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AKTION/763: Urgent Action - Tunesien - Drei Männer freigelassen, einer noch immer in Haft


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-223/2011-2, AI-Index: MDE 30/018/2011, Datum: 1. September 2011 - ns

Tunesien
Drei Männer freigelassen, einer noch immer in Haft


Freigelassen:
Herr AYMAN GHARIB
Herr ANIS EL-KRIFI
Herr WALID BOUJBALI

Weiter in Haft:
Herr HAITHAM EL-MEJRI

Drei der vier Männer, die am 19. Juli in der Stadt Menzel Bourguiba im Norden Tunesiens festgenommen worden waren, wurden nun freigelassen. Der vierte, Haitham el-Mejri, ist noch immer inhaftiert. Ihm droht ein unfaires Gerichtsverfahren vor einem Militärgericht. Im Falle einer Verurteilung könnte er zum Tod verurteilt werden.

Haitham el-Mejri bleibt weiterhin inhaftiert und ihm droht ein Militärprozess. Er wurde am 16. Juli, während er einen Zusammenstoß zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften mitverfolgte, festgenommen. Bei den Kämpfen wurden Berichten zufolge ein Polizeirevier und ein Polizeiauto in Brand gesteckt. Ein Polizeibeamter gab an, dass er Haitham el-Mejri am Schauplatz der Kämpfe gesehen habe. Laut seinem Anwalt gibt es mindestens zwei ZeugInnen, die bestätigen können, dass Haitham el-Mejri sich während der Kämpfe in einer Moschee befand und somit nicht daran beteiligt war.

Ayman Gharib, Anis El-Krifi und Walid Boujbali, die gemeinsam mit Haitham el-Mejri festgenommen worden waren, wurden am 29. August in Erwartung weiterer Untersuchungen freigelassen. Ihre Anwälte sind optimistisch, dass die Anklagepunkte fallengelassen werden, da es an Beweisen für die vermeintlichen Verbrechen mangelt.

Die vier Männer wurden am 19. Juli in ihren Wohnungen bei Überfällen von Sicherheitskräften festgenommen. Infolge der Kämpfe zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften hatten sehr viele Festnahmen stattgefunden. Alle anderen Festgenommenen wurden kurz darauf wieder freigelassen, aber die vier Männer wurden wegen "Übergriffen mit dem Ziel, die Regierung zu stürzen", "Anstacheln von Personen zu bewaffneten Angriffen untereinander" und "Verursachung von Chaos, Tötungen und Raubüberfällen" angeklagt. Weitere Anklagepunkte beinhalteten die "Gründung oder Führung bewaffneter Gruppen, die öffentliches oder privates Eigentum zerstören" und "Übergriffe auf Zivilpersonen und Eigentum als Mitglied einer bewaffneten oder unbewaffneten Gruppe". Der Fall wurde vor einem Militärgericht verhandelt und einige dieser Verstöße werden mit der Todesstrafe geahndet.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die vier Männer gehören zu einer großen Zahl von Personen, die während der Kämpfe zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften in Menzel Bourguiba und der benachbarten Hauptstadt Tunis festgenommen wurden. Die meisten von ihnen wurden kurz darauf freigelassen, aber die vier Männer wurden gemäß Artikel 72, 74 und 77 des tunesischen Strafgesetzbuches angeklagt. Aufgrund der medizinischen Berichte von drei Sicherheitskräften, die angaben, dass sie bei den Kämpfen des 16. Juli verletzt worden seien, wurde der Fall vor einem Militärgericht verhandelt. Artikel 72 und 74 werden mit der Todesstrafe geahndet.

In Übereinstimmung mit dem Völkerrecht lehnt Amnesty International Zivilprozesse vor Militärgerichten ab, weil sie das grundlegende Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht verletzen. Artikel 14 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte, dessen Vertragsstaat Tunesien ist, garantiert dieses Recht. In Artikel 5 des tunesischen Militärgesetzbuches von 1957 sind zahlreiche Fälle ausgeführt, in denen Zivilpersonen vor Militärgerichte gestellt werden können, z.B. gewöhnliche Straftaten, in die ein Angehöriger des Militärs verwickelt ist; Straftaten, die auf Militärgebiet begangen werden und terroristische Angriffe sowie Angriffe gegen innere und äußere Sicherheit. Militärgerichte verwehren den Angeklagten ihr Recht auf einen fairen Prozess, weil die Urteile endgültig sind und die Einlegung von Rechtsmitteln nicht möglich ist.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe unabhängig von der Art der Straftat grundsätzlich ab, da sie gegen das Recht auf Leben verstößt und die extremste Form der grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bestrafung darstellt. Im Jahr 2010 wurden in Tunesien mindestens 22 Menschen zum Tode verurteilt, obwohl die Regierung seit 1992 ein De-Facto-Hinrichtungsmoratorium einhält. Insgesamt saßen 2010 mindestens 136 Personen, darunter vier Frauen, in tunesischen Todeszellen. Sie durften weder von ihren Familien noch von ihren Rechtsbeiständen besucht werden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Stellen Sie sicher, dass Haitham el-Mejri unter Ausschluss der Todesstrafe einen fairen Prozesse vor einem Zivilgericht erhält.

- Ich appelliere an Sie, umgehend vollständige und unabhängige Untersuchungen über die Vorfälle einzuleiten, die zu den Festnahmen der vier Männer geführt haben.


APPELLE AN

MINISTER FÜR JUSTIZ UND MENSCHENRECHTE
Lazhar Karoui Chebbi
Ministry of Justice and Human Rights
57 Bab B'net, 1006 Tunis - La Kasbah
TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency/ Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00216) 71 568 106
E-Mail: mju@ministeres.tn

VERTEIDIGUNGSMINISTER
Abdelkarim Zebidi
Ministry of National Defence
Boulevard Bab M'nara
1008 La Kasbah - Tunis
TUNESIEN
(korrekte Anrede: Your Excellency/ Sehr geehrter Herr Minister)
Fax: (00216) 71 561 804
E-Mail: defnat@defense.tn


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER TUNESISCHEN REPUBLIK
Herrn Wacef Chiha
Geschäftsträger a.i., Botschaftsrat
Lindenallee 16
14050 Berlin
Fax: 030-3082 06 83


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Arabisch, Französisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 13. Oktober 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on the Tunisian authorities to ensure that Haitham el-Mejri receives a fair trial before a civilian court, not a military one, without the imposition of the death penalty.

- Urging them to investigate fully and independently the events that led to the charges against Haitham el-Mejri, Ayman Gharib, Anis el-Krifi and Walid Boujbali.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-223/2011-2, AI-Index: MDE 30/018/2011, Datum: 1. September 2011 - ns
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306
Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2011