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AKTION/707: Urgent Action - Tadschikistan - Journalist offenbar in Haft gefoltert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-211/2011 AI-Index: EUR 60/004/2011 Datum: 6. Juli 2011 - mr

Tadschikistan
Journalist offenbar in Haft gefoltert


URUNBOY USMONOV

URUNBOY USMONOV, 59-jähriger Journalist Der tadschikische BBC-Journalist Urunboy Usmonov wartet auf sein Gerichtsverfahren, nachdem er angeklagt wurde, der verbotenen islamischen Bewegung Hizb-ut-Tahrir anzugehören. Amnesty International geht davon aus, dass er aufgrund seiner journalistischen Arbeit über Hizb-ut-Tahrir inhaftiert wurde. Möglicherweise wurde er in Haft gefoltert oder misshandelt. Urunboy Usmonov kam am 13. Juni nicht von der Arbeit nach Hause. Am 14. Juni kam er kurz zu seiner Familie in der Stadt Khujand in der Region Soghd im Norden Tadschikistans zurück. Angehörige des staatlichen Komitees für nationale Sicherheit in Tadschikistan begleiteten ihn und durchsuchten das Haus der Familie. Seine Angehörigen bemerkten Verletzungen an seinem Nacken und gehen davon aus, dass sie von Folter oder anderen Formen der Misshandlung in Haft herrühren. Am 15. Juni wurde nach Artikel 307.3, Teil 2 Anklage wegen "Mitwirkung in einer verbotenen extremistischen Organisation" erhoben. Derzeit befindet sich Urunboy Usmonov in dem Untersuchungsgefängnis Nr. 2 der Stadt Khujand (SIZO).

Am 15. Juni soll ein Sprecher des Innenministeriums gesagt haben, dass Urunboy Usmonov unter Verdacht steht, seit 2009 Hizb-ut-Tahrir anzugehören und mit Hilfe des Internets extremistische Propaganda zu betreiben, die Veröffentlichungen der Gruppe zu verbreiten und neue Mitglieder anzuwerben. Seine Anwältin Fayziniso Vohidova, die seit dem 20. Juni in alle Ermittlungen eingebunden war, teilte Amnesty International am 2. Juli mit, dass die Untersuchung keinen Nachweis der Mitgliedschaft in der Gruppe Hizb-ut-Tahrir ergeben habe. Am 6. Juli gaben Angehörige des staatlichen Komitees für nationale Sicherheit gegenüber der BBC an, dass Urunboy Usmonov nicht der Mitgliedschaft in Hizb-ut-Tahrir angeklagt sei, sondern sich die Untersuchung auf seine Verbindungen zu der Organisation und die Tatsache konzentriere, dass er die Behörden über seine Kontakte mit der Gruppe nicht in Kenntnis gesetzt habe. Amnesty International befürchtet, dass das Beweismaterial gegen ihn aufgrund seiner journalistischen Arbeit und der Wahrnehmung des Rechtes auf freie Meinungsäußerung konstruiert worden sein könnte.

Urunboy Usmonov hatte nach seiner Festnahme eine Woche lang keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand. Die Familie beauftragte am 15. Juni eine Anwältin. Doch der ermittelnde Beamte verzögerte den Zugang zu ihrem Mandanten und sie konnte ihn erst am 20. Juni zum ersten Mal sehen. Hamid Ismailov von der BBC Zentralasien durfte Urunboy Usmonov zehn Minuten besuchen und berichtete am 28. Juni: "Ich hatte damit gerechnet, auf einen körperlich geschwächten Menschen zu treffen, aber er war auch geistig und seelisch geschwächt und das war schwer zu ertragen. Er sprach zwar mit mir, doch sein Blick war ununterbrochen auf die Sicherheitsbeamten gerichtet."


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Tadschikistan mit seinen rund 7,2 Millionen EinwohnerInnen grenzt im Osten an die Volksrepublik China, im Süden an Afghanistan, im Westen an Usbekistan und im Norden an Kirgisistan. Das Land erlangte 1991 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Nach dem Zerfall des Sowjetreichs begann 1992 in Tadschikistan ein verheerender Bürgerkrieg, der bis 1997 andauerte. Der tadschikische Präsident Emomali Rakhmon ist seit 1994 im Amt. Er hat das Land relativ erfolgreich konsolidiert und sieht sich vor dem Hintergrund möglicher neuer Unruhen als einen unverzichtbaren Garanten für Stabilität und Frieden. Die prekäre wirtschaftliche Lage Tadschikistans und die politisch instabile Situation im benachbarten Afghanistan bergen die Gefahr erneuter Unruhen.

Amnesty International beanstandet Menschenrechtsverletzungen in Tadschikistan wie Folter und andere Misshandlungen durch Ordnungskräfte, Straffreiheit für Folternde, Gewalt gegen Frauen und Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Seit einigen Jahren sehen sich unabhängige Medien und JournalistInnen straf- und zivilrechtlicher Verfolgung ausgesetzt, wenn sie die Regierung kritisieren.

Die Polizei von Tadschikistan ist schon oft beschuldigt worden, Gefangenen gefoltert oder geschlagen zu haben. Die tadschikischen Gesetze zum Schutz vor Folter werden nicht immer beachtet. So ist in der neuen Strafprozessordnung festgehalten, dass Gefangene vom Moment der Festnahme an das Recht auf einen Anwalt haben. Doch in der Praxis sind die AnwältInnen vom guten Willen der ermittelnden BeamtInnen abhängig, die ihnen den Zugang zu ihren MandantInnen tagelang verweigern können. Aber gerade in Zeiten der Haft ohne Kontakt zur Außenwelt ist das Risiko der Folter oder anderer Misshandlung für Gefangene besonders hoch. Aus Tadschikistan wird zum Beispiel über Elektroschocks, die Befestigung von mit Wasser oder Sand gefüllten Plastikflaschen an den Genitalien der Gefangenen, Vergewaltigung und Verbrennungen mit Zigaretten berichtet. Schläge mit Schlagstöcken, Knüppeln und Stöcken, sowie Tritte und Faustschläge sind Berichten zufolge ebenfalls an der Tagesordnung.

Behrouz Afagh, der Leiter von BBC Naher Osten und Zentralasien schrieb am 29. Juni: "Der Urunboy, den wir alle kennen, [ist fröhlich], sanft, großzügig, tolerant, zutiefst ehrlich und aufgeschlossen [...] Seine Essays und Romane und seine Berichterstattung für die BBC sind geprägt von seinem offenen und vielschichtigen Blick auf die Welt [...]. Er wäre schlicht nicht fähig, einer Gruppe anzugehören, die die Welt durch die Brille einer engen dogmatischen Ideologie betrachtet."


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich bin sehr besorgt darüber, dass der Journalist Urunboy Usmonov festgenommen wurde, um ihn für seine journalistische Arbeit und die friedliche Wahrnehmung des Rechts auf freie Meinungsäußerung zu bestrafen.

- Daher möchte ich Sie nachdrücklich bitten, alle Anklagen im Zusammenhang mit seiner Arbeit als Journalist fallen- und ihn umgehend freizulassen.

- Ich fordere Sie dringend auf, Urunboy Usmonov vor Folter und anderer Misshandlung zu schützen und unverzüglich eine unparteiische und unabhängige Untersuchung der Folter- und Misshandlungsvorwürfe in Haft durchzuführen und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen.

- Ich bin sehr besorgt darüber, dass Urunboy Usmonovs Anwältin erst am 20. Juni Zugang zu ihm gewährt wurde.


APPELLE AN

PRÄSIDENT
Emomali Rahmon
Apparat Prezidenta Respubliki Tajikistan
Pr. Rudaki 80, 734023 g. Dushanbe
TADSCHIKISTAN
(korrekte Anrede: Dear President / Sehr geehrter Herr Präsident)
E-Mail: mail@president.tj

AUSSENMINISTER
Zarifi Khamrohon
Pr. Rudaki 42, 734051 Dushanbe
TADSCHIKISTAN
(korrekte Anrede: Dear Minister / Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00 992) 37 221 02 59
E-Mail: info@mfa.tj


KOPIEN AN

GENERALSTAATSANWALT
Sherhon Salimzoda
Pr. A. Sino 126
734043 g. Dushanbe
TADSCHIKISTAN

BOTSCHAFT DER REPUBLIK TADSCHIKISTAN
S.E. Herrn Imomudin Sattorov
Perleberger Straße 43
10559 Berlin
Fax: 030 - 3479 3029
E-Mail: info@botschaft-tadschikistan.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Tadschikisch, Russisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 17. August 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern that BBC journalist Urunboy Usmonov was arrested as punishment for his journalistic work and for peacefully exercising his right to freedom of expression.

- Urge the authorities to promptly drop all charges related to his work as a journalist and release him.

- Urge the authorities to ensure that Urunboy Usmonov is protected from torture or other ill-treatment and call for a prompt, impartial and independent investigation into allegations that he was tortured or ill-treated in detention and bring those found responsible to justice.

- Express concern that his lawyer was denied access to him before 20 June.


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-211/2011 AI-Index: EUR 60/004/2011 Datum: 6. Juli 2011 - mr
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Juli 2011