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AKTION/827: Urgent Action - USA - Drohende Todesstrafe


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-154/2011-1, AI-Index: AMR 51/086/2011, Datum: 17. Oktober 2011 - ns

USA
Drohende Todesstrafe

Weitere Informationen zu UA-154/2011 (AMR 51/046/2011, 26. Mai 2011)


'ABD AL RAHIM HUSSAYN MUHAMMED AL NASHIRI, saudi-arabischer Staatsbürger

Die Todesstrafe wurde als ein mögliches Strafmaß im bevorstehenden Prozess gegen den saudi-arabischen Staatsbürger 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri, der sich in Guantánamo Bay in Haft befindet, bestätigt. Er soll demnächst vor eine Militärkommission gestellt werden. Prozesse vor Militärkommissionen entsprechen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren. Der saudi-arabische Staatsbürger 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri befindet sich seit rund neun Jahren in Gewahrsam der US-amerikanischen Behörden. Er wurde im Oktober 2002 in Dubai, der Hauptstadt der Vereinigten Arabischen Emirate, von den dortigen Sicherheitskräften festgenommen. Einen Monat später übergab man ihn an die US-Behörden und er wurde fast vier Jahre lang in Einrichtungen des US-Geheimdienstes CIA an unbekannten Orten in Haft gehalten. 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri wurde während dieser Zeit Opfer des Verschwindenlassens und war Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt. Im September 2006 wurde er schließlich in das Gefangenenlager der Guantánamo Bay Naval Base in Kuba überstellt, wo er sich nach wie vor in Haft befindet.

Am 20. April 2011 erklärte das Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten, 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri sei gemäß des Gesetzes über Militärkommissionen (Military Commissions Act - MCA) von 2009 wegen "Mordes unter Verstoß gegen das Kriegsrecht" und "Terrorismus" angeklagt worden. Ihm wird zur Last gelegt, dass er eine führende Rolle bei dem Anschlag auf das Kriegsschiff USS Cole am 12. Oktober 2000 im Jemen gehabt haben soll, bei dem 17 US-MarinesoldatInnen getötet und 40 weitere verletzt wurden. Er soll weiterhin in den Anschlang auf den französischen Öltanker MV Limburg im Golf von Aden am 6. Oktober 2002 verwickelt gewesen sein, bei dem ein Besatzungsmitglied ums Leben kam.

Die Staatsanwaltschaft hat für die Todesstrafe als ein mögliches Strafmaß plädiert. Diesem Wunsch wurde am 28. September durch den Vertreter der zuständigen Behörde für Militärkommissionen (Convening Authority), den pensionierten Marine-Vizeadmiral Bruce MacDonald, nachgekommen. Er bezeichnete die 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri vorgeworfenen Straftaten als Kapitalverbrechen, die vor Gericht dementsprechend verhandelt werden müssen. 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiris Anhörung, bei der die ihm vorgeworfenen Anklagepunkte wahrscheinlich verlesen werden und er dazu Stellung beziehen kann, wurde auf den 9. November in Guantánamo festgelegt. Für das Gerichtsverfahren selbst wurde noch kein Termin festgesetzt.

Amnesty International lehnt die Todesstrafe bedingungslos ab. In internationalen Menschenrechtsnormen wird zwar anerkannt, dass manche Staaten die Todesstrafe beibehalten, aber die Verhängung und Vollstreckung eines Todesurteils sind jedoch verboten, sofern bei dem vorherigen Prozess nicht höchste Standards für faire Verfahren berücksichtigt werden. Die US-Militärkommissionen werden internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren nicht gerecht. Die Verhängung eines Todesurteils bei Verfahren vor einer Militärkommission verstößt demnach gegen das Völkerrecht.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Obwohl bereits einige Monate nach seiner Festnahme im Jahr 2002 eine Anklage bei einem US-Bundesgericht gegen 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri vorlag, wurde er weder umgehend einer Justizbehörde zugeführt noch unverzüglich vor Gericht gestellt, wie es das Völkerrecht vorschreibt. Stattdessen wurde er in geheimer Haft gehalten, bis man ihn im Jahr 2006 nach Guantánamo verlegte. Während seiner Haft in Einrichtungen der CIA war er Folterungen wie etwa dem "Waterboarding", bei dem der Vorgang des Ertrinkens simuliert wird, sowie anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt. Öffentlich zugänglichen Informationen zufolge wurde 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri Opfer von Fesselungen und dem sogenannten Hooding, d.h. dem Überstülpen einer undurchsichtigen Kapuze über den Kopf des Gefangenen. Er wurde außerdem gezwungen, sich vollständig zu entkleiden. Eine Reihe weiterer "nicht autorisierter" Methoden wurden gegen ihn angewandt. Dazu gehören beispielsweise das Bedrohen mit einer Handfeuerwaffe oder einer Bohrmaschine, das Einnehmen "potenziell zu Verletzung führender und Stress auslösender Positionen" sowie die Misshandlung mit "einer festen Bürste [Badeutensil], die Schmerz erzeugen sollte" und "das Stehen auf den Fesseln von 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri, was zu Einschnitten und Blutergüssen führte". Er wurde fast vier Jahre lang ohne Kontakt zur Außenwelt in geheimer Einzelhaft gehalten. Niemand ist bislang vor Gericht gestellt worden für die Menschenrechtsverletzungen, zu denen auch nach dem Völkerrecht verbotene Praktiken wie Folter und Verschwindenlassen zählen, an 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri und anderen im Rahmen des CIA-Geheimprogramms Inhaftierten.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich möchte meine Sorge darüber ausdrücken, dass die 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri vorgeworfenen Anlagepunkte vor Gericht als Kapitalverbrechen behandelt werden sollen.

- Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass die Verhängung der Todesstrafe gemäß Völkerrecht verboten ist, wenn das Gerichtsverfahren nicht höchsten internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren genügt. Die Militärkommissionen werden diesen Standards jedoch nicht gerecht.

- Ich fordere Sie höflich dazu auf, den Fall vor einem US-Bezirksgericht und nicht vor der Militärkommission zu verhandeln und bei dem Strafmaß für 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri die Todesstrafe auszuschließen, egal vor welchem Gericht der Fall verhandelt wird.

- Ich möchte weiterhin meine tiefe Besorgnis darüber zum Ausdruck bringen, dass die USA im Fall von 'Abd al Rahim Hussayn Muhammed al Nashiri in den letzten neun Jahren internationale Menschenrechtsnormen missachtet haben und weise nun um so mehr auf die Notwendigkeit hin, solche Menschenrechtsstandards bedingungslos einzuhalten.


APPELLE AN

PRÄDISENT
President Barrack Obama
The White House, 1600 Pennsylvania
Avenue NW
Washington, DC 20500, USA
(korrekte Anrede: Dear Mr President / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 1) 202 456 2461
E-Mail: über die Website http://www.whitehouse.gov/contact/

VERTEIDIGUNGSMINISTER
The Honorable Leon Panetta
Secretary of Defense
1000 Defense Pentagon
Washington, DC 20301-1000, USA
(korrekte Anrede: Dear Secretary of Defence / Sehr geehrter Herr Verteidigungsminister)
Fax: (00 1) 703 571 8951


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN STAATEN VON AMERIKA
S.E. Herrn Philip Dunton Murphy
Pariser Platz 2
10117 Berlin
Fax: 030 8305 1050
E-Mail: über die Website http://germany.usembassy.de/email/feedback.htm


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 28. November 2011 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Express concern that the charges against 'Abd al Rahim al Nashiri have been referred on for trial as capital.

- Point out that international law prohibits the death penalty based on any trial that has not met the highest standards of fairness, and arguing that the military commission trials do not meet such standards.

- Urge that the military commissions be abandoned in favour of trials in US District Court and that pursuit of the death penalty be dropped in any case, whatever the trial forum.

- Condemn the USA's failure to respect international human rights law in the case of 'Abd al Rahim al Nashiri over the past nine years, heightening the need for rigorous respect for human rights principles now.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Im Jahr 2008 ordnete die Regierung unter George W. Bush an, dass die Anklagen gegen 'Abd al Rahim al Nashiri vor einer Militärkommission verhandelt werden sollten. Nachdem Präsident Barack Obama ins Amt gewählt wurde und eine Überprüfung der Guantánamo-Fälle angeordnet hatte, wurden die Anklagepunkte gegen 'Abd al Rahim al Nashiri fallen gelassen. Im November 2009 verkündete der Generalstaatsanwalt der USA, dass der Fall wieder an das Verteidigungsministerium übergeben worden sei und vor einer Militärkommission verhandelt werden solle. Die Vereinigten Staaten von Amerika reagierten auf die Anschläge vom 11. September mit der Einführung von allgemeinen "Kriegs"-Richtlinien, laut denen die internationalen Menschenrechtsnormen im Rahmen des Kriegsrechts nicht eingehalten werden müssen. Das Ergebnis war die Anwendung von Folter und anderen Misshandlungen, geheime Verlegungen von Gefangenen, unbefristete Inhaftierungen außerhalb des Strafrechtssystems sowie unfaire Gerichtsverfahren vor der Militärkommission. Dies ist bereits die dritte Version des Systems der Militärkommissionen, seit Präsident Bush es im November 2001 durch eine 'Verfügung des Präsidenten' eingeführt hatte (siehe USA: Trials in error: Third go at misconceived military commission experiment, 16. Juli 2009,
http://www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/083/2009/en).

Die Kommissionen entsprechen jedoch immer noch nicht den internationalen Standards. Sie weisen mehrere Schwachstellen sowohl in der inhaltlichen Arbeit als auch in ihrem Auftritt auf, wie beispielsweise die mangelnde Unabhängigkeit von den politischen Abteilungen der Regierung, die Menschenrechtsverletzungen genau gegenüber den Gefangenen, die ihnen vorgeführt werden, genehmigt, entschuldigt und sowohl die Haftung als auch die Entschädigung verhindert haben. Die Militärkommissionen sind aus politischen Erwägungen heraus entstanden und sind keine Gerichte, die auf einer eindeutig legitimen Notwendigkeit beruhen. Die Einschaltung der Kommissionen in derartigen Fällen widerspricht den internationalen Standards. Darüber hinaus sind die Militärkommissionen eine diskriminierende Einrichtung. Wenn einer der angeklagten Gefangenen in Guantánamo US-amerikanischer Staatsbürger wäre, dürfte er nicht vor eine Militärkommission gestellt werden. Unter dem amerikanischen Gesetz hat jeder US-Amerikaner das Recht auf ein Geschworenenverfahren vor einem ordentlichen Bundesgericht und nicht vor einem Ausschuss bestehend aus Militäroffizieren, die nach Richtlinien und Verfahren vorgehen, die einen niedrigeren Standard für Fairness ansetzen. Der Standard für einen fairen Prozess sollte für alle Menschen gleichermaßen angewendet werden, ungeachtet ihrer Nationalität. Dies ist eines der grundlegendsten Prinzipien der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.

Der UN-Menschenrechtsausschuss, gegründet durch den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) zur Überprüfung und Umsetzung des Paktes, hat besonders hervorgehoben, dass die Gewährleistung eines fairen Prozesses insbesondere in Fällen, die mit der Todesstrafe geahndet werden können, eine wichtige Rolle spielt und dass "die Verhängung der Todesstrafe am Ende eines Gerichtsverfahrens, in dem die Bestimmungen aus Artikel 14 des Paktes nicht eingehalten wurden, eine Verletzung des Rechts auf Leben darstellt (Art. 6 IPBPR)". Im Jahr 2007 rief der UN-Sonderberichterstatter über die Förderung und den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten bei der Bekämpfung des Terrorismus die USA dazu auf, die Militärkommissionen abzuschaffen. Im Jahr 2009 drängte der UN-Sonderberichterstatter für außergerichtliche, im Schnellverfahren durchgeführte oder willkürliche Hinrichtungen die Vereinigten Staaten von Amerika dazu, Kapitalverbrechen künftig nicht mehr vor Militärkommissionen zu verhandeln.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-154/2011-1, AI-Index: AMR 51/086/2011, Datum: 17. Oktober 2011 - ns
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2011