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AKTION/691: Urgent Action - VR China - Asylsuchender abgeschoben - Foltergefahr


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-173/2011, AI-Index: ASA 17/026/2011, Datum: 17. Juni 2011 - ar

VR China
Asylsuchender abgeschoben - Foltergefahr


ERSHIDIN ISRAIL, chinesischer Staatsangehöriger

Der Uigure Ershidin Israil wurde am 30. Mai von den kasachischen Behörden nach China abgeschoben. Die chinesischen Behörden bezeichnen Ershidin Israil als "Hauptterrorverdächtigen". Er läuft Gefahr, in Haft gefoltert und in anderer Weise misshandelt zu werden. Außerdem droht ihm ein unfaires Gerichtsverfahren.

Ershidin Israil muss sich nach seiner Abschiebung nun in China als mutmaßlicher "Hauptterrorverdächtiger" verantworten. Berichten zufolge wurde er am 30. Mai den chinesischen Behörden übergeben. Am 14. Juni bestätigten diese den Gewahrsam von Ershidin Israil und sagten, er werde als "Hauptterrorverdächtiger" angesehen. Ershidin Israil floh im September 2009 aus China nach Kasachstan. Wenige Tage zuvor hatte er dem Radiosender Radio Free Asia ein Interview gegeben, in dem er über Shohret Tursun sprach und aufdeckte, dass dieser mutmaßlich in Gewahrsam zu Tode geprügelt wurde. Shohret Tursun war ein junger Uigure, der sich an den Unruhen am 5. Juli 2009 in Urumqi beteiligt hatte.

Kurz nach seiner Ankunft in Kasachstan beantragte Ershidin Israil beim UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) Asyl. Im März 2010 gewährte der UNHCR Ershidin Israil den Flüchtlingsstatus, und Schweden erklärte sich einverstanden, ihn aufzunehmen. Am 3. April 2010 wurde Ershidin Israil jedoch von den kasachischen Behörden in Gewahrsam genommen, und im Juni 2010 nahmen sie ihn formell fest. Zwischen dem 23. Juni 2010 und dem 18. Mai 2011 wurde Ershidin Israils Antrag auf Asyl insgesamt fünfmal gerichtlich geprüft und abgewiesen. Am 3. Mai 2011 erkannte der UNHCR Ershidin Israil die Flüchtlingseigenschaft ab.

Die Gründe für die Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft sind nicht bekannt. Amnesty International betrachtet die Auslieferung von Ershidin Israil an China allerdings als Verstoß gegen die aus internationalen Abkommen resultierende Verpflichtung, Personen nicht in ein Land zurückzuführen, in dem ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen. Ershidin Israil läuft Gefahr, in Haft gefoltert und anderweitig misshandelt zu werden, und ihm könnte die Todesstrafe oder eine lange Gefängnisstrafe drohen. Amnesty International ist der Ansicht, dass die Anklage gegen Ershidin Israil einzig und allein darauf zurückzuführen ist, dass er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Ershidin Israil kommt aus dem Kreis Huocheng in der Autonomen Uigurischen Region Xinjiang, wo er als Lehrer tätig war. Am 23. September 2009 gaben er und zwei weitere Uiguren - Haji Memet und Abdusalam Nasir - dem in den USA ansässigen Radiosender Radio Free Asia ein Interview. Darin äußerten sie sich zu den Vorwürfen, Shohret Tursun, ein Verwandter von Haji Memet, sei durch Folter im Gewahrsam zu Tode gekommen. Haji Memet und Abdusalam Nasir wurden noch am selben Tag festgenommen. Ihnen wurde dem Vernehmen nach das "Preisgeben von Staatsgeheimnissen" vorgeworfen. Damals hieß es, dass die Polizei nach einer dritten Person fahndet; mittlerweile geht man davon aus, dass es sich bei dieser Person um Ershidin Israil gehandelt hat. Amnesty International liegen keine Informationen über den derzeitigen Verbleib von Haji Memet und Abdusalam Nasir vor. Für nähere Informationen siehe UA-252/2009 vom 24. September 2009. Seit 2001 dokumentiert Amnesty International Fälle, in denen zurückgeschobene uigurische Asylsuchende oder Flüchtlinge in China festgenommen und gefoltert wurden. Einige dieser UigurInnen erhielten Todesurteile und wurden hingerichtet.

Im Dezember 2009 schoben die kambodschanischen Behörden 20 UigurInnen nach China ab. Die meisten von ihnen hatten wie Ershidin Israil die Autonome Uigurische Region Xinjiang nach den Unruhen vom Juli 2009 verlassen. Ihre Anträge wurden noch vom UNHCR in Kambodscha geprüft, als man sie auf einem Militärflughafen in ein Flugzeug Richtung China setzte. Zwei Personen konnten fliehen - einer von ihnen, Memet Eli Rozi, gelangte nach Laos, wohin ihm seine Frau und fünf Kinder folgten. Die Familie wurde jedoch von der laotischen Polizei aufgespürt und im März 2010 wieder nach China abgeschoben. Seitdem befindet sich Memet Eli Rozi ohne Anklage, Gerichtsverfahren oder Schuldspruch in Gewahrsam. Er soll schwer krank sein. Für nähere Informationen zu seinem Fall siehe UA-066/2011 vom 10. März 2011. Amnesty International und anderen internationalen Beobachtern liegen keine Informationen über den Status und derzeitigen Verbleib der 20 UigurInnen vor, die von Kambodscha nach China abgeschoben wurden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Bitte lassen Sie Ershidin Israil unverzüglich frei, da er sich nur deshalb in Haft befindet, weil er von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat.

- Bitte stellen Sie sicher, dass Ershidin Israil Zugang zu seiner Familie, einem Rechtsbeistand seiner Wahl und jeglicher benötigter medizinischer Versorgung erhält. Sorgen Sie außerdem dafür, dass er in der Haft weder gefoltert noch auf andere Weise misshandelt wird.


APPELLE AN

PRÄSIDENT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
Hu Jintao Guojia Zhuxi
The State Council General Office
2 Fuyoujie
Xichengqu
Beijingshi 100017
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 86) 10 630 70 900
E-Mail: gov@govonline.cn

VORSITZENDER DER ZENTRALEN KOMMISSION FÜR POLITIK UND RECHT DER
VOLKSREPUBLIK CHINA
Zhou Yongkang Shuji
Zhongyang Zhengfa Weiyuanhui
6A Beichizi Dajie
Dongchengqu
Beijingshi 100006
VOLKSREPUBLIK CHINA
(korrekte Anrede: Dear Secretary / Sehr geehrter Herr Vorsitzender)


KOPIEN AN

VORSITZENDER DER VOLKSREGIERUNG DER AUTONOMEN REGION XINJIANG
Nur Bekri Zhuxi
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu Renmin Zhengfu Bangongting
2 Zhongshanlu
Urumqi 830041
Xinjiang Weiwuer Zizhiqu
VOLKSREPUBLIK CHINA
Fax: (00 86) 991 28 17 567 oder (00 86) 991 28 03 621

BOTSCHAFT DER VOLKSREPUBLIK CHINA
S.E. Herrn Hongbo Wu
Märkisches Ufer 54
10179 Berlin
Fax: 030-27 58 82 21
E-Mail: de@mofcom.gov.cn


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Chinesisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 29. Juli 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE SEND APPEALS IMMEDIATELY

- Call on the Chinese authorities to immediately release Ershidin Israil as he was detained solely for exercising his right to freedom of expression.

- Urge the Chinese authorities to ensure that he has access to family, legal assistance of his choice and any medical care he might require and to ensure that he is protected from torture or other ill-treatment while in detention.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-173/2011, AI-Index: ASA 17/026/2011, Datum: 17. Juni 2011 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2011