Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL

AKTION/813: Urgent Action - Iran - Willkürlicher Hausarrest


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-049/2011-1, AI-Index: MDE 13/086/2011, Datum: 29. Sept. 2011 - gs/ns

Iran
Willkürlicher Hausarrest

Weitere Informationen zu UA-049/2011 (MDE 13/023/2011, 28. Februar 2011)


MIR HOSSEIN MUSSAWI, Oppositionsführer
MEHDI KARROUBI, Oppositionsführer
ZAHRA RAHNAVARD, Ehefrau von Mir Hossein Mussawi

Die iranischen Oppositionsführer Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi sowie Mir Mussawis Ehefrau Zahra Rahnavard stehen noch immer unter Hausarrest, ohne dass ein Haftbefehl oder eine Anklage gegen sie vorliegen. Ein Gerichtsverfahren hat ebenfalls nicht stattgefunden. Außerdem wird ihnen nur bedingt Kontakt zu ihren Familien gestattet und sie haben keinen Rechtsbeistand. Im September hat Mehdi Karroubis Frau Fatemeh Karroubi einen Brief an die Oberste Justizautorität geschrieben, in dem sie die Unrechtmäßigkeit des Hausarrests kritisiert und ihre Sorge über den Gesundheitszustand ihres Mannes ausdrückt. Sie weist darauf hin, dass ihrem Mann unter Hausarrest sowohl der Zugang zu Büchern, Zeitungen, einem Telefon, als auch regelmäßige Besuche seiner Familie und Bewegung verwehrt wurden. Davor hatte sie mitgeteilt, dass der 74-jährige Mehdi Karroubi in eine kleine Wohnung gebracht worden sei. Fatemeh Karroubi fordert außerdem, dass ihr Mann von einem unabhängigen Arzt untersucht wird.

Die Kinder von Mir Hossein Mussawi erklärten, dass ihre Eltern völlig von der Außenwelt abgeschnitten seien und weder Zugang zu Zeitungen noch Radio haben und ihnen auch keine Schreibmaterialien zur Verfügung gestellt werden.

Mehdi Karroubi, Mir Hossein Mussawi und Zahra Rahnavard sind seit Anfang Februar 2011 nicht mehr in der Öffentlichkeit aufgetreten. Im Februar hatten Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi zu Demonstrationen zur Unterstützung der Menschen in Tunesien und Ägypten aufgerufen, die am 14. Februar stattfinden sollten. Zunächst gab es keine Informationen über den Verbleib der beiden Oppositionsführer, bis bekannt wurde, dass sie ohne Haftbefehl unter Hausarrest gestellt worden waren. Fatemeh Karroubi durfte ihr Zuhause im April für eine medizinische Behandlung verlassen. Amnesty International glaubt, dass sie seit der Verlegung ihres Mannes in eine kleine Wohnung nicht mehr unter Hausarrest steht.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Am oder um das Datum des 31. Juli herum wurde Mehdi Karroubi in eine kleine, vom Geheimdienstministerium überwachte Wohnung gebracht. In dem Brief seiner Ehefrau Fatemeh, der auf Mehdi Karroubi's Website Sahamnews ins Netz gestellt wurde, berichtet sie, ihr Mann habe darum gebeten, in eine weniger stark kontrollierte Wohnanlage verlegt zu werden. Seine Familie fand auch eine Ersatzunterkunft, in die Mehdi Karroubi jedoch nicht einziehen konnte, weil das Geheimdienstministerium ihm dies nicht gestattete. Die Familie sucht nun eine Wohnung, die das Ministerium für angemessen hält und seinen strengen Auflagen gerecht wird. Eine der Auflagen besteht darin, dass die Wohnadresse nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Ende August durfte Mehdi Karroubi anlässlich der Feierlichkeiten zum Ende des Fastenmonats Ramadan von seiner Ehefrau, seinem Sohn und seiner Schwiegertochter sowie den Enkeln besucht werden.

Mir Hossein Mussawi und Zahra Rahnavard erhielten Berichten zufolge erstmals seit Verhängung ihres Hausarrests die Erlaubnis, ihre drei Töchter zu besuchen. Das Treffen fand in der Wohnung einer der Töchter statt.

Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi hatten sich bei den Wahlen vom Juni 2009 vergeblich um das Präsidentenamt beworben und gegen die Bekanntgabe des Wahlsiegs des amtierenden Präsidenten Mahmoud Ahamdinejad protestiert. In der Folgezeit hatten sich die beiden Männer kritisch über die Regierung geäußert und Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte angeprangert. Zahra Rahnavard, ehemalige Rektorin der Teheraner Universität Al-Zahra, und Fatemeh Karroubi, unter dem früheren Präsidenten Khatami Stellvertretende Ministerin für Soziales, hatten sich 2009 engagiert für ihre Ehemänner eingesetzt und Übergriffe gegen ihre Familien und andere Menschen scharf verurteilt.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie auf, den Hausarrest von Mir Hossein Mussawi, Mehdi Karroubi und Zahra Rahnavard unverzüglich aufzuheben, da sie willkürlich ihrer Freiheit beraubt werden.

- Gewähren Sie ihnen zwischenzeitlich Zugang zu ihren Familien, einem Rechtsbeistand ihrer Wahl und angemessener medizinischer Versorgung.

- Ich möchte außerdem darauf dringen, die unrechtmäßige Einschränkungen der freien Meinungsäußerung sowie der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit einzustellen.


APPELLE AN

OBERSTER RICHTER
Ayatollah Sadegh Larijani
[C/o] Public relations Office
Number 4, 2 Azizi Street
Vali Asr Ave., above Pasteur Street intersection
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: bia_judi@yahoo.com (Betreff: FAO Ayatollah Sadegh Larijani)

PARLAMENTSSPRECHER
His Excellency Ali Larijani
Majles-e Shoura-ye Eslami
Baharestan Square
Tehran, IRAN
(korrekte Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
Fax: (00 98) 21 3355 6408


KOPIEN AN

LEITER DER IRANISCHEN BEHÖRDE FÜR MENSCHENRECHTE
Mohammad Javad Larijani
High Council for Human Rights
[C/o] Office of the Head of the Judiciary
Pasteur St., Vali Asr Ave.,
south of Serah-e Jomhouri,
Tehran 1316814737, IRAN
E-Mail: info@humanrights-iran.ir (Betreff: FAO Mohammad Javad Larijani)

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK IRAN
S.E. Herrn Alireza Sheikh Attar
Podbielskiallee 65-67, 14195 Berlin
Fax: 030-8435 3535
E-Mail: iran.botschaft@t-online.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Persisch, Arabisch, Englisch, Französisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 9. November 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Call on the Iranian authorities to release Mir Hossein Mousavi, Mehdi Karroubi and Zahra Rahnavard without delay as they are being arbitrarily deprived of their liberty.

- Call on the authorities to ensure in the meantime that they are granted immediate and regular access to their family, a lawyer of their choice and all necessary medical care.

- Urge the authorities to remove unlawful restrictions on freedoms of expression, association and assembly.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN (FORTSETZUNG)

Im Vorfeld der von Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi initiierten Demonstrationen schränkten die Behörden das Recht auf freie Meinungsäußerung in drastischer Weise ein. So wurde das Recht, Informationen zu erhalten und weiterzugeben, beschnitten, indem Telefongespräche sowie der Austausch von SMS-Nachrichten unterbunden und der Zugang zu ausländischen Medien, verschiedenen Internetseiten und den Seiten gesellschaftsrelevanter Medien gesperrt wurde. Gegen Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi erging Hausarrest. Am 10. Februar 2011 umstellten PolizistInnen die Wohnung von Mehdi Karroubi. Seine Söhne berichteten, sie hätten versucht, ihren Vater dort zu besuchen, seien jedoch von der Polizei nicht ins Haus gelassen worden. Ali Karroubi, einer der Söhne, wurde festgenommen und Mitte März 2011 gegen Kaution wieder auf freien Fuß gesetzt. Am 14. Februar wollten Mir Hossein Mussawi und seine Ehefrau an der Demonstration in Teheran teilnehmen, wurden allerdings beide am Verlassen ihres Hauses gehindert. Die Kommunikationswege zu beiden Häusern wurden gekappt. Im Vorfeld der Demonstration nahmen die Behörden JournalistInnen und politische AktivistInnen in Haft, um auch sie von der Teilnahme an den Protestveranstaltungen abzuhalten (siehe Iran: Several Arrested Before Iran Protest (Index: MDE 13/020/2011), 18. Februar 2011,
http://www.amnesty.org/en/library/info/MDE13/020/2011/en)

Am 14. Februar gingen in verschiedenen iranischen Städten Tausende Menschen auf die Straße. Die weitgehend friedlichen Demonstrationen wurden von den Sicherheitskräften in zunehmend gewaltsamer Weise aufgelöst und dabei vermutlich bis zu 1.500 Personen festgenommen. Darüber hinaus gab es zahlreiche Verwundete und zwei Tote. Am 15. Februar 2011 unterzeichneten über 220 ParlamentarierInnen eine Stellungnahme, die im iranischen Parlament verlesen wurde und in der gefordert wird, dass Mehdi Karroubi und Mir Hossein Mussawi vor Gericht gestellt und mit der "Höchststrafe" bestraft werden. Dabei riefen einige Parlamentarier Parolen wie "Mussawi, Karroubi und (der frühere Präsident) müssen sterben!" und "Richtet Mussawi und Karroubi hin!". Am 18. Februar verlangte Ajatollah Jannati bei seiner Freitagspredigt in Teheran, beide Männer unter Hausarrest zu stellen. Er erklärte: "Die Justiz muss sämtliche Kontakte zwischen dem Volk und den treibenden Kräften des Aufruhrs (Mir Hossein Mussawiund Mehdi Karroubi) unterbinden. Ihre Wohnungen bleiben abgeriegelt und die Telefonleitungen gesperrt. Auch ihr Internetzugang muss gesperrt werden, damit sie keine Nachrichten versenden und empfangen können. Sie müssen in ihren eigenen Wohnungen inhaftiert bleiben." Am 20. Februar 2011 gingen in Teheran, Isfahan, Schiraz, Mashhad, Babol und anderen Städten Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen auf die Straße, um der beiden am 14. Februar 2011 getöteten Demonstranten zu gedenken. Der Student Hamed Nour Mohammadi war gestorben, nachdem man ihn in Schiraz von einer Brücke gestoßen hatte. Mehrere andere Menschen wurden festgenommen (siehe UA-031/2011).


*


Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-049/2011-1, AI-Index: MDE 13/086/2011, Datum: 29. Sept. 2011 - gs/ns
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Postfach - 53108 Bonn
Heerstr. 178, 53111 Bonn
Telefon:+ 49 228 98373-0, Fax: +49 228 630036
E-Mail: ua-de@amnesty.de; info@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de/ua; www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2011