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AFRIKA/318: Nigeria - Mehr als 80 Christen seit Weihnachten gewaltsam getötet


Presseerklärung vom 8. Januar 2012

Nigeria: Mehr als 80 Christen seit Weihnachten gewaltsam getötet

Gewaltspirale schürt Misstrauen zwischen Christen und Muslimen - Nigeria droht Zerreißprobe


Die Gewaltspirale in Nigeria schürt das Misstrauen zwischen Christen und Muslimen in dem westafrikanischen Staat, erklärte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Sonntag in Göttingen. Den nigerianischen Sicherheitskräften warf die Menschenrechtsorganisation vor, mit dem Schutz religiöser Minderheiten vollkommen überfordert zu sein und nicht die Sicherheit der Bürger des Staates garantieren zu können. So fliehen tausende christliche Ibo aus dem mehrheitlich muslimischen Norden und auch im Süden setzt hält die Flucht von muslimischen Haussa in den Norden an. "Nigeria droht eine Zerreißprobe. Das Land steht vor der schwersten Prüfung seiner Einheit seit dem Völkermord in Biafra vor mehr als 40 Jahren", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.

Der Vorsitzende der "Christlichen Vereinigung in Nigeria (CAN)", Ayo Oritsejafor, erinnerte am Wochenende an den Genozid in Biafra und warnte vor "ethnisch oder religiös begründeten Säuberungen" im Norden Nigerias. Tatsächlich haben bereits tausende Ibo den Norden aus Angst vor neuen Angriffen der Boko Haram Sekte verlassen. Viele Ibo, die als Händler im Norden tätig waren, sind in den Süden geflohen. Dies wird die wirtschaftlichen Probleme Nordnigerias weiter schüren. Sowohl Sprecher der Ibo als auch der Yoruba kündigten an, dass ihre ethnischen Gemeinschaften weitere Gewalt von Boko Haram nicht tatenlos hinnehmen würden und sich nun selbst gegen neue Übergriffe auf Christen schützen würden.

Aber auch aus dem Süden sollen nach Angaben des Vereins der Viehzüchter von Asaba (Bundesstaat Delta) bereits mehr als 10.000 muslimische Haussa aus Angst vor Vergeltungsangriffen von Christen nach Norden geflohen sein. Die muslimischen Flüchtlinge lebten zuvor vor allem in den Bundesstaaten Delta, Anambra, Bayelsa und Rivers.

"Die Regierung des christlichen Staatspräsidenten Goodluck Jonathan ist von der Massenflucht und drohenden Zweiteilung des Landes vollkommen überfordert", erklärte Delius. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtet sie auf ihr eigenes politisches Überleben, das in der kommenden Woche massiv geprüft wird. Denn Gewerkschaften, Oppositionsparteien und Bürgerrechtler haben zu einem Generalstreik und zu Massenprotesten wegen der drastischen Erhöhung der Benzinpreise und der Kürzung von staatlichen Hilfen aufgerufen. Dieses Thema bewegt Nigerias Öffentlichkeit mehr als die eskalierende Gewaltspirale zwischen Christen und Muslimen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 8. Januar 2012
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2012