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AKTION/925: Urgent Action - Pakistan - Mann wegen Blasphemie zum Tode verurteilt


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-041/2012, AI-Index: ASA 33/001/2012, Datum: 10. Februar 2012 - we

Pakistan
Mann wegen Blasphemie zum Tode verurteilt


Herr Muhammad Ishaq

Der im US-Bundesstaat New York lebende Pakistaner Muhammad Ishaq wurde bei einem Besuch in seinem Heimatland wegen Blasphemie zum Tode verurteilt.

Ein Gericht in der Provinz Punjab hat das Todesurteil bestätigt, das im Juli 2009 gegen Muhammad Ishaq verhängt worden war. Das Urteil erging durch ein Gericht in Talagang, der Heimatstadt von Muhammad Ishaq, wegen Beleidigung des Propheten Mohammed (Artikel 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuches). Darüber hinaus wurde er zu zehn Jahren Haft und einer Geldstrafe von 200.000 Rupien verurteilt. Sein Rechtsbeistand will nun beim Obersten Gerichtshof (High Court) in Lahore Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einlegen.

Muhammad Ishaq lebt seit etwa 30 Jahren in den USA, ist jedoch ein Schirmherr des Sufi-Schreins Pir Faisal Shah in Talagang. Bei einem Besuch in der pakistanischen Stadt wurde er von einem Mann, der nur unter dem Namen Asadullah bekannt ist, beschuldigt, sich als Gesandter Gottes auszugeben und BürgerInnen von Talagang dazu zu bringen, ihn anzubeten. Muhammad Ishaq wurde sofort von der dortigen Polizei festgenommen.

Ein leitender Polizeibeamter aus Talagang, der den Fall untersucht hat, weigerte sich, den Vorwürfen weiter nachzugehen. Er gab an, er müsse die kommunale Harmonie in der Stadt wahren. Der Fall kam daraufhin vor das Bezirksgericht in Chakwal. Aus Angst, der Urteilsspruch könne zu Gewalthandlungen in der Region führen, wurde der Fall jedoch schließlich einem Gericht im benachbarten Bezirk Jhelum übergeben. Dort wurde Muhammad Ishaq der Blasphemie schuldig gesprochen. Gerichte verschiedener Instanzen, bis hin zum Obersten Gerichtshof, lehnten eine Freilassung gegen Kaution ab, so dass Muhammad Ishaq sich seit Erhebung der Anschuldigen vor drei Jahren in Haft befindet.

Muhammad Ishaq bestreitet die Vorwürfe der Blasphemie. Er gibt an, seine AnhängerInnen weder aufgefordert zu haben, ihn anzubeten, noch habe er behauptet, ein Gesandter Gottes zu sein. Es ist ein Video aufgetaucht, auf dem zu sehen ist, wie BürgerInnen der Stadt seine Füße berühren. Dies ist ein üblicher Brauch in weiten Teilen Pakistans und unter AnhängerInnen des Sufismus, um Respekt zum Ausdruck zu bringen. Muhammad Ishaq glaubt, Angehörige einer verfeindeten Gruppierung haben die Anschuldigen erhoben, um so die Kontrolle über den Pir Faisal Shah-Schrein zu erlangen.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Blasphemiegesetze Pakistans wurden erstmals während der britischen Herrschaft im 19. Jahrhundert eingeführt. Eine Änderung der Gesetze durch das Militärregime unter General Zia ul Haq 1982 und 1986 machten die Schändung des Korans und die Beleidigung des Propheten Muhammads zu Straftaten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe beziehungsweise Todesstrafe geahndet werden. Die Gesetze sind vage formuliert und werden willkürlich von Polizei und Justiz ausgelegt. AnhängerInnen religiöser Minderheiten werden unverhältnismäßig oft der Blasphemie beschuldigt, der Großteil der Opfer gehört jedoch der muslimischen Mehrheit an. Dies zeigt, welche Gefahr diese Gesetze für alle Angehörigen der pakistanischen Gesellschaft und die Rechtsstaatlichkeit bedeuten.

Vorwürfe, die auf Grundlage der Blasphemiegesetze gegen Einzelpersonen erhoben werden, gründen oft auf deren Zugehörigkeit zu einer religiösen Minderheit oder sind unbegründete Anschuldigungen, die aus persönlicher Feindschaft hervorgehen. Meist zielen sie auf die Inhaftierung der Beschuldigten ab, um so einen wirtschaftlichen Vorteil oder einen Vorteil bei Landstreitigkeiten zu erlangen. Die Polizei nimmt vielfach Vorwürfe weder auf noch leitet sie Untersuchungen ein. Zudem verlaufen die Verfahren nicht entsprechend den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren, weil die RichterInnen voreingenommen gegen religiöse Minderheiten entscheiden. Zahlreiche Menschen, die der Blasphemie verdächtigt oder beschuldigt wurden, hat man tätlich angegriffen, misshandelt oder gefoltert. Einige wegen Gotteslästerung inhaftierte Personen wurden von MitinsassInnen oder GefängniswärterInnen getötet. Andere, die der Blasphemie verdächtigt, aber nicht in Haft genommen wurden, sind gelyncht worden, ohne dass die Polizei etwas zu ihrem Schutz unternommen hatte. Wegen dieser Vorfälle forderte der pakistanische Rat für islamische Ideologie, ein Verfassungsorgan, das den Staat bei den Islam betreffenden Themen berät, 2010 eine Reform der Blasphemiegesetze. Die Regierung hatte 2009 zugesichert, alle Gesetze, die "sich nachteilig auf die religiöse Harmonie" auswirken, wie die Blasphemiegesetze, zu überprüfen. Nach der Ermordung des Gouverneurs von Punjab, Salmaan Taseer, im Januar 2011 und des Minderheitenministers Shahbaz Bhatti im März 2011 wurde in dieser Hinsicht jedoch nichts mehr unternommen. Die Männer waren unter anderem wegen ihrer Kritik an den Blasphemiegesetzen getötet worden.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Ich fordere Sie dringend auf, die Hinrichtung von Muhammad Ishaq zu verhindern.

- Lassen Sie Muhammad Ishaq bitte umgehend frei oder klagen Sie ihn einer als Straftat anerkannten Handlung an und stellen Sie ihn gemäß internationalen Menschenrechtsstandards vor Gericht.

- Ich fordere Sie weiterhin auf, die im August 2009 von Premierminister Gilani angekündigte Überprüfung und Verbesserung aller Gesetze, die "sich nachteilig auf die religiöse Harmonie" auswirken, durchzuführen und die Blasphemiegesetze zu überarbeiten oder abzuschaffen.

- Ich appelliere eindringlich an Sie, ein Hinrichtungsmoratorium zu verfügen mit dem Ziel, die Todesstrafe abzuschaffen.


APPELLE AN

PRÄSIDENT
Mr Asif Ali Zardari
Pakistan Secretariat, Islamabad
PAKISTAN
(korrekte Anrede: Dear President Zardari / Sehr geehrter Herr Präsident)
Fax: (00 92) 51 920 4974
E-Mail: publicmail@president.gov.pk

MINISTERPRÄSIDENT VON PUNJAB
Mian Mohammad Shahbaz Sharif
Chief Minister Punjab, Chief Minister's Office
7, Club Road, GOR I
Lahore, PAKISTAN
(korrekte Anrede: Dear Chief Minister Sharif / Sehr geehrter Herr Ministerpräsident)
Fax: (00 92) 42 9920 5065

JUSTIZMINISTER
Rana Sanaullah
3 Patiala House GOR 1
PAKISTAN
(korrekte Anrede: Dear Minister Sanaullah / Sehr geehrter Herr Justizminister)
Fax: (00 92) 42 9920 1064


KOPIEN AN

BOTSCHAFT DER ISLAMISCHEN REPUBLIK PAKISTAN
Herrn Mazhar Javed
Geschäftsträger a.i., Gesandter
Schaperstr. 29
10719 Berlin
Fax: 030-2124 4210
E-Mail: mail@pakemb.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Urdu, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 22. März 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Calling on President Zardari to ensure immediately that Muhammad Ishaq is not executed.

- Calling on the authorities to release Muhammad Ishaq immediately, or else charge him with a recognizably criminal offence and try him in accordance with international human rights standards.

- Urging Pakistani authorities to fulfil the pledge to review and improve "laws detrimental to religious harmony", announced by Prime Minister Gilani in August 2009, and reform or abolish the blasphemy laws.

- Calling for an immediate moratorium on all executions in the country, with a view to eventual abolition of the death penalty.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN - FORTSETZUNG

Für eine "Beleidigung" des Propheten Mohammed ist laut Artikel 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuches die Todesstrafe oder eine lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen. Das Bundesschariagericht, dessen Aufgabe unter anderem die Überprüfung von Gesetzen auf Konformität mit der islamischen Lehre ist, befand 1990, dass Blasphemie mit dem Tode, nicht mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe bestraft werden soll. Die Regierung legte Rechtsmittel ein, die 1991 aber wieder fallengelassen wurden. Menschen, die nach Artikel 295-C schuldig gesprochen werden, werden seitdem immer zum Tode verurteilt, bisher wurde jedoch noch niemand hingerichtet.

In Artikel 18 und 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ist festgelegt, dass jeder das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung hat. In internationalen Menschenrechtsabkommen ist vorgesehen, dass jeder bei der Ausübung seiner Rechte und Freiheiten nur den Beschränkungen unterworfen ist, die das Gesetz vorschreibt und die notwendig und angemessen sind, um unter anderem die Anerkennung und Achtung der Rechte und Freiheiten anderer zu sichern.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-041/2012, AI-Index: ASA 33/001/2012, Datum: 10. Februar 2012 - we
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Februar 2012