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ASIEN/208: Die uighurische Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer (ai journal)


amnesty journal 9/2007 - Das Magazin für die Menschenrechte

Ein bewegtes Leben
In "Die Himmelsstürmerin" erzählt die uighurische Menschenrechtsverteidigerin Rebiya Kadeer von ihrem Kampf mit der chinesischen Staatsführung.

Von Dirk Pleiter


Als Rebiya Kadeer im März 2000 von einem chinesischen Gericht zu acht Jahren Haft wegen Weitergabe von Staatsgeheimnissen verurteilt wurde, kannte im Ausland kaum jemand ihren Namen. In ihrer uighurischen Heimat galt sie hingegen schon damals als eine der einflussreichsten Frauen. Nach ihrer Inhaftierung wurde ihr Schicksal auch außerhalb Chinas bekannt. Ihr in den USA lebender Mann, Menschenrechtsorganisationen wie amnesty international und verschiedene Regierungen setzten sich intensiv für ihre Freilassung ein. Nun hat Kadeer zusammen mit der Journalistin Alexandra Cavelius eine Autobiografie verfasst.

In "Die Himmelsstürmerin" erzählt die 1948 geborene Frau von ihrem wechselhaften Leben. Wie bei vielen anderen Bewohnern der Volksrepublik China ist ihr Lebenslauf stark von den gesellschaftlichen und politischen Umbrüchen geprägt, die das Land in den vergangenen sechs Jahrzehnten erlebt hat. Kadeer wurde ein Jahr vor Gründung der Volksrepublik China geboren. Kurz darauf begann die neue kommunistische Regierung, ihre Macht auch in den äußeren Regionen des Landes zu festigen. 1955 wurde die so genannte Autonome Region Xinjiang, wo die überwiegend muslimisch-gläubigen Uighuren leben, gegründet. Schon im Jahr darauf mussten Kadeer und ihre Familie erleben, wie repressiv das neue Regime war, als sie zum ersten Mal aus ihrem Heimatort vertrieben wurden.

Detailliert beschreibt Kadeer das weitere Schicksal der Familie in den folgenden Jahren und die Schrecken der Kulturrevolution. Nach dem Tod von Mao Zedong 1976 nutzte Kadeer die Chancen der unter Deng Xiaoping eingeleiteten Politik der wirtschaftlichen Reformen und wurde eine der erfolgreichsten Geschäftsfrauen Chinas. Mit dem wirtschaftlichen Erfolg gewann sie auch politischen Einfluss, den sie für die Anliegen der Uighuren zu nutzen versuchte. Damit begann jedoch eine der schwierigsten Phasen ihres Lebens, die mit ihrer Inhaftierung endete. Nicht zuletzt wegen des internationalen Drucks wurde Kadeer im März 2005 vorzeitig freigelassen und in die USA abgeschoben.

Dort begann sie umgehend, ihren Einsatz für die Uighuren fortzusetzen. Ende 2006 setzte sie sich über massive Drohungen gegen ihre noch in China lebenden Kinder hinweg und ließ sich zur Präsidentin des Weltkongresses der Uighuren wählen.

Kadeer hatte in ihrem Leben viele herausfordernde Rollen inne: Sie war eine erfolgreiche Geschäftsfrau und gehörte zu den reichsten Frauen der Volksrepublik China. Als Politikerin wurde sie Abgeordnete des Nationalen Volkskongresses, als Aktivistin kümmert sie sich bis heute um die sozialen Probleme der Uighuren und engagiert sich für die Rechte der Frauen. Erfolgreich setzt sie sich gegen traditionelle Geschlechterrollen ein und unterstützt andere Frauen, einen ähnlichen Weg zu gehen.

In ihren Bemühungen, auf das Schicksal der Uighuren aufmerksam zu machen, orientiert sich Kadeer an den Tibetern, die heute international viel Unterstützung erfahren. Als Delegierte der Volksrepublik China nahm sie 1995 an der Weltfrauenkonferenz der UNO teil und hörte dort erstmals die Berichte von aus dem Ausland angereisten Tibeterinnen, die offen über die Situation der Menschen in Tibet sprachen.

Die Repressionen der jüngeren Vergangenheit, wie die brutale Niederschlagung der Demonstrationen in Baren (1990) und in Gulya (1997), streift Kadeer in ihrer Autobiografie nur kurz. Dabei erhebt sie nicht den Anspruch, diese Ereignisse historisch genau aufzuarbeiten, sondern schildert ihre eigenen Erfahrungen. Der Leser erfährt nicht nur viel über die Geschichte der Volksrepublik China, sondern vor allem über die Situation der Uighuren, über die tägliche Repression und über die schrecklichen Bedingungen in den Gefängnissen Xinjiangs.

Der Autor ist China-Experte von amnesty international.

Rebiya Kadeer, Alexandra Cavelius
"Die Himmelsstürmerin", Heyne Verlag, 19,95 Euro


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Quelle:
amnesty journal, September 2007, S. 45
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2007