Schattenblick → INFOPOOL → BÜRGER/GESELLSCHAFT → AMNESTY INTERNATIONAL


MELDUNG/197: Belarus - Massenüberwachung gefährdet Meinungsfreiheit


Amnesty International - 7. Juli 2016

Belarus: Massenüberwachung gefährdet Meinungsfreiheit


7. Juli 2016 - Österreichische, türkische und andere Telekommunikationsunternehmen ermöglichen der Regierung in Belarus, ihre Bürgerinnen und Bürger auszuspionieren. Die Behörden verwenden die Telefonnetze von einigen der weltweit größten Kommunikationsunternehmen, um freie Meinungsäußerung zu unterdrücken.

Der am 7. Juni von Amnesty International veröffentlichte Bericht "It's enough for people to feel it exists: Civil society, secrecy and surveillance in Belarus" dokumentiert, wie die weitreichende und unkontrollierte Überwachung die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und Aktivistinnen und Aktivisten schwächt. Es stellt bereits ein Risiko dar, telefonisch ein Treffen zu verabreden.

"In einem Land, in dem man für Kritik am Präsidenten verhaftet werden kann, macht allein die Möglichkeit, von Behörden ausspioniert zu werden, die Arbeit von NGOs und Aktivistinnen und Aktivisten so gut wie unmöglich", sagte Joshua Franco, Experte für Technologie und Menschenrechte bei Amnesty International.

Telekommunikationsunternehmen, darunter auch solche im Besitz von Telekom Austria und Turkcell, erlauben dies und gestatten damit der Regierung nahezu unbegrenzten Zugriff auf die Kommunikation ihrer Kundinnen und Kunden und deren Daten.

"Unternehmen, die in Belarus arbeiten, müssen den Behörden Zugriff auf ihre Kundendaten gewähren. Wenn der Geheimdienst jemanden ausspionieren will, braucht er keinen Vollstreckungsbefehl und muss das Unternehmen nicht um Zugang zu den Daten bitten", sagte Joshua Franco.

"Die Zukunft der Meinungsfreiheit im Online-Zeitalter hängt wesentlich davon ab, ob sich Telekommunikationsunternehmen notfalls auch gegen repressive Regierungen stellen und den Schutz der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung ernst nehmen, oder ob sie sich des Gewinns wegen wegducken."

Schon Telefonate sind mit Risiken verbunden

Der Bericht basiert auf Interviews mit mehr als 50 Menschenrechtsaktivistinnen und -aktivisten, Journalistinnen und Journalisten, Rechtsbeiständen, Mitgliedern der politischen Opposition und Technologie-Expertinnen und -experten in Belarus und im Exil. Die Interviews wurden zwischen August 2015 und Mai 2016 durchgeführt. Sie zeigen, welche Auswirkungen die Angst vor Überwachung der Privatsphäre auf die freie Meinungsäußerung, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit und auf die Zivilgesellschaft hat.

Einfachste administrative Vorgänge, wie Telefonate oder Anträge zur finanziellen Unterstützung einer Organisation, sind mit Risiken verbunden. Aktivistinnen und Aktivisten befürchten, dass ihre persönlichen oder finanziellen Daten verwendet werden könnten, um sie zu verfolgen, zu diskreditieren oder zu erpressen.

Aktivistinnen und Aktivsiten berichteten Amnesty International, mit welchen Tricks sie sich vor der totalen Überwachung schützen müssen. Ein unabhängiger Journalist, der seine Identität geheim halten möchte, erzählte: "Die meisten Menschen haben Angst, offen am Telefon zu sprechen. Diese Angst ist ein Teil ihrer Einstellung geworden. Menschen übernehmen von Anfang an diese Haltung: alles ist schlecht, ich kann es nicht beeinflussen oder steuern."

Internationale Telekommunikationsunternehmen verletzen Menschenrechtsstandards

Amnesty International geht davon aus, dass die involvierten Telekommunikations-Unternehmen etablierte Standards für Wirtschaft und Menschenrechte verletzen. Das Leitbild der Vereinten Nationen für "Responsible Business" stellt klar, dass nationale Gesetze nicht dazu verwendet werden dürfen, um Menschenrechtsverletzungen zu rechtfertigen.

Amnesty International fordert die Behörden in Belarus auf, ein System der "Checks and Balances" zu etablieren und die Überwachungspraktiken internationaler Standards anzugleichen.

Gleichzeitig fordert Amnesty International die Telekommunikationsunternehmen auf, die fragwürdigen Gesetze in Belarus zu hinterfragen, die sie davon abhalten, die Privatsphäre der Kundinnen und Kunden zu schützen. Außerdem sollen die Unternehmen ihre Kundinnen und Kunden zumindest darüber informieren, dass ihre Daten für die Behörden jederzeit abrufbar sind.


Der vollständige englischsprachige Bericht "It's enough for people to feel it exists: Civil society, secrecy and surveillance in Belarus" als PDF-Datei ist zu finden unter:
https://www.amnesty.org/en/documents/eur49/4306/2016/en/

Weitere Informationen zum Thema unter:
www.amnesty.de/privatsphaere

*

Quelle:
Mitteilung vom 7. Juli 2016
https://www.amnesty.de/2016/7/7/belarus-massenueberwachung-gefaehrdet-meinungsfreiheit?destination=startseite
Amnesty International, Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Kampagnen und Kommunikation
Zinnowitzer Straße 8, 10115 Berlin
Telefon: 030/42 02 48-306, Fax: 030/42 02 48 - 330
E-Mail: presse@amnesty.de
Internet: www.amnesty.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang