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ASIEN/226: Ehemalige "Trostfrauen" fordern von Japan eine Entschuldigung (ai journal)


amnesty journal 03/2008 - Das Magazin für die Menschenrechte

"Erst Gerechtigkeit wird mich heilen"
Seit Jahrzehnten fordern die ehemaligen "Trostfrauen" Won Ok Gil, Lola Menen Castillo und Ellen van der Ploeg von Japan eine Entschuldigung für die an ihnen begangenen Kriegsverbrechen. Auf Einladung von ai berichteten sie in Berlin von ihren Erfahrungen.

Interview: Ali Al-Nasani


FRAGE: Was erwarten Sie von Ihrem Besuch in Europa?

WON OK GIL: Wir sind gekommen, um über unsere Erlebnisse zu sprechen. Wir wurden unter japanischer Besatzung in die Prostitution gezwungen, und bis heute hat Japan seine Schuld nicht eingestanden. Von der Europäischen Union erhoffen wir uns Solidarität. Es wäre ein wichtiger Schritt, wenn das Europaparlament ähnlich wie der US-Kongress eine Resolution zugunsten der Trostfrauen verabschiedet.

LOLA MENEN CASTILLO: Wir waren damals sehr jung. Ich war 13 Jahre alt, als die Japaner kamen und mich mitnahmen. Ich wusste gar nicht, was mit mir passiert. Keine von uns Frauen steht gerne in der Öffentlichkeit. Doch wir müssen zeigen, dass in jedem Krieg Frauen die Hauptlast tragen. Ich hoffe, dass uns die EU hilft und auf Japan Druck ausübt, damit wir endlich eine Entschädigung für das erlittene Unrecht erhalten. Dafür wäre es auch sehr wichtig, dass Japan endlich die Archive über die Kriegsjahre öffnet.

ELLEN VAN DER PLOEG: Seit 62 Jahren warte ich auf eine Entschuldigung der Japaner. Was kann man nach so einer langen Zeit noch erwarten?

FRAGE: Welche Rolle kann Deutschland gegenüber Japan spielen?

WON OK GIL: Wir sind auch hierher gekommen, um die deutsche Position in dieser Frage zu erfahren. Das Land hat wegen des Krieges eine ähnliche Geschichte wie Japan und kann uns dabei beraten, wie man damit umgeht.

VAN DER PLOEG: Wir hatten hier in Berlin ein Treffen im Bundesaußenministerium, das uns sehr enttäuscht hat. Der zuständige Referent erklärte, dass sich Dinge in Japan sehr langsam verändern. Das wissen wir bereits. Er schien mehr Verständnis für Japan als für unser Anliegen zu haben. Die Japaner haben meinen Vater getötet und meinen Bruder verschleppt. Ich selbst wurde gezwungen, für sie in einem Bordell zu arbeiten. Sie nannten es Vergnügungshaus. Für uns war es die Hölle.

FRAGE: Welche Bedeutung hätte eine Entschuldigung?

VAN DER PLOEG: Es wäre eine grundlegende Änderung, denn bisher interessieren sich gerade die Älteren überhaupt nicht für die Aufarbeitung der Vergangenheit.

WON OK GIL: In den Schulbüchern wird das Thema der japanischen Kriegsverbrechen völlig ausgeblendet. Wie kann da die junge Generation aus den Fehlern der Vergangenheit lernen? Die Vergangenheit aber verschwindet nicht von allein, sondern erst dann, wenn sich Japan offiziell entschuldigt. Wir sind voller seelischer und körperlicher Wunden. Es ist ein Wunder, dass ich noch am Leben bin. Fünf Jahre habe ich unter den schlimmsten Umständen leben müssen. Erst Gerechtigkeit wird mich heilen.

VAN DER PLOEG: Die japanische Bevölkerung steht in dieser Beziehung hinter der Regierung. Und solange der Ministerpräsident immer noch jährlich an einen Schrein pilgert, um den dort begrabenen Kriegsverbrechern zu huldigen, wird sich daran auch nichts ändern.

FRAGE: Glauben Sie noch daran, dass sich die japanische Haltung jemals ändern wird?

VAN DER PLOEG: Ich habe die Hoffnung verloren. Aber dennoch werde ich weiterhin davon berichten, was uns widerfahren ist. Viele von uns trauen sich nicht, darüber zu sprechen. Aber ich werde den Kampf nicht aufgeben, denn ich liebe es zu kämpfen.

WON OK GIL: Japan muss nicht nur für uns seine Haltung ändern, sondern für die ganze Welt. Wir verlieren täglich mehr Zeit. Viele von uns sind schon gestorben. Doch wenn die Welt eine gemeinsame Position gegenüber Japan findet, dann wird man auch in Tokio erkennen, dass sich die Regierung ändern muss. Jeden Mittwoch demonstrieren wir vor der japanischen Botschaft in Korea. Ich wünsche mir sehr, dass sich Japan noch entschuldigt, solange ich noch lebe, und dass die Opfer und die Hinterbliebenen entschädigt werden. Bis dahin werde ich weiterhin junge Menschen über die Geschichte aufklären und ihnen die Fakten über die sexuelle Sklaverei, die koreanische Frauen unter der japanischen Besatzung erdulden mussten, erzählen.

LOLA MENEM CASTILLO: Ich weiß nicht, ob sich die feindliche Haltung Japans uns gegenüber jemals ändern wird. Vor der japanischen Botschaft in Den Haag ließ man uns im kalten Regen stehen. Ein Botschaftsangestellter beschimpfte uns. Aber wir werden weiterhin für unsere Rechte kämpfen, bis wir eine Entschuldigung bekommen. Jahrelang haben wir geschwiegen und uns geschämt. Doch inzwischen sprechen wir darüber. Ich bin Mitglied der philippinischen Organisation "Großmütter für Frieden und Entschädigung", und wir werden weiterhin vor der japanischen Botschaft in Manila demonstrieren.

VAN DER PLOEG: Bisher ist es in der Geschichte noch nicht vorgekommen, dass Kriegsopfer so lange warten mussten, um Gerechtigkeit zu erfahren. Unser Leben war voller Qualen und Schmerzen. Wir haben uns geschämt und uns versteckt. Doch wir möchten der Welt klar machen, dass Unrecht geschehen ist. In Japan glaubt man, dass sich alles von allein erledigt, wenn wir gestorben sind. Doch die Wahrheit muss einmal ausgesprochen werden.


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TROSTFRAUEN FÜR JAPANISCHE SOLDATEN

Im Vorfeld des EU-Japan-Gipfels bereisten auf Einladung von amnesty international Won Ok Gil (Korea), Lola Menen Castillo (Philippinen) und Ellen van der Ploeg (Niederlande) Europa, um von ihren Erlebnissen als so genannte Trostfrauen unter der japanischen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs zu berichten. Schätzungen zufolge wurden 200.000 Frauen in den von Japan besetzten Ländern in die Prostitution gezwungen. In der Regel wurden sie bis Kriegsende in Kasernen als Prostituierte und Zwangsarbeiterinnen gehalten. Bis heute negiert Japan diese Kriegsschuld und verweigert den Überlebenden eine offizielle Entschuldigung und jegliche Entschädigung.


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Quelle:
amnesty journal, März 2008, S. 30
Herausgeber: amnesty international
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. April 2008