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OZEANIEN/007: Rechtswidrige Zwangsräumungen in Papua-Neuguinea (ai journal)


amnesty journal 04/05/2010 - Das Magazin für die Menschenrechte

Heimatland ist abgebrannt
Hunderte Menschen verloren in Papua-Neuguinea durch rechtswidrige Zwangsräumungen ihr Zuhause.
Das weltweit größte Goldbergbau-Unternehmen spielte dabei eine wichtige Rolle.

Von Daniel Kreuz


Mehrere hundert Meter ragen die zerklüfteten Berge im Hochland Papua-Neuguineas über das Tal in Wuangima. An den dicht bewachsenen Hängen leben seit Jahrzehnten drei Großfamilien. Unten im Tal betreibt das Unternehmen Porgera Joint Venture (PJV) eine der größten Goldminen des Landes.

Am 27. April 2009 bereiten sich am Fuße des Berges Spezialeinheiten der Polizei auf ihren Einsatz vor. Die Menschen oben im Dorf ahnen nicht, dass sie das Ziel des Einsatzes sind. Wenig später verhüllt dichter Rauch den Berg. Die Siedlung existiert nicht mehr. Die schwer bewaffneten Polizisten haben das Dorf umstellt, die Bewohner mit Sturmgewehren im Anschlag von ihrem Land vertrieben, ihre Häuaer niedergebrannt, ihre Gärten zerstört und ihre Tiere getötet. Schüsse fielen, mehrere Bewohner wurden geschlagen, drei Frauen sollen vergewaltigt worden sein. Als Polizisten John Irapu aufforderten, sein Haus zu verlassen, weigerte er sich: "Dies ist mein Haus, mein Garten, meine Frau lebt hier, meine Kinder. Warum sollte ich von hier fortgehen? Dies ist meine Heimat." Die Polizisten sperrten ihn daraufhin in seinem Haus ein, übergossen es mit Benzin und zündeten es an. Nur mit Hilfe seiner Nachbarn konnte Irapu entkommen.

Der Aktion folgten in der Region noch weitere Zwangsräumungen, die gegen internationales Recht verstießen. Bis Juli 2009 wurden mindestens 130 Häuser zerstört, Hunderte Bewohner verloren ihr Zuhause, darunter kleine Kinder, schwangere Frauen und ältere Menschen, aber auch Angestellte von PJV. Niemand war vorher informiert worden, die Betroffenen hatten keine Möglichkeit, gerichtlich gegen die Aktionen vorzugehen, und sie erhielten auch keine Ersatzunterkünfte. Dies dokumentiert ein im Januar 2010 veröffentlichter Amnesty-Bericht. In einem Gespräch mit Amnesty behauptete der stellvertretende Polizeichef Papua-Neuguineas, die Polizei habe die Bewohner mündlich gewarnt, doch wenn "sie sich nicht von selbst bewegen, bringen wir sie eben dazu".

Die Polizeieinheiten waren im April 2009 in der Region stationiert worden. PJV stellte ihnen Unterkünfte, Essen und Treibstoff unter der Bedingung, dass die Polizisten sich an nationale und internationale Gesetze halten. Sie sollten illegale Bergbauaktivitäten unterbinden und die Gewalt in der unsicheren Region eindämmen. Stattdessen wurden die Bewohner Opfer von Menschenrechtsverletzungen, begangen von denjenigen, die sie eigentlich hätten schützen sollen. Angeblich hätten die Bewohner in Behelfshütten gelebt und illegal Gold abgebaut. Doch wie der Bericht belegt, handelte es sich bei den zertörten Gebäuden um solide Holzkonstruktionen, in denen sich die Familien langfristig eingerichtet hatten, um ihre Gärten zu bewirtschaften.

PJV wird zu 95 Prozent betrieben von Tochtergesellschaften des weltweit größten Goldbergbau-Unternehmens, Barrick Gold Corporation aus Kanada. Lange Zeit dementierten sowohl PJV als auch Barrick, dass es zu Zwangsräumungen gekommen war. Erst aufgrund der ausführlichen Amnesty-Recherchen vor Ort gaben sie in Gesprächen mit der Organisation zu, dass tatsächlich Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden waren.

Amnesty beschuldigt PJV und Barrick nicht, für die Zwangsräumungen und die Polizeibrutalität verantwortlich zu sein. Laut internationalen Richtlinien, zu denen sich die Unternehmen bekannt haben, hätten sie aber die Behörden über die Vorgänge unterrichten und eine Untersuchung fordern müssen, als sie davon erfuhren. Außerdem hätten sie die Polizei nicht weiter unterstützen dürfen. Doch das Gegenteil war der Fall.

Amnesty fordert von der Regierung Papua-Neuguineas, die Vorfälle gründlich zu untersuchen, die Verantwortlichen zu bestrafen und die Opfer zu entschädigen. Denn diese erwarten endlich Antworten, sowie ein alter Mann aus Wuangima: "Ich habe kein Gold gestohlen und ich habe auch nichts falsch gemacht. Warum haben sie dann mein Haus abgebrannt?"


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Quelle:
amnesty journal, April/Mai 2010, S. 56
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2010