Schattenblick →INFOPOOL →BÜRGER/GESELLSCHAFT → BEDROHTE VÖLKER

ASIEN/360: Afghanistan - Kriegsverbrecher Fahim unbehelligt in Deutschland


Presseerklärung vom 14. September 2010

Menschenrechtler empört: Afghanischer Kriegsverbrecher Mohammad Fahim hält sich unbehelligt in Deutschland auf


Mit Empörung hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich der berüchtigte Kriegsverbrecher Mohammad Qasim Fahim, Vizepräsident Afghanistans, unbehelligt in Deutschland aufhält. Er wird in einem Berliner Krankenhaus behandelt. "Fahim gehört in die erste Reihe afghanischer Warlords, die für Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor ein internationales Gericht gestellt werden müssten", sagte der GfbV-Afghanistan-Experte, Tillmann Schmalzried, am Dienstag in Göttingen.

Bereits in den 80er Jahren hat Fahim als Sicherheitschef der afghanischen Widerstandsbewegung von Ahmad Schah Massoud gegen die sowjetische Besatzungsarmee systematische Folterungen sowie Massenexekutionen im Lejdey-Gefängnis in der nordafghanischen Provinz Takhar angeordnet. Nach dem Rückzug der russischen Armee wurde er 1992 Geheimdienstchef der provisorischen Regierung des Islamischen Staates Afghanistan. Seine Truppen verübten in Kabul ungestraft zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gegen die Zivilbevölkerung. Außerdem war Fahim maßgeblich an der blutigen Vertreibung der Angehörigen der Hazara-Volksgruppe aus dem Kabuler Stadtteil Afschar Anfang Februar 1993 beteiligt. Dabei wurden tausende Hazara getötet und ihre Frauen systematisch vergewaltigt.

Nach 2001 hat sich Fahim vor allem durch die Verfolgung von Kritikern von Kriegsverbrechern hervorgetan. Während seiner Zeit als Verteidigungsminister (2002-2004) ließ er regierungskritische Journalisten verfolgen, darunter die Mitarbeiter der Zeitung Aftab (Sonne). Der für das Institute for War & Peace Reporting (iwpr) schreibende Anti-Warlord-Journalist Sayed Yaqub Ibrahimi musste Afghanistan wegen der massiven Drohungen Fahims im Herbst 2009 verlassen. Ibrahimis Bruder Sayed Parvez war aufgrund erpresster Aussagen und gefälschter Beweise wegen angeblicer Gottelästerung zunächst zum Tode, dann zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Fahim steht als stärkster Warlord zwischen Badakhschan und Tadschikistan hinter dem Drogen-Waffenhandel an der nordafghanischen Grenze. In Badakhschan sind deutsche Truppen stationiert. Der iwpr-Report Sayed Yaqub Ibrahimis sorgte nach seinem Erscheinen am 30. Juni 2008 dafür, dass die afghanische Regierung die Schließung des möglicherweise weltgrößten Drogen-Waffen-Handelsplatzes auf einer Insel im Grenzfluss Pandsch versprechen musste.

Mit einem Besuch in der afghanischen Botschaft in Deutschland am 7. September 2010 betonte Fahim seinen regierungsoffiziellen Status. Offensichtlich will er sich so vor einer möglichen Strafverfolgung schützen.


*


Quelle:
Presseerklärung Berlin/Göttingen, den 14. September 2010
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
Postfach 20 24, D-37010 Göttingen,
Tel.: 0551/49906-25, Fax: 0551/58028
E-Mail: presse@gfbv.de
Internet: www.gfbv.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010