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AKTION/938: Urgent Action - Mexiko - MenschenrechtlerInnen schikaniert


ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-054/2012, AI-Index: AMR 41/009/2012, Datum: 17. Februar 2012 - ar

Mexiko
MenschenrechtlerInnen schikaniert


BESCHÄFTIGTE DES MENSCHENRECHTSZENTRUMS JUAN GERARDI

Das Menschenrechtszentrum Centro de Derechos Humanos Juan Gerardi in Torreón im nordöstlichen mexikanischen Bundesstaat Coahuila ist von Angehörigen der Streit- und Sicherheitskräfte durchsucht worden. Es steht zu befürchten, dass den dort beschäftigten MenschenrechtsverteidigerInnen noch weitere Schikanen bevorstehen. Am Abend des 9. Februar fuhren etwa fünf Wagen mit Angehörigen der Streitkräfte sowie der nationalen und bundesstaatlichen Polizei vor dem Menschenrechtszentrum Centro de Derechos Humanos Juan Gerardi in der Gemeinde San Judas Tadeo vor. Bei dem Zentrum handelt es sich um eine katholische Menschenrechtsorganisation, deren Räumlichkeiten sich in einer Kirche befinden. Die Sicherheitskräfte betraten die Büroräume ohne Durchsuchungsbefehl und stellten zwei MitarbeiterInnen des Zentrums Fragen über ihre Tätigkeit. Die MenschenrechtlerInnen beantworteten die Fragen und baten um eine Erklärung für die Razzia, woraufhin die Sicherheitskräfte erwiderten, sie hätten einen anonymen Hinweis bekommen, dass sich in dem Gebäude Drogen befänden.

Als die Sicherheitskräfte die Terrasse durchsuchen wollten, sagte einer der Beschäftigten, sie bräuchten dazu eine Erlaubnis. Daraufhin erwiderte ein Soldat: "Glauben Sie wirklich, dass wir um Erlaubnis fragen müssen..." ("Imagínese que andemos pidiendo permiso."). Die SoldatInnen und PolizistInnen führten die Razzia fort und befragten die MitarbeiterInnen. Sie wollten wissen, ob sich unter ihnen ein Anwalt befinde und weshalb ein Menschenrechtszentrum in einer katholischen Kirche untergebracht sei. Die BeamtInnen konnten bei der Durchsuchung nichts finden. Als sie das Zentrum verließen, sahen die MenschenrechtsverteidigerInnen, dass sich vor dem Gebäude Dutzende SoldatInnen und PolizistInnen aufhielten.

Das Centro de Derechos Humanos Juan Gerardi hat offiziell Anzeige bei der Generalstaatsanwaltschaft (Procuraduría General de la República - PGR) und der Staatsanwaltschaft des Bundesstaates (Fiscalía del Estado de Coahuila) erstattet. Das Zentrum hat außerdem die Verfügung von Schutzmaßnahmen durch die Nationale Menschenrechtskommission (Comisión Nacional de los Derechos Humanos de México - CNDH) und die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (Comisión Interamericana de Derechos Humanos - CIDH) gefordert. Ein Angehöriger des Militärs räumte gegenüber VertreterInnen des Menschenrechtszentrum ein, dass es sich bei der Razzia um einen Irrtum gehandelt habe, erklärte dies jedoch nicht genauer und sagte auch nicht, weshalb die Durchsuchung stattgefunden hatte. Amnesty International ist der Ansicht, dass mit der Razzia die MitarbeiterInnen des Zentrums wegen ihrer Arbeit für die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen drangsaliert werden sollten. Die Organisation befürchtet, dass die MenschenrechtlerInnen mit weiteren Schikanen zu rechnen haben.


HINTERGRUNDINFORMATIONEN

Die Menschenrechtsorganisation Centro de Derechos Humanos Juan Gerardi ist in einer katholischen Kirche untergebracht und stark in die katholische Gemeinde integriert. Das Zentrum bietet Opfern von Menschenrechtsverletzungen Unterstützung an. Dabei operiert es unabhängig von der Glaubensrichtung der Betroffenen und kümmert sich unter anderem um Frauen, MigrantInnen und Angehörige von Personen, die "verschwunden" sind oder verschleppt wurden. In Torreón werden besonders viele Auseinandersetzungen zwischen Drogenkartellen ausgetragen; in der Folge sind dort sehr viele Sicherheits- und Streitkräfte stationiert und eine große Zahl von Tötungen, Entführungen, Inhaftierungen und Razzien zu verzeichnen. Opfer von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen finden kaum Unterstützung. Angesichts der unsicheren Lage und der herrschenden Gewalt nimmt das Menschenrechtszentrum eine wichtige Funktion ein; seinen MitarbeiterInnen drohen dadurch jedoch Repressalien.


EMPFOHLENE AKTIONEN

SCHREIBEN SIE BITTE E-MAILS, FAXE ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

- Sorgen Sie bitte für den Schutz der MitarbeiterInnen des Centro de Derechos Humanos Juan Gerardi. Leiten Sie dazu die von dem Zentrum geforderten Schutzmaßnahmen in die Wege.

- Ich fordere Sie auf, die Zivilbehörden umgehend mit einer umfassenden und unparteiischen Untersuchung der Razzia und der ihr zugrundeliegenden Umstände zu betrauen. Stellen Sie bitte sicher, dass Durchsuchungen von Räumlichkeiten nur mit rechtmäßigem Durchsuchungsbefehl vorgenommen werden.

- Ich möchte Sie an Ihre Verpflichtung erinnern, die Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen zu respektieren, damit sie ihrer Tätigkeit ohne Behinderung oder Angst vor Vergeltungsmaßnahmen nachgehen können.


APPELLE AN

GENERALSTAATSANWÄLTIN
Marisela Morales Ibáñez
Av. Paseo de la Reforma 211-213
Col. Cuauhtémoc
Del. Cuauhtémoc
México D.F., C.P. 06500
MEXIKO
(korrekte Anrede: Estimada Señora Procuradora General / Sehr geehrte Generalstaatsanwältin / Dear Attorney General)
Fax: (00 52) 555 346 0908
E-Mail: mmoralesi@pgr.gob.mx

GOUVERNEUR DES BUNDESSTAATES COAHUILA
Jorge Torres López
Gobernador del Estado de Coahuila
Palacio de Gobierno, 1er. Piso Juárez e Hidalgo s/n
Saltillo, C.P. 25000
Coahuila
MEXIKO
(korrekte Anrede: Estimado Señor Gobernador / Sehr geehrter Herr Gouverneur / Dear Governor)
Fax: (00 52) 844 411 8558
E-Mail: s.particular@coahuila.gob.mx


KOPIEN AN

MENSCHENRECHTSORGANISATION
Juan Gerardi Human Rights Centre
E-Mail: dhgerardi-dirrecion@yahoo.com.mx
BOTSCHAFT DER VEREINIGTEN MEXIKANISCHEN STAATEN
S.E. Herrn Francisco N. González Díaz
Klingelhöferstraße 3
10785 Berlin
Fax: 030-26 93 23-700
E-Mail: mail@mexale.de


Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Spanisch, Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 30. März 2012 keine Appelle mehr zu verschicken.


PLEASE WRITE IMMEDIATELY

- Urge the authorities to guarantee the safety of the staff of Juan Gerardi Human Rights Centre and implement protection measures requested by the centre.

- Demand that the civilian authorities carry out a full, prompt and impartial investigation into the raid and the circumstances which led to it and ensure that property searches are carried out on the basis of legally obtained search warrants.

- Call on the authorities to ensure that human rights defenders are able to carry out their legitimate activities without fear of reprisals.


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Quelle:
ai - URGENT ACTION
UA-Nr: UA-054/2012, AI-Index: AMR 41/009/2012, Datum: 17. Februar 2012 - ar
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2012