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AFRIKA/662: Verbot von Biafra-Organisation schürt Gewalt in Nigeria


Gesellschaft für bedrohte Völker - Pressemitteilung vom 17. September 2017

50 Jahre nach dem Völkermord in Biafra - Nigerias Armee erklärt Biafra-Aktivisten zu "Terroristen"

Verbot schürt Gewalt und Auseinandersetzungen - Nigerias Demokratie auf Abwegen


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat das Verbot der Biafra-Bewegung Indigenous People of Biafra (IPOB) in Nigeria kritisiert und vor neuer Gewalt im Südosten des Landes gewarnt. "50 Jahre nach dem Beginn des Völkermords in Biafra haben Nigerias Armee und Staatsführung nichts gelernt aus den Fehlern der Vergangenheit. Wie damals setzen sie auch heute wieder auf brachiale Gewalt, um Biafra-Aktivisten einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Statt endlich den Dialog mit Biafranern zu suchen, setzt die Armee auf Eskalation", erklärte der GfbV-Direktor Ulrich Delius am Sonntag in Göttingen. Am letzten Freitag hatte der Armeesprecher Generalmajor John Enenche die IPOB zur "terroristischen" Bewegung erklärt.

Gouverneure und Polizeipräsidenten im Südosten Nigerias bekräftigten am Wochenende, dass die IPOB fortan als verbotene Organisation gelte und auch jedes Hissen der Biafra-Fahne mit Verhaftung geahndet werde. "Wenn schon das Zeigen der Biafra-Fahne als Straftat gilt, dann wird deutlich, dass die Behörden nicht nur die IPOB zerschlagen und ihre Anhänger mundtot machen wollen, sondern dass man die Gelegenheit nutzt, um alle Biafra-Aktivisten zu kriminalisieren", erklärte Delius. "Das Verbot ist verfassungsrechtlich höchst problematisch, da es einen schweren Eingriff in die Grundrechte auf Organisations-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit bedeutet. Auch schadet es dem Ansehen von Nigerias Demokratie, wenn die Armee und nicht die führenden Verfassungsorgane die IPOB zur "terroristischen" Bewegung erklärt."

Die Menschenrechtsorganisation warnte davor, die IPOB in die Illegalität abzudrängen. "Jeder politische Dialog zwischen Biafranern und Nigerias Politikern wird dadurch erschwert. Doch ohne einen politischen Dialog wird es auch keine Lösung der Biafra-Frage geben", sagte Delius. "Jahrzehntelang hat Nigeria die Biafra-Frage tabuisiert. Die Proteste der IPOB und anderer Organisationen zeigen, wie aktuell die Biafra-Frage heute noch immer ist."

Die GfbV hatte Ende Mai 2017 einen 76 seitigen Menschenrechtsreport zur Lage in Biafra und zu den zunehmenden Spannungen zwischen den Sicherheitskräften und Biafra-Aktivisten veröffentlicht. In dem Report wurden die Verhaftung von 1.244 Biafra-Anhängern und die Erschießung von 180 Biafra-Aktivisten durch nigerianische Sicherheitskräfte bei der Niederschlagung von Protesten im Zeitraum zwischen August 2015 und Mai 2017 dokumentiert. Nachdrücklich appellierte die GfbV in dem Bericht, die Tabuisierung der Biafra-Frage zu beenden und einen politischen Dialog zu beginnen, um eine Eskalation der Gewalt zu vermeiden.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 17. September 2017
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen
Telefon: 0551/499 06-25, Fax: 0551/58028
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Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2017

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