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AKTION/525: Offener Brief - Bosnien - Merkel soll sich für Wiedervereinigung einsetzen


Presseerklärung vom 11. Februar 2011

OFFENER BRIEF
an Bundeskanzlerin Angela Merkel

Milorad Dodik zu Gesprächen in Berlin erwartet (11.2.2011)

Bitte setzen Sie sich für die Wiedervereinigung Bosniens ein


Sie empfangen heute neben anderen bosnischen Politikern auch den "Präsidenten" der bosnischen Republika Srpska, Milorad Dodik, zu Gesprächen.

Bosnien ist heute de facto ein zweigeteiltes Land, wie einst Vietnam und Deutschland und bis heute Korea. Dazu erklärte der amtierende bosnische Außenminister jüdischen Glaubens Sven Alkalaj kürzlich, die ethnische Teilung seines Landes existiere zurzeit mehr als je zuvor.

Die Republika Srpska entstand nach den ethnischen Säuberungen, die von Massenmorden, Massenvergewaltigungen, der Massenvertreibung von 60 % der Bevölkerung und der Zerstörung so gut wie aller Moscheen und katholischen Kirchen begleitet waren.

1995 wurde mit dem Vertrag von Dayton das Ergebnis der Vertreibung der gesamten nichtserbischen Bevölkerung aus dem Norden und Osten Bosniens durch Anerkennung der Republika Srpska bestätigt. Der Annex 7 dieses Vertrages sah - theoretisch - die Rückkehr der vertriebenen Hälfte der Bevölkerung vor, ohne dass seither ernsthafte Bemühungen unternommen wurden, die Bestimmungen dieses Vertrages durchzusetzen.

Die Bundesrepublik Deutschland als Mitunterzeichner des Abkommens von Dayton hat nur sechs Jahre nach dem Fall der Mauer und fünf Jahre nach der eigenen Wiedervereinigung an der unmenschlichen Teilung eines anderen europäischen Landes mitgewirkt. Deutsche Regierungen haben seither nichts Wesentliches unternommen, um diese unerträgliche Situation rückgängig zu machen und somit auch das Zusammenleben aller bosnischen ethnischen und religiösen Gemeinschaften wiederherzustellen. Das ist umso unverständlicher, als Millionen Deutsche vor 65 Jahren auch Opfer von Flucht und Vertreibung geworden sind.

Deutsche Innenminister haben zudem seit 1996 bis heute Zehntausende bosnische Flüchtlinge aus Deutschland vertrieben, wohlwissend, dass diese nicht in ihre Heimatorte zurückkehren konnten. Diese meist traumatisierten Kinder, Frauen und Männer wurden somit zum zweiten Mal vertrieben. Sie mussten in fernen Ländern Zuflucht suchen - in Australien, Kanada oder den USA.

Die Bosnier aller Nationalitäten sind durch gemeinsame Sprache und Geschichte sowie durch verwandtschaftliche Verbindungen Hunderttausender miteinander verbunden. In Bosnien lebende Ausländer berichten, dass der Willen zur Versöhnung zunimmt, nicht zuletzt unter den Jugendlichen aller Nationalitäten.

Wenn Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, am Freitag das "Oberhaupt" der "Republika Srpska" empfangen, begrüßen Sie eine Persönlichkeit, die weder den Völkermord, der von serbischen und jugoslawischen Milizen und Truppen begangen wurde, anerkennt, noch die Anklagen und Urteile des Internationalen Strafgerichtshofes und des Internationalen Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag akzeptiert. Darüber hinaus droht er ständig mit der Sezession seines Landesteiles.

Wir bitten Sie, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, alles zu unternehmen - auch gemeinsam mit den Partnern Deutschlands in der NATO und in der EU -, um die Einheit Bosniens wiederherzustellen, eine in diesem Sinne im ganzen Land verbindlich geltende Verfassung durchzusetzen und für den Aufbau gesamtbosnischer Institutionen zu sorgen. Bosnier aller Gemeinschaften sehnen sich nach einer Situation, die es ihnen erlaubt, in allen Teilen ihres Landes in Sicherheit und Würde leben und arbeiten zu können.

Ein gemeinsames Bosnien sollte dann in allen europäischen Institutionen, nicht zuletzt in der EU und im NATO-Bündnis willkommen sein.

Mit freundlichen Grüßen

Tilman Zülch
Präsident der GfbV International


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Milorad Dodik:

"Wir sehen keinen Nutzen darin, weiter zu Bosnien-Herzegowina zu gehören." 24. Juli 2010

"Ich bin mir sicher, dass der Tag kommen wird, an dem Serben über ihre Zukunft in einem Referendum abstimmen können. Bosnien-Herzegowina ist ein Albtraum für die Republika Srpska und wie jeder Albtraum wird er so lange dauern, wie es nötig ist." 25.07.2010

"Ich bin davon überzeugt, dass Bosnien-Herzegowina keine Zukunft hat. Es kann mit Gewalt zusammengehalten werden... Aber dies kann nicht für immer so weiter gehen. Bosnien-Herzegowina bringt keine langfristige Stabilität in der Region mit sich. Eine andere Lösung [gemeint ist die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina und Eingliederung in Serbien] könnte dies schon erreichen, denke ich." 27.07.2010

"Bosnien-Herzegowina existiert nur aufgrund korrupter Beamter der internationalen Gemeinschaft, die enorme Gehälter dafür kassieren, dass andere Leute leiden - obwohl auch sie sich der Tatsache bewusst sind, dass Bosnien-Herzegowina kein funktionierender Staat ist." 22.08.2010

"Wir lieben die Republika Srpska. Wir sind nur in Bosnien-Herzegowina, weil wir es sein müssen. Niemand braucht ein solches Bosnien-Herzegowina und es sollte abgeschafft werden." 5.09 2010

"Es gab hier (in Srebrenica) keinen Genozid und wir werden diese Behauptung nicht akzeptieren. Es haben damals mehr Bosniaken Srebrenica verlassen und sind nach Tuzla und Sarajevo gegangen, als in Srebrenica getötet wurden. Deshalb ist es kein Völkermord. Das bosniakische Volk hatte eine schwere Geschichte, es ist ein ehrliches Volk, aber sie waren gegenüber uns Serben immer schlecht, als sie schlechte politische Alternativen hatten. Wir möchten etwas dagegen tun und Ihnen heute und hier in Srebrenica mitteilen: Wendet euch der Repulika Srpska zu und lasst von Sarajevo ab!" 10.09.2010

"Heute wird die Republika Srpska nicht mehr in Frage gestellt, sie ist eine feste Kategorie. Nur Bosnien-Herzegowina kann noch in Frage gestellt werden." 12.09.2010

"Die Republika Srpska wird es für immer geben - Bosnien-Herzegowina dagegen nur so lang wie nötig." 14.09.2010

"Meine Hauptstadt ist nicht Sarajevo, ich erkenne sie nicht an. Für mich ist - neben Banja Luka - Belgrad die Hauptstadt." 25.09.2010

"Unser nationales Interesse ist eindeutig, es heißt Republika Srpska und Banja Luka ist seine Hauptstadt, während Belgrad die nationale Hauptstadt ist." 28.09.2010


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, Berlin/Göttingen, den 11. Februar 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2011