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AKTION/213: Offener Brief an G. Westerwelle - in Kirgisien für Untersuchungskommission einsetzen


Presseerklärung vom 13. Juli 2010

Offener Brief an Bundesaußenminister Guido Westerwelle

Ihre Reise nach Kirgisien 14.-17.7.
Setzen Sie sich in Kirgisien für unabhängige Untersuchungskommission ein


Sehr geehrter Herr Außenminister,

kurz vor Ihrer Reise nach Zentralasien möchten wir Ihnen dafür danken, dass Sie sich für ein Ende des Konfliktes in Kirgisien engagiert und großzügige humanitäre Hilfe zugesagt haben. Gleichzeitig möchten wir Sie jedoch auch bitten, nun wichtige politische Signale zu setzen, die die Lage in Kirgisien weiter stabilisieren können.

Bitte setzen Sie sich bei der kirgisischen Regierung dafür ein, dass eine unabhängige internationale Untersuchungskommission noch vor den für Oktober dieses Jahres angesetzten Wahlen die Hintergründe der Gewalteskalation klären und einen Bericht auch in den kirgisischen Medien veröffentlichen darf. Bislang gibt es zwar Berichte einzelner Augenzeugen, aber keine umfassende Darstellung. Wer tatsächlich die Hintermänner der Pogrome waren, ist bis heute unbekannt. Noch immer gibt es auch im Land mehr Gerüchte über die Geschehnisse als Wissen um die tatsächlichen Fakten. Diese Gerüchte führen zu tiefer Verunsicherung und machen einen weiteren Gewaltausbruch wahrscheinlicher.

Der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) liegen zahlreiche Berichte darüber vor, dass sich die kirgisischen Soldaten und Armeeangehörigen, die in den vergangenen Wochen in den Süden des Landes verlegt wurden, den dort lebenden ethnischen Usbeken gegenüber zumindest parteiisch, wenn nicht diskriminierend verhalten. Die usbekische Bevölkerung vertraut den Einheiten nicht, die teils auch Menschenrechtsverletzungen an Usbeken begangen haben. Deshalb forderten schon Demonstranten in Osch eine Internationalisierung der Polizeikräfte. Wiederum hätte hier die OSZE die Möglichkeit, ein internationales Kontingent zusammenzustellen, um Vertrauen aufzubauen und Menschenrechtsverletzungen zu verhindern. Bitte überzeugen Sie die kirgisische Führung sowie Ihre Partner in der OSZE von der Notwendigkeit eines solchen internationalen Polizeikontingents.

Die humanitären Folgen der Auseinandersetzungen sind immer noch verheerend. Am wichtigsten ist im Moment der Wiederaufbau der betroffenen Städte und Dörfer. Nach UN-Angaben wurden allein in der Region Osch 744 Häuser niedergebrannt, im Zentrum der Stadt wurden 1.807 Gebäude zumindest teils beschädigt, 1749 von ihnen vollkommen zerstört. Die zurückkehrenden Flüchtlinge haben kein Dach mehr über den Kopf. Es bleibt nicht mehr allzu viel Zeit bis zum Winter, um Unterkünfte zu bauen. Obwohl die UN und ihre Unterorganisationen vor Ort sind und mit der Arbeit begonnen haben, reichen die Finanzen nicht aus. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat die UN-Mitgliedsstaaten aufgefordert, 73 Millionen Dollar für den Wiederaufbau im Süden Kirgisien zu spenden. Bislang sind mit 12,6 Millionen US-Dollar erst 17,2% davon (12,6 Millionen Dollar) eingegangen. Diese Summe ist angesichts der großen Zerstörung und der dringenden Bedürfnisse der Zivilbevölkerung völlig unzureichend. Bitte sagen Sie mehr Hilfe zu: Deutschland sollte noch einmal großzügige Unterstützung für Kirgisien bereitstellen!


Mit freundlichen Grüßen,
gez. Tilman Zülch, GfbV-Bundesvorsitzender


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, Göttingen/Berlin, den 13. Juli 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2010