die Männer ohne Angabe von Gründen ab. Seitdem befinden sich die Geschwister ohne Kontakt zur Außenwelt in Haft. Die in Syrien lebenden Familienangehörigen von Rana al-Aqbani erfuhren erst am 31. März aus dem libyschen Staatsfernsehen von der Festnahme der Journalistin, als dort ein mit ihr im Gefängnis geführtes Interview ausgestrahlt wurde. Aus dem Interview, das einem Verhör ähnelte und in aggressiver Weise geführt wurde, war ersichtlich, dass Rana al-Aqbani nur deshalb inhaftiert worden war, weil sie politische Reformen in Libyen befürwortet und Kontakte zu Menschen in denjenigen Teilen des Landes unterhält, in denen Widersacher des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi die Kontrolle übernommen hatten. Rana al-Aqbani gab an, ihr sei von einem "Funktionsträger" mitgeteilt worden, dass man ihr zur Last lege, "während des Krieges mit der gegnerischen Seite in Kontakt gestanden zu haben". Über die Gründe für die Festnahme von Hani al-Aqbani herrscht noch Ungewissheit.

Während des Interviews wurden Rana al-Aqbani und "Leute wie sie" für die jüngsten Luftangriffe der Koalitionsstreitkräfte auf Libyen verantwortlich gemacht und vom Fragesteller beschuldigt, Gerüchte und unzutreffende Informationen über die Unterdrückung der Proteste und andere Menschenrechtsverletzungen durch die libyschen Behörden in Umlauf gebracht zu haben. Im Laufe des Interviews wurde ebenfalls deutlich, dass Rana al-Aqbani festgenommen worden war, nachdem die Behörden offenbar die von ihrem privaten Telefonanschluss geführten Gespräche abgehört hatten.

Trotz der aggressiven Art, in der Rana al-Aqbani in dem Interview befragt wurde, räumte sie ein, zu Gegnern des politischen Systems in Libyen Kontakte zu unterhalten. Die Journalistin erklärte, sie unterstütze die Forderungen der friedlichen Demonstrierenden nach Veränderungen. "Die Umwälzungen in Tunesien und Ägypten", so Rana al-Aqbani, "haben uns beflügelt: Wir hofften, es würde sich etwas ändern und zum Guten wenden..., damit sich [Libyen] zu einem Land mit stabilen Institutionen weiter entwickelt."


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Rana al-Aqbani lebt seit ihrem neunten Lebensjahr in Libyen. Im zurückliegenden Jahr hat sie sich als Journalistin betätigt. Bis November 2010 hatte sie eine Anstellung bei der Libyschen Presseagentur, einem Ableger des Unternehmens al-Ghad, das Saif al-Islam al-Gaddafi nahe steht, dem Sohn von Staatschef Muammar al-Gaddafi. Im November 2010 wurden rund 22 JournalistInnen der Presseagentur festgenommen und einen Monat später das Agenturbüro geschlossen. In letzter Zeit war Rana al-Aqbani für die staatliche Zeitung Al-Shams tätig, hatte jedoch seit Beginn der Unruhen Mitte Februar ihren Arbeitsplatz nicht mehr aufgesucht.

Seit Ausbruch der jüngsten Unruhen sind zahlreiche Menschen dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen. Viele von ihnen waren im Osten Libyens festgenommen und anschließend vermutlich in die von den Truppen Gaddafis kontrollierte Gegend von Tripolis gebracht worden. Weitere Personen sind in Tripolis oder in anderen von Muammar Gaddafis Streitkräften besetzten Gebieten verschwunden. Sie alle befinden sich in großer Gefahr, gefoltert oder in anderer Weise in ihren Menschenrechten verletzt zu werden. Da die Behörden grundsätzlich keine Informationen über von ihnen festgenommene Personen preisgeben und viele Gegenden des Landes für unabhängige BeobachterInnen nicht zugänglich sind, lassen sich keine verlässlichen Aussagen über die tatsächliche Zahl der inhaftierten Personen treffen. Mehrere libysche und ausländische JournalistInnen sind verhaftet und misshandelt worden, weil sie versucht hatten, aus Gebieten Informationen zu liefern, in denen die Truppen von Muammar Gaddafi Zivilpersonen festgenommen und angegriffen hatten. Einige der JournalistInnen sind ihrerseits dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen.

Seit Muammar Gaddafi vor über 40 Jahren an die Macht kam, werden in Libyen systematisch schwere Menschenrechtsverletzungen begangen, ohne dass die Verantwortlichen jemals dafür vor Gericht gestellt werden. Zu solchen Menschenrechtsverletzungen zählen willkürliche Festnahmen und Inhaftierung ohne Anklage, Verschwindenlassen, Folter und andere Misshandlungen, unfaire Gerichtsverfahren und außergerichtliche Hinrichtungen. Dissens, einschließlich der friedlichen Äußerung von Kritik und Forderungen nach Veränderung, wird von den libyschen Behörden nicht toleriert. Personen, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen möchten, werden routinemäßig inhaftiert.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE UND LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, den Verbleib von Rana und Hani al-Aqbani unverzüglich bekannt zu geben und sicherzustellen, dass beide ungehinderten Zugang zu ihren Familien, einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und diplomatischen VertreterInnen erhalten. Sorgen Sie bitte dafür, dass Rana und Hani al-Aqbani vor Folter und Misshandlung geschützt sind.

- Ich erwarte, dass Rana al-Aqbani unverzüglich und bedingungslos freigelassen wird, da sie sich allem Anschein nach nur deshalb in Haft befindet, weil sie ihren Überzeugungen in friedlicher Weise Ausdruck verliehen hat. Ich bitte Sie ferner, den rechtlichen Status von Hani al-Aqbani zu klären und den Gefangenen freizulassen, falls nicht wegen einer erkennbar strafbaren Handlung Anklage gegen ihn erhoben wird.


APPELLE AN

REVOLUTIONSFÜHRER
Colonel Mu'ammar Al-Gaddafi
Office of the Leader of the Revolution
Tripoli
LIBYEN
(korrekte Anrede: Your Excellency)

VORSITZENDER DER "GADDAFI-STIFTUNG FÜR ENTWICKLUNG"
Executive Director
El Fatah Tower, 5th Floor B No.57
PO Box 1101
Tripoli
LIBYEN
Fax: (00 218) 21 335 0263


KOPIEN AN

VOLKSBÜRO DER SOZIALISTISCHEN LIBYSCH-ARABISCHEN VOLKS-DSCHAMAHIRIJA
S.E. Herrn Jamal Ali Omar El-Baraq
Podbielskiallee 42, 14195 Berlin
Fax: 030-2005 9699
E-Mail: info@libysche-botschaft.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 16. Mai 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Libyan authorities to immediately reveal the whereabouts of Rana and Hani al-Aqbani; ensure that they have unimpeded access to their family, lawyers and diplomatic representatives; and guarantee that they are protected from any torture or other ill-treatment.

- Calling on the authorities to immediately and unconditionally release Rana al-Aqbani as she seems to be detained solely for peacefully expressing her views; and to clarify the legal status of Hani al-Aqbani. Hani al-Aqbani should also be released unless charged with a recognizably criminal offense.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-101/2011, AI-Index: MDE 19/014/2011, Datum: 4. April 2011 - gs
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2011