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ASIEN/386: China - Erdbeben-Sicherheit contra Menschenrechte ...


Presseerklärung vom 14. März 2011

Europaparlament fordert Stopp der Zerstörung der Altstadt Kashgars

Erdbeben-Sicherheit contra Menschenrechte:
China will kulturelle Identität der Uiguren durch "Sanierungsmaßnahmen" zerstören


Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der Regierung Chinas vorgeworfen, unter dem Vorwand der Erdbeben-Sicherheit einzigartige Kulturgüter ethnischer Minderheiten mutwillig zu zerstören. "So lässt China seit Februar 2009 den Jahrhunderte alten Stadtkern Kashgars in der Provinz Xinjiang niederreißen, um dort vermeintlich erdbebensichere Wohnblocks zu errichten", berichtete der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Montag in Göttingen. "Ziel dieser "Sanierung" mit dem Bulldozer ist die Zerstörung der kulturellen Identität der dort lebenden Uiguren. Außerdem soll so die Kontrolle über diese Minderheit verschärft werden, da Uiguren immer wieder Chinas Herrschaft im Nordwesten der Volksrepublik in Frage stellen."

Rund 70 Prozent der mehrere hundert Jahre alten Altstadt Kashgars, die als "Kairo des Ostens" und als einzigartiger Kulturschatz Zentralasiens gilt, sind seit Februar 2009 im Zuge der "Sanierung" niedergerissen worden. Das Europaparlament forderte in einer Resolution am Donnerstag vergangener Woche einen sofortigen Stopp der Zerstörung. China solle der Einsetzung einer Expertenkommission zustimmen, die Möglichkeiten zum Erhalt und zur Restaurierung des einzigartigen Stadtkerns prüfen müsse, verlangen die Europaparlamentarier. Außerdem fordern sie ein Ende der Zwangsumsiedlungen von Uiguren sowie eine angemessene Entschädigung für alle Opfer der Sanierungsmaßnahmen.

Im Februar 2009 hatten die chinesischen Behörden angekündigt, in den folgenden fünf Jahren rund 200.000 Bewohner der Altstadt Kashgars in so genannte erdbebensichere Wohnblocks umzusiedeln. Lebten bislang in der Altstadt fast ausschließlich Uiguren, so sollen in den neuen Blocks Uiguren gemeinsam mit Han-Chinesen untergebracht werden. So will China langfristig die ethnische Struktur der bislang noch am meisten uigurisch geprägten Stadt im Nordwesten des Landes verändern. Nur 15 Prozent der oft 400 bis 500 Jahre alten Häuser sollen zur Förderung des Tourismus in einem Freilichtmuseum erhalten bleiben. "Doch das einzigartige Stadtbild wird willkürlich zerstört, da es nicht aus einzelnen Häusern besteht, sondern aus dem Gesamtbild hunderter alter Gebäude", sagte Delius.

Chinas Behörden begründen die Zwangsumsiedlung mit der Erdbebengefahr im äußersten Nordwesten der Volksrepublik. Für die GfbV ist dies ein fragwürdiges Argument, da die aus Holz und Lehm errichteten historischen Gebäude bereits Dutzende Beben unbeschadet überstanden haben. Chinesische Statiker halten die alten Häuser in Kashgar sogar für besonders erdbebensicher, da die Holzträger Erdstöße abpuffern. Für die neuen Wohnblocks gilt dies jedoch nicht. Ihre Konstruktion ist so ungenügend, dass zuletzt im Mai 2008 bei einem Erdbeben in der Provinz Sichuan rund 90.000 Menschen durch zusammenstürzende Häuser ums Leben kamen.


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Quelle:
Presseerklärung Göttingen, den 14. März 2011
Herausgeber: Gesellschaft für bedrohte Völker e. V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2011